Kratzen und beissen

Mit einem Sieg beim MSV Duisburg wollen die „Roten“ endlich einen Befreiungsschlag landen



Von Christian Purbs

Hannover. Dass es um das Selbstvertrauen von Hannover 96 derzeit nicht allzu gut bestellt ist, überrascht nach den vielen schwachen Leistungen in der Rückrunde nicht. Es gibt für die „Roten“ auch wirklich keinen Grund, eine dicke Lippe zu riskieren, selbst dann nicht, wenn der Gegner am heutigen Sonnabend der MSV Duisburg (15.30 Uhr in der MSV-Arena) und damit das Schlusslicht der Fußball-Bundesliga ist. Um den zweiten Sieg in diesem Jahr zu schaffen, ist 96 fast jedes Mittel recht. Und sei’s die Taktik, sich selbst ein bisschen klein zu reden, um dann einen großen Sieg zu landen. Ist zwar nicht gerade neu, aber wenn’s hilft schon in Ordnung. Damit dieser Trick jedoch funktioniert, müssen die Aussagen über die Stärke des Gegners und die eigenen Schwächen glaubhaft sein. Und da könnte Dieter Hecking den Bogen etwas überspannt haben.

Es war zumindest ungewöhnlich, was der 96-Trainer zwei Tage vor dem Gastspiel beim Aufsteiger sagte. „Die Qualität der Duisburger ist ihre Situation. Der MSV wird sich fragen: Wenn wir nicht zu Hause gegen 96 gewinnen, gegen wen dann sonst?“ So weit ist es also schon gekommen, 96 als letzte Chance für Abstiegskandidaten. Nicht gegen Cottbus oder Nürnberg, nein gegen Hannover hofft der Letzte auf das rettende Licht am Ende der Liga. Wüsste man nicht genau, dass das alles nur ein Ablenkungsmanöver ist, es könnte einem Angst und Bange um 96 werden.

Zwar hat sich die ehemals gute Auswärtsbilanz der „Roten“ durch die Rückschläge in der Rückrunde relativiert, doch Hecking hofft, dass „wir jetzt auch auswärts die Kurve kriegen“. Seine Mannschaft wolle endlich „den Lauf beenden, der uns selber nicht schmeckt. Wir sind dran mit einem positiven Ergebnis“, sagt der 43-Jährige. Dass er dabei wieder einmal auf zahlreiche Stammspieler verzichten muss, ist für Hecking in diesem Jahr keine neue Situation. Neben Jan Rosenthal, Michael Tarnat und Frank Fahrenhorst werden in Duisburg auch Gaétan Krebs (Knieprobleme) und Arnold Bruggink fehlen.

Besonders der Ausfall des Niederländers, der im Heimspiel gegen Arminia Bielefeld seine fünfte Gelbe Karte kassierte und deshalb in Duisburg gesperrt ist, könnte der Mannschaft schaden. Denn Bruggink kam zuletzt immer besser in Schwung und bewies mit zwei Treffern auch seine Torgefährlichkeit. Für ihn wird Sergio Pinto, der in der Rückrunde nur durch seinen Platzverweis in Hamburg aufgefallen ist, im offensiven Mittelfeld spielen.

Trotz der Personalprobleme verfügt 96 im Vergleich zum MSV immer noch über die besseren Einzelspieler. Das allein wird jedoch nicht für das zweite Erfolgserlebnis in diesem Jahr ausreichen. Gegen eine Mannschaft wie Duisburg, die um ihre Bundesliga-Existenz spielt und „kratzen und beißen“ (Hecking) wird, sind eigene Aggressivität und Zweikampfstärke die Voraussetzung, um sich durchsetzen zu können. Und wenn die „Roten“ nicht so fahrlässig mit ihren Torchancen umgehen würden wie gegen Bielefeld, würde das auch helfen.

Im heutigen Spiel in Duisburg wird sich zeigen, ob sich Hannover mit einem Sieg noch einmal aus dem Mittelmaß der Liga befreien kann. Um nicht in der Bedeutungslosigkeit zwischen Energie und Eintracht zu verschwinden, sollte den „Roten“ jedes Mittel recht sein. Und jeder Trick.