Blubbern im Gerüchte-Kochtopf

Enke und die Bayern: Warum das derzeit Quatsch ist und für 96 trotzdem ein Thema werden kann



Von Heiko Rehberg und Norbert Fettback

Hannover. „Enke für Deutschland, Kahn für Afghanistan.“ So stand es auf einem Plakat, das hannoversche Fußballfans gemalt hatten, als Oliver Kahn noch Deutschlands Nummer 1 und vor wenigen Jahren mit der Nationalmannschaft in der AWD-Arena zu Gast war. Kommt es jetzt ganz anders, nämlich: Robert Enke für Kahn? Und zwar nicht im deutschen Nationaltor, sondern beim Bundesliga-Rekordmeister Bayern München?

„Schock-Gerüchte um den Star-Torwart“ titelte gestern die „Bild“-Zeitung und spekulierte damit über einen möglichen Wechsel Enkes von Hannover 96 zu den Bayern zur neuen Saison. Taufrisch sind diese Gerüchte freilich nicht, weshalb sich die Schockstarre der hannoverschen Fans in Grenzen hält. Denn erstens ist es das Normalste der Bundesligawelt, dass der FC Bayern für sich beansprucht, die besten Spieler nach München zu locken. Das war schon immer so, und Enke ist nun einmal gemeinsam mit Leverkusens Rene Adler derzeit der beste Torwart in Deutschland.

Zweitens gehört es genauso zum Bundesligageschäft, dass Verträge – in diesem Fall der von Enke in Hannover, gültig bis 2010 – nicht viel mehr sind als Absichtserklärungen. Solange Enke mit 96 nicht international spielt, wird es Wechselgerüchte unabhängig von irgendwelchen Versprechen, Dementis oder Zusagen geben, denn selbstverständlich hat ein Mann seiner Klasse das Ziel, sein Können auch einmal auf der europäischen Bühne beweisen zu wollen. Erst recht, wenn er wie der 30-Jährige nach der Europameisterschaft im Sommer die Nummer 1 im deutschen Nationaltor werden möchte.

In Internetforen und im Stadion ist das „Enke-zu-den-Bayern-Gerücht“ seit der Ankündigung von Oliver Kahn, seine Karriere im Mai zu beenden, ein viel und gern diskutiertes Stammtischthema. Dass es gerade jetzt hochkocht, ist eher zufällig und hat mit zwei Personalien zu tun, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Am Mittwoch präsentierten in Hannover die „Roten“ mit Florian Fromlowitz einen neuen Torwart für die kommende Saison. Und in München stellte der FC Bayern mit Walter Junghans einen neuen Torwarttrainer vor. Rührt man ein paar Hintergründe mit einigen Fragen zusammen, kommt da durchaus eine schöne Schlagzeile zusammen.

Junghans war von 1999 bis 2001 Torwarttrainer bei Benfica Lissabon; der Torhüter der Portugiesen hieß zu dieser Zeit Robert Enke. Und die Fromlowitz-Personalie lässt aufmerken, weil ein „U 21“-Nationalspieler, der nach einer schweren Verletzung (Kreuzbandriss) Spielpraxis sucht, ausgerechnet zu einem Verein geht, bei dem er unter normalen Umständen bis Juni 2010 kein Spiel machen wird, weil die Nummer 1 Enke über alle Zweifel erhaben ist. Wenn aber Enke vorzeitig … Doch da ist man wieder bei reinen Spekulationen.
Die Faktenlage sieht so aus: „Ich habe von dem angeblichen Interesse aus München aus der Zeitung erfahren“, sagt Enke: „Es gibt keine Anfrage.“ Dieter Hecking, der 96-Trainer, sagt: „Gerüchte sind dafür da, dass sie gestreut werden. Fakt eins ist: Es gibt kein Angebot. Fakt zwei ist: Robert Enke hat Vertrag. Und er ist nicht ablösefrei.“ 96-Sportdirektor Christian Hochstätter sagt: „Es ist nichts passiert. Es gibt von keinem Klub eine Anfrage.“ Martin Kind, der 96-Klubchef, sagt: „Es gibt keine Anfrage. Wir würden das Thema auch nicht annehmen.“ Enke-Berater Jörg Neblung sagt, was ein Berater sagen muss: „In diesem Geschäft kann ich gar nichts ausschließen.“ Und die Bayern? Die dementieren. Aber was hat das schon zu sagen?

In München hat Manager Uli Hoeneß Michael Rensing, dem derzeitigen Kahn-Stellvertreter, das Versprechen gegeben, in der neuen Saison die Nummer 1 zu sein. Hoeneß gilt als verlässlicher Vertragspartner und jemand, der seine Versprechen hält. Aber interessiert die Zusage von Hoeneß auch Jürgen Klinsmann, den künftigen Bayern-Trainer, der sich laut Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zwar auch zu Rensing bekannt haben soll, von dem aber gerade die Bayern wissen, dass er eigenen Kopf hat? Und dass der eine oder andere im Klub Zweifel an der Qualität des 23-jährigen Rensing hat, ist bekannt. Spannend wird es erst, wenn sich Klinsmann in den Kopf gesetzt haben sollte, dass Robert Enke der neue Bayern-Torwart werden soll. Dann lautet die Frage nicht nur, was Enke will, sondern: Bei welcher Summe wird 96 schwach? Oder gibt es vielleicht zu einer hohen Ablösesumme gleich noch Rensing dazu, sodass 96 dann mit ihm und Fromlowitz gleich zwei junge Torwarttalente hätte?

„Ich beschäftige mich mit der ganzen Sache nicht“, sagt Trainer Hecking. „Wir wollen unsere besten Spieler nicht verkaufen, sondern die Mannschaft gezielt weiterentwickeln“, sagt Kind. Dass Enke unabhängig von diesen Aussagen begehrt bleibt, wissen beide. Und wie sich Gerüchte manchmal verselbstständigen, sahen die 96-Verantwortlichen gestern, als „stern.de“ plötzlich „Klinsmann will Enke“ vermeldete, obwohl es von Klinsmann nicht einen Satz dazu gibt. Möglicherweise droht Gefahr aber ohnehin gar nicht aus dem Süden, sondern aus dem Norden. Dort ahnt Werder Bremen mittlerweile, dass Torwart Tim Wiese in den entscheidenden Spielen ein Sicherheitsrisiko ist. Und dass man in Hannover hochkarätige Verstärkung für die Abwehr findet, wissen sie bei Werder seit der Verpflichtung von Per Mertesacker. Enke zu Werder – das wäre für einige 96-Fans nun wirklich ein Schock-Gerücht.