Der lauf ins Leere

Von Christian Purbs
Wolfsburg. Was seinen Spielern nicht gelungen war, das schaffte Dieter Hecking: Er punktete. Als der Trainer von Hannover 96 nach der 2:3-Niederlage im Niedersachsen-Duell der Fußball-Bundesliga beim VfL Wolfsburg auf der Pressekonferenz die Begegnung analysierte, von „einem sehr guten Fußballspiel“ sprach, in dem „beide Mannschaften gleichwertig waren“, und schließlich die höhere Effizienz als Grund für den Wolfsburger Sieg ausmachte, gab sich Felix Magath geschlagen. „Das sehe ich genau so“, sagte der Trainer des VfL Wolfsburg. Ein Pyrrhussieg für die „Roten“, mehr gab es beim Nachbarn aus Niedersachsen nicht zu holen.

Dabei wäre am Sonnabend in der Volkswagen-Arena für 96 mehr möglich gewesen. Denn in der 1. Halbzeit spielte Hannover so gut wie schon lange nicht mehr. Die „Roten“ zeigten kluges Kombinationsspiel, Zweikampfstärke und Zug zum gegnerischen Tor, nicht einmal die zahlreichen Pfützen auf dem an vielen Stellen unter Wasser stehenden Platz konnten sie aufhalten. Dass die Wolfsburger zur Pause durch Tore von Ashkan Dejagah (20. Minute) und Marcelinho (29.) mit 2:1 führten und 96 nur den Kopfballtreffer von Arnold Bruggink in der 27. Minute auf der Habenseite hatte, kam vielen wie ein schlechter Witz vor. Zumal Bruggink allein vor VfL-Torwart Diego Benaglio (41.) und Hanno Balitsch, der aus fünf Metern ebenfalls am Wolfsburger Torwart scheiterte, beste Chancen zum Ausgleich hatten.

Es liegt jedoch nicht nur an der mangelhaften Chancenverwertung, dass die „Roten“ zurzeit nicht von der Stelle kommen. Die Passivität der 96er zu Beginn der 2. Halbzeit, als es darum ging, einen Rückstand aufzuholen, war erschreckend. Aus ihr erwachte das Team erst, als Jiri Stajner die 3:1-Führung der Gastgeber durch Dejagah (71.) nach einem grandiosen Soloauftritt durch den Wolfsburger Strafraum verkürzte (79.). Doch da war es schon zu spät.
Was folgte waren Parolen, wie man sie in den vergangenen Wochen immer wieder von den „Roten“ gehört hat. „Das war ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Kapitän Robert Enke. Die Mannschaft müsse „noch mehr daran ziehen, so enge Spiele für sich zu entscheiden und sich endlich auch einmal belohnen“, meinte Hecking. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagte Valérien Ismaël. Dass die anderen Bundesligateams applaudierend am Wegesrand stehen und sich über 96 schlapp lachen, weil die Jungs aus Hannover auch nach einer Niederlage mit einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen weiterziehen, scheint bei 96 niemanden zu stören. Fakt ist: Ein Sieg aus den vergangenen elf Spielen ist für eine Mannschaft mit so einem großen Potenzial zu wenig.
Die Gründe für den Aufenthalt der „Roten“ im Niemandsland der Liga sind zahlreich. Immer noch muss 96 viel zu viel investieren, um sich gute Chancen herauszuspielen. Ob mit Mike Hanke oder Stajner, es fehlt an ständiger Präsenz im gegnerischen Strafraum, gute Kombinationen laufen deshalb oft ins Leere. Und es ist immer noch zu leicht, gegen 96 Tore zu schießen. Auch wenn in Wolfsburg beim Ausrutscher von Steve Cherundolo vor dem 2:1 für die „Wölfe“ Pech hinzu kam: Hätte Enke in der ersten Viertelstunde nach dem Seitenwechsel nicht dreimal großartig pariert, 96 wäre untergegangen.

Fakt ist auch, dass die Saison für Hannover sieben Spieltage vor Saisonende gelaufen ist – nach unten wie nach oben. Aus dieser Situation etwas Positives zu machen, ist eine schwierige Aufgabe. Punkte statt Parolen wären eine gute Lösung.