Dreckig über die Ziellinie
Hannover 96 knackt mit dem nicht besonders schönen, aber wichtigen 2:1 gegen Nürnberg die 30-Punkte-Marke.


Von Heiko Rehberg
Hannover. Endlich machte der Blick auf die Tabelle wieder Spaß. Dieter Hecking schaute auf das Blatt, auf dem alle Zahlen und Fakten des 22. Fußball-Bundesligaspieltages fein säuberlich aufgelistet waren, und fuhr dann mit dem Finger ganz nach rechts, dort, wo die Punkte stehen. „Endlich haben wir die 30-Punkte-Grenze übersprungen“, sagte der Trainer von Hannover 96 nach dem hart erkämpften 2:1-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg. Hecking erinnerte dabei an einen Hochspringer, der die angestrebte Höhe endlich gepackt hatte.
Wenn man in diesem Bild bleiben will, dann hatte Hannover 96 bereits im vergangenen Jahr die 1,97 Meter locker gemeistert und Anfang des neuen Jahres die 1,98 und 1,99 Meter übersprungen, nur über zwei Meter wollte es einfach nicht gehen.
27 Punkte hatten die „Roten“ nach dem 16. Spieltag, dann gab es die Pleite in Cottbus (1:5), 2008 kamen erst die Zähler 28 (1:1 in Hamburg) und 29 (2:2 gegen Karlsruhe) hinzu, aber die 30 schien wie eine unüberwindbare Mauer. Gegen die Bayern (0:3) und in Bochum (1:2) ging es nicht rüber, und auch gegen Nürnberg konnte man bis zum Abpfiff nie ganz sicher sein, dass es diesmal gelingt. Umso größer war am Ende die Erleichterung: 32 Punkte hat Hannover 96 nun, „wir haben das nächste Zwischenziel erreicht“, sagte Hecking. Endlich.
Dem 96-Trainer, der Siege wie Niederlagen normalerweise ruhig und mit wohlfeilen Worten analysiert, rutschte bei der Nachbetrachtung des 2:1 gegen Nürnberg das Wort „Drecksspiel“ heraus. Oder um es genau zu zitieren: „Diese Drecksspiele musst du gewinnen.“ Man muss das vielleicht erklären.
Drecksspiele sind natürlich nicht schmutziger als andere Spiele; gemeint sind jene unangenehmen Begegnungen, in denen es nichts zu glänzen gibt und am Ende nur wichtig ist, dass ein Sieg dabei herauskommt, egal wie.
Trotz einer „nicht besonders prickelnden 1. Halbzeit“ (Hecking) hatte 96 durch den Fernschuss von Arnold Bruggink mit 1:0 geführt (29. Minute) und hätte direkt nach der Pause durch Vinicius alles klar machen müssen (48.). Stattdessen kassierte die Mannschaft den Nürnberger Ausgleich durch Zvjezdan Misimovic (52.), auch über ein zweites Gegentor durch Robert Vittek hätte sich niemand beschweren können (55.).
96 wackelte in dieser Phase bedenklich, und so nervös und verunsichert wie die „Roten“ teilweise spielten, hätte sie ein zweiter Nürnberger Treffer umgepustet wie das Orkantief „Emma“ den einen oder anderen Baum. Doch dann kam „Club“-Torwart Jaromir Blazek ein zweites Mal zu Hilfe und ermöglichte durch seine Unentschlossenheit das 2:1 von Szabolcs Huszti (66.).
Was danach in der AWD-Arena passierte, war eine kleine Überraschung: Hecking brachte mit Altin Lala einen dritten defensiven Mittelfeldspieler und nahm in der Schlussphase noch seinen treffsichersten Stürmer – den an diesem Tag aber erneut blassen Mike Hanke – heraus. Ergebnissicherung nennt man so etwas. Das Publikum, das lieber Spektakel mit einem dritten, vierten und fünften Treffer sehen will, reagiert auf so etwas in der Regel mit Pfiffen. Doch die rund 30 000 Hannoveraner unterstützten ihre Mannschaft lautstark, auch weil sie sahen, dass Heckings Maßnahmen goldrichtig waren. Rustikal verteidigte 96 mit weit und hoch weggeschlagenen Bällen den knappen Vorsprung, in „Drecksspielen“ ist das nicht verboten, sondern passend.
„Großen Dank ans Publikum“, sagte Hecking später, „es hat uns über einen schweren Punkt hinweggeholfen.“ Nur vier Zähler beträgt der Abstand bis zu einem UEFA-Cup-Platz, drei Punkte sind es bis zu einem UI-Cup-Rang, von den nächsten drei Aufgaben gegen Leverkusen, Bielefeld und Duisburg müssten zwei lösbar und die schwerste – Sonntag bei Bayer 04 – nicht unmöglich sein. „Alles schön eng zusammen“, sagte Hecking beim Blick auf die Tabelle: „Und wir sind dabei.“