Reich zum Niedersachsenderby

Siegfried „Siggi“ Reich, in Wolfsburg geborener Stürmer, spielte von 1985 bis 1990 erfolgreich für Hannover 96. In 90 Bundesligaspielen erzielte er dabei 33 Tore. Damit ist er in der ewigen Tabelle der sechstbeste Angreifer der Roten. In 48 Zweitligaspielen für die Roten gelangen ihm gar 35 Treffer. Die Endphase seiner Karriere absolvierte Reich von 1992 bis 1996 bei seinem Heimatverein VfL Wolfsburg in der 2.Liga. Heute führt es sein eigenes Sport-Fachgeschäft in Wolfsburg. Was läge da näher, als den beliebten 178fachen Bundesligaspieler zum kommenden Niedersachsenderby zu befragen.









Zwei Ihrer ehemaligen Vereine treffen am Samstag aufeinander. Wie lautet Ihr aktuelles Urteil über das Leistungsvermögen beider Mannschaften?
Siggi Reich: „Die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking hat in der Hinrunde der Saison 2007/2008 einen ganz großen Sprung nach vorne gemacht und auch auswärts sehr gute Leistungen gezeigt. In der Rückrunde ist die Mannschaft etwas schwerer in Tritt gekommen. Die Entwicklung von 96 beurteile ich trotzdem sehr positiv. Es wird sicher in der Tabelle noch weiter nach vorn gehen – und der Verein kann sich im oberen Drittel festsetzen.
Der VfL Wolfsburg hat unter Felix Magath ebenfalls eine positive Entwicklung genommen. Derzeit hat Felix ein grobes Gerüst zusammengestellt, bei dem noch probiert wird, welcher Spieler auf welcher Position am besten spielen kann. Die Wölfe haben einige Talente im Kader, die sich noch weiter entwickeln können. Auch junge Spieler erhalten ihre Chance, um sich zu zeigen. Es wird sicher noch Rückschläge geben, aber der Weg des VfL wir peu a peu nach oben führen.“

Die etatmäßigen Torjäger auf beiden Seiten sind nicht dabei. Wie beurteilen Sie insbesondere die Leistung von Mike Hanke nach seinem Wechsel aus Wolfsburg zu 96?
Siggi Reich: „Mike Hanke hat bereits in Wolfsburg gute Spiele gemacht. Er hat bei Hannover 96 sehr, sehr stark in der Hinserie angefangen. Ich glaube, es ist positiv, dass er sich weiterentwickelt und ein neues Umfeld hat. Es wird ihn sicher besonders ärgern, dass er beim Derby nicht spielen kann. Beim VfL fehlt mit Grafite leider auch der beste Torschütze.“

Wer ist die Führungspersönlichkeit in der Mannschaft des VfL und auf wenn muss das Team von Dieter Hecking besonders aufpassen?
Siggi Reich: „Das ist schwer zu sagen. Es sind ja in den letzten zwei bis drei Jahren unheimlich viele neue Spieler nach Wolfsburg gekommen und viele Profis haben den Verein verlassen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis sich heraus stellen wird, wer die Führungspersönlichkeit ist. Derzeit ist Marcelinho der Kopf, aber auch Ricardo Costa als Abwehrmann übernimmt immer mehr Verantwortung. Der VfL ist vor allem aus der zweiten Reihe gefährlich - das Mittelfeld erzielte viele Tore. Edin Dzeko wird wohl als Vertreter von Grafite spielen. Er ist als junger Spieler auf einem positiven Weg, ist immer torgefährlich, setzt sich immer voll ein und ist dicht am Gegner dran.“

Werden Sie das Derby vor Ort verfolgen?
Siggi Reich: „Ja, ich bin live dabei. Mein Herz schlägt aber für beide Clubs. Ich verfolge beide Vereine noch intensiv. In den fünf Jahren bei Hannover 96 habe ich mich sehr wohl gefühlt und tolle Jahre erlebt. Wer weiter in der Tabelle nach oben will, muss in Wolfsburg gewinnen. Ich hoffe, dass die Zuschauer ein spannendes Derby mit vielen Torraumszenen erleben werden und der Bessere soll am Ende gewinnen.“

Felix Magath, der Mächtige, hat beim VfL alle Fäden in der Hand. Kann dieses Modell zukunftsträchtig?
Siggi Reich: „In Wolfsburg wird das englische Modell umgesetzt. Ein mächtiger Trainer, der sich auch noch um andere Dinge kümmert. Weitere Trainer leiten das Trainingsgeschehen mit und sollen das Spiel der Mannschaft weiter verfeinern. Felix Magath hat ein ähnliches Konzept in Stuttgart beim VfB schon mit relativ großem Erfolg umgesetzt. Daher wird dieser Weg immer positiv weitergehen. Es ist wichtig, dass die Aufgaben klar verteilt sind – dies ist ja auch bei Hannover 96 derzeit so.“


Sie haben eine hohe Trefferquote in der Bundesliga erreicht. 33 Toren in 90 Erstligaspielen – das schaffen heute nur noch wenige Stürmer. Woran liegt das?
Siggi Reich: „Es liegt nicht an den Stürmern selbst, sondern am Wandel des Spielsystems. Früher spielte man mit zwei oder drei Stürmern. Heute müssen Stürmer mehr und disziplinierter nach hinten arbeiten als zu meiner aktiven Zeit. Das Spiel ist außerdem athletischer und schneller geworden. Es wird wohl kaum noch einmal einen Torjäger geben, der 30 Treffer in einer Saison schießt, so wie die großen Torjäger früher.

Siggi, vielen Dank für das Gespräch!