Merte im Gespräch

Bremen gegen Hannover - für das 96-Eigengewächs Per Mertesacker bedeutet dieses Nordderby immer noch etwas ganz Besonderes. In einem Telefoninterview mit hannover96.de plaudert der Nationalspieler nicht nur über den besonderen Reiz dieser Partie, ihre Bedeutung für seinen jetzigen Klub Werder und die bevorstehende EM, sondern auch über seine karikativen Aktionen abseits des Profigeschäfts.





Hallo Per, zunächst einmal Glückwunsch zu Eurem Sieg beim Hamburger SV. Dadurch sind Eure Champions League-Chancen ziemlich gestiegen, oder?
Per Mertesacker: „Ja danke! Wir haben damit einen wichtigen Schritt gemacht in Richtung Champions League. Zumindest der dritte Platz ist uns jetzt sicher. Aber wir kennen alle das Risiko eines dritten Platzes – das haben wir im letzten Jahr ja erlebt. Die Qualifikation ist immer ein hartes Brot und eine schwere Aufgabe. Wir wollen uns möglichst schnell für die Champions League qualifizieren. Das ist ja logisch.“


Somit ist die Partie am Samstag gegen Deinen Heimatklub extrem wichtig für Euch…
Per Mertesacker: „Ja, klar. Wir müssen nun zusehen, dass wir den zweiten Platz halten können. Dass es jetzt ausgerechnet über Hannover geht, ist natürlich umso bitterer für meine persönliche Situation. Aber der sportlich faire Wettkampf steht da im Vordergrund.“


Daraus ist aber deutlich heraus zu hören, dass Deine persönliche Bindung zu den Roten weiterhin groß ist…
Per Mertesacker: „Ja sicher. Hannover ist mein Heimatklub, meine Heimatstadt. Das, was einen verbindet, ist die Familie und die Vergangenheit. Ich glaube, mehr muss man zu diesem Thema nicht sagen.“

Du verfolgst hautnah, was sich bei den Roten seit Deinem Weggang getan hat. Wie beurteilst Du die Entwicklung, die Hannover 96 seitdem genommen hat?
Per Mertesacker: „Schon sehr gut! 96 war ja ein Verein, der sehr, sehr viele Trainer verschlissen hat in den letzten Jahren. Dieter Hecking steht jetzt für eine Konstante, mit der man unbedingt etwas aufbauen möchte. Der Weg, der jetzt beschritten wird, sagt eigentlich schon alles. Über den sicheren Klassenerhalt hinaus in den letzten Spieltagen noch etwas herauszuholen – das ist das logische Ziel eines Bundesligisten, der seit sechs Jahren in der Bundesliga spielt. Nicht nur an der sehr guten Hinrunde hat man gesehen, dass Hannover wieder einen Schritt nach vorne gekommen ist im Vergleich zum letzten Jahr. Und solange es bergauf geht, ist man zu Recht sehr zufrieden.“

Wird es nach dem Spiel noch das ein oder andere Treffen mit ehemaligen Kollegen geben?
Per Mertesacker: „Naja, es gibt ja im ganzen Jahr immer Begegnungen. Es ist nicht so, dass das nur am Spieltag der Fall ist. Am Spieltag selbst möchte ich eigentlich damit nichts zu tun haben. Das ist dann doch schon ein komisches Gefühl, 90 Prozent der gesamten Abteilung zu kennen - sowohl das ganze Funktionsteam als auch die meisten Spieler. Damit muss man die 90 Minuten professionell umgehen. Es wäre ein bisschen viel, die vielen möglichen Begegnungen alle auf den Spieltag zu legen. Besser ist es, das Zwischenmenschliche mit einzelnen Personen ein wenig auf das restliche Jahr zu verteilen.“

Wie sehr hast Du Dich über das 1:1 der Roten auf Schalke gefreut?
Per Mertesacker: „Zuallererst war das sicherlich für Hannover ein ganz wichtiger Punkt. Man hat noch einmal gesehen, dass man ganz gut mit den Mannschaften im oberen Tabellendrittel mithalten kann. Darüber habe ich mich gefreut! Dass das zweitrangig auch uns in die Karten gespielt hat und wir jetzt ein Punktepolster auf Schalke haben, ist natürlich umso schöner. Trotzdem müssen wir nun die Ergebnisse liefern, um das auszunutzen. Es bringt uns jetzt nichts, uns darauf auszuruhen!“

Ihr seid zu Saisonbeginn nur schwer in die Gänge gekommen und habt insgesamt – sicherlich auch bedingt durch die offensive Ausrichtung – sehr viele Gegentore kassiert. Wie beurteilst Du Euren Saisonverlauf kurz vor Ende der Spielzeit?
Per Mertesacker: „Vom Saisonverlauf her stehen wir schon relativ gut da, obwohl die Chance auch in diesem Jahr wieder sehr, sehr gut war, richtig oben anzugreifen. Wir haben in der ersten Saisonhälfte unheimlich viele Punkte geholt, waren richtig gut dabei und Bayern München direkt auf den Fersen. Da hat das das mit den Gegentoren nicht so eine große Rolle gespielt. Diese Diskussion kam dann auf, als wir Spiele verloren haben, die auf der Kippe standen. Da haben wir sicherlich spielerisch wieder einiges dafür getan, dass es ein schöner Wochenendtag für die Zuschauer war, aber uns selber nie den Gefallen getan, die Sicherheit auszustrahlen, das Spiel hundertprozentig unter Kontrolle zu haben. Es gab immer wieder Situationen, die uns als gesamte Mannschaft betroffen, uns nicht gefallen und über die wir auch sehr oft gesprochen haben – besonders dann, wenn die Ergebnisse nicht gestimmt haben. So haben wir in der Rückrunde zu einer Zeit fünf Niederlagen einstecken müssen, wo wir eigentlich richtig gut dabei waren. Deswegen sind wir auch verdient kein echter Meisterschaftsanwärter geworden. 44 Gegentore sind eindeutig zu viel – da muss man auch dem Tabellenstand Recht geben. In den letzten Spielen gab es einen kleinen Aufwärtstrend. Da gab es mehr Absicherung. Auch ein Spiel wie n Hamburg, wo wir in Unterzahl geraten und nicht nach vorne spielen müssen. Da können wir uns hinten platzieren und gut stehen. Das hat gezeigt, wie stabil wir wirklich sein können, ist aber gleichzeitig natürlich kein Parameter. Ein Spiel reicht nicht, das muss über eine komplette Saison konstant sein. Und das haben wir dieses Jahr nicht geschafft.“

Symptomatisch für das Geschilderte war sicherlich auch das kuriose Hinspiel, oder?
Per Mertesacker: „Ja, auf jeden Fall! Es gab fünf, sechs Spiele, wo wir mal vier Gegentore, dann sechs Gegentore gekriegt haben, dann wieder vier. Das sind natürlich Superlative, mit denen man – besonders als Abwehrspieler – ungern umgeht. Ich glaube, wir haben für genügend Gesprächsstoff gesorgt. Es gab gute, erfolgreiche Spiele – aber eben auch schlechte Negativspiele. Da sind wir in diesem Jahr durch ein Wellental gegangen. Dafür stehen wir jetzt am Ende der Saison noch sehr, sehr gut da. Das kann man uns nicht absprechen. Wir haben sicherlich zu einer gewissen Zeit vergessen, Punkte mitzunehmen. Dann wären wir in anderen Tabellenregionen und hätten wahrscheinlich noch um die Meisterschaft mitgespielt. Dass wir trotz der vielen Gegentore noch um die direkte Qualifikation zur Champions League mitspielen, damit hätte wohl auch keiner gerechnet. Aber wir haben immer wieder die Kurve gekriegt. So haben wir in den letzten fünf Spielen richtig viele Punkte gesammelt – und auch teilweise wieder zu Null gespielt. Also: Das Potential ist nicht ganz verflogen!“

Kurzer Themenwechsel: Nach der Saison steht die EM in Österreich und der Schweiz auf dem Programm. Wie schätzt Du die Chancen der deutschen Nationalmannschaft ein?
Per Mertesacker: „Die Gespanntheit auf die Nominierung am kommenden Freitag ist zur Zeit am größten. Wir haben uns in den letzten Jahren so viel aufgebaut – mit dem Trainerteam, mit immer neuen Spielern, die dazu gekommen sind. Das Potential ist riesengroß und wir wollen dieses natürlich punktgenau zur EM abliefern.“

Die EM ist nach der WM in Deutschland Dein zweites großes internationales Turnier. Welchen Stellenwert haben diese Turniere für einen Spieler?
Per Mertesacker: „Klar ist, dass man sich über die Bundesliga fit machen möchte für solche Großereignisse, die alle zwei Jahre für Aufregung sorgen. Nach der WM in Deutschland nun also in den Nachbarländern, das hat einen anderen Charakter. Das wird wieder eine ganz eigene Geschichte schreiben – und man selbst möchte gern ein Stück von dieser Geschichte mitschreiben und für Furore sorgen. Die Ziele sind zuallererst: die Fans glücklich machen und das Land gut zu vertreten. Und für einen persönlich ist das natürlich auch ein ganz besonderes Highlight – das ist ganz normal.“

Am 12. Juli steht das zweite Benefizspiel zwischen Per Mertesacker & Friends und Oli Pocher & Friends zu Gunsten Deiner Stiftung an. Eelchen Stellenwert haben solche Projekte für Dich neben dem Fußball.
Per Mertesacker: „Ein solches Projekt gibt mir die Möglichkeit, besonders Kinder und Jugendliche in dieser Region zu unterstützen. Das Hauptziel ist die Sportförderung und Unterstützung von Kindern, die Not leiden. Das sind die wichtigsten Grundleitsätze. Dafür braucht man viel Geld. Die beste Einnahmemöglichkeit bietet ein solches Spiel, das ja im letzten Jahr schon für viel Aufregung gesorgt hat. Es hat mich riesig gefreut, dass damals 10.000 Leute hingepilgert sind, um ein Spiel zu unterstützen, das ich zusammen mit anderen organisiert habe. Es war einfach total perfekt! Und da möchte man natürlich wieder bei gutem Wetter und einiger Prominenz wieder Aufsehen erregen und so viel Geld wie möglich zusammen bekommen, damit die Stiftung auch weiterhin getragen werden kann.“

Auf wen dürfen sich die Fans denn freuen?
Per Mertesacker: „Das ist momentan noch schwierig zu sagen, weil das Spiel dieses Mal nicht auf ein Datum nach der Saison fällt, sondern schon mitten in der Vorbereitung liegt. Die Ansetzung ist durch das EM-Turnier sicherlich etwas unglücklich, aber ich kann das leider nicht anders legen. Es wird sicherlich viele Spontangeschichten geben, trotzdem werden sicherlich wieder einige Hochkaräter zusagen.“

Zum Abschluss bitte noch ein Tipp, wie das Spiel Werder gegen 96 ausgeht?
Per Mertesacker: „Ich hoffe einfach auf einen fairen Zweikampf und darauf, dass es den Zuschauern wieder einiges bringt.“