Scouting ist wie Partnersuche

Chef-Scout Peter Braundt Er ist Heckings „Auge“. Sieht 5000 Spieler im Jahr. Wie findet er da die Richtigen?



Von HEIKO OSTENDORP
Ihn sieht man eigentlich nie. Trotzdem ist er einer der wichtigsten Leute für Trainer Dieter Hecking. 96-Chef-Scout Peter Braund (41). Das BILD-Interview mit „Heckings Auge“.



BILD: Wie viele Spiele sehen Sie im Jahr?

Braund: „So um die 200.“



BILD: Also gut 5000 Spieler?

Braund: „Dazu natürlich unzählige DVDs, die wir zweimal pro Woche von einer Firma bekommen mit Spielern aus aller Welt.“



BILD: Und dann werden Spieler per DVD verpflichtet?

Braund: „Nein, aber wenn wir einen interessanten Spieler angeboten bekommen, können wir auf ein Archiv von über 2000 DVDs zugreifen. Und daraus können wir in Zukunft der sportlichen Leitung entsprechende DVDs zusammenstellen.“



BILD: Nach welchen Kriterien beobachten Sie einen Spieler?

Braund: „Jeder, der für uns ein Spiel anschaut, muss einen Bericht abgeben. Dabei achten wir nur auf den Spieler, der auch für uns interessant ist. Über einen 38jährigen brauche ich keine zwei Sätze zu lesen.“



BILD: Worauf achten Sie als erstes?

Braund: „Ich bin der Meinung, dass ein Spieler, der uns weiterbringen soll, eine „Waffe“ braucht. Etwas spezielles, was kein anderer Spieler hat. Egal, was es ist.“



BILD: 200 Spiele und 5000 Spieler im Jahr - wie findet man da den Richtigen?

Braund: „Eine Granate erkennt jeder sofort. Bei einem Spieler mit Potential kann das 10 Minuten, 10 Spiele oder 10 Jahre dauern. Das ist wie mit der Liebe auf den ersten Blick.“



BILD: Wie bitte...

Braund: „Scouting ist wie Partnersuche. Es kommt immer darauf an, auf was man steht. Das ist keine Wissenschaft.“



BILD: Wo steht 96 im Bereich Scouting?

Braund: „Wir sind da, wo beispielsweise der HSV vor vielen Jahren war. Als ich kam, haben wir nicht viel vorgefunden, mussten erstmal viel Basisarbeit leisten. Jetzt sind wir soweit, dass wir in Deutschland und den Nachbarländern die Spieler kennen, die uns weiterbringen. Das heißt aber nicht, dass wir sie auch bekommen.“



BILD: Und in anderen Ländern?

Braund: „Kontinente wie Südamerika oder Afrika haben wir noch nicht abgedeckt. Weil wir bisher eine konservative Transferpolitik betreiben.“



BILD: Das heißt?

Braund: „Für einen Klub wie ManU ist die ganze Welt interessant, aber soweit sind wir noch nicht. Hannover 96 setzt vorrangig auf den deutschen Markt. Das wird wohl auch erstmal so bleiben.“



BILD: Wo sind für 96 noch interessante Märkte?

Braund: „Vor 10 Jahren konnte man noch in Osteuropa schauen und ein Talent wie Simak auf dem Dorf finden. Das können Sie heute vergessen.“



BILD: Warum?

Braund: „Die großen Klubs werden immer größer, deren Kader auch. Wenn einer den Ball halbwegs geradeausschießen kann, ist sofort ein Berater dabei. Und die großen Klubs, die vernünftig scouten, kennen jeden. Da wird es für die Übrigen umso schwerer.“



BILD: Wie kann man trotzdem einen Überraschungs-Coup landen?

Braund: „Das ist eine Frage des richtigen Timings, des Preises, den man bereit ist zu zahlen. Und der Überzeugungskraft.“



BILD: Welchen Einfluss haben Sie darauf, ob ein Spieler verpflichtet wird?

Braund: „Wir arbeiten der sportlichen Leitung zu, sprechen Empfehlungen aus. Dann gibt es regelmäßig Sitzungen, in denen oft heftig diskutiert wird. Da nehme ich kein Blatt vor den Mund, das habe ich auch nicht bei Alex Ferguson in Manchester gemacht. Wenn ich irgendwo wirklich gegen einen Spieler bin, werde ich das auch sagen.“



BILD: Bisher wurden in Ihrer Zeit kaum „Überraschungen“ verpflichtet...

Braund: „Ich denke, dass unsere Arbeit in Zukunft noch besser zur Geltung kommen wird. Aber man darf auch nicht vergessen, dass wir nicht nur scouten. Auch Gegner-Beobachtung, Datenbank-Pflege oder Spielanalyse sind wichtiger Teil unserer Arbeit.“



BILD: Können Sie ein Fußball-Spiel auch ohne Scouting-Blick schauen?

Braund: „Nein! Sobald mir ein Spieler auffällt, würde ich immer den Zettel rausholen. Aber ganz ehrlich: Zu Hause bin ich auch mal froh, wenn ich kein Fußball schauen muss.“