Der Sportdirektor zieht Bilanz

Christian Hochstätter sieht eine positive Entwicklung bei Hannover 96 und will die Offensive weiter verstärken.



Herr Hochstätter, Hannover 96 darf sich über die erfolgreichste Saison seit dem Wiederaufstieg freuen. Dennoch hat sich die Mannschaft mit unterschiedlichen Gesichtern präsentiert. Ist das auch eine Frage des Charakters?
Wenn eine Mannschaft über 34 Runden eine ordentliche Saison spielt, dann hat sie Charakter. Sollten Sie das 1:6 in Bremen meinen: Nach meiner Einschätzung hatte die Mannschaft da zu viel Respekt vor Werder. Aus meiner Karriere weiß ich: Man will, aber es geht nicht. Die Frage ist, wie man mit solchen Situationen umgeht.

Bei aller Freude über den 8. Platz bleibt festzuhalten, dass in der Rückrunde aus 96-Sicht nicht alles optimal gelaufen ist und noch mehr möglich gewesen wäre.
22 Punkte sind nicht so schlecht, aber auch kein Wunschergebnis. Nach der Winterpause sind wir bis zum Duisburg-Spiel überhaupt nicht in die Puschen gekommen, fußballerisch fehlte es an vielen Dingen. Das hatte auch mit der Qualität im Team zu tun. Wir hoffen, dies mit den Transfers wie von Jan Schlaudraff oder Mario Eggimann zur neuen Saison positiv zu beeinflussen.

Mit den neuen Spielern steigen aber auch die Erwartungen. Dabei fällt beinahe unter den Tisch, dass 96 erstmals seit 2002 nichts mit dem Abstieg zu tun hatte.
Wenn wir so dicht dran sind, wie wir es in der vergangenen Saison mitunter waren, dann muss ein Fan auch träumen dürfen. Wir sind auch keine emotionslosen Typen, schätzen das Ganze aber vielleicht etwas realistischer ein als die Öffentlichkeit. Ich habe in europäischen Wettbewerben gespielt, ich weiß, wie schön das ist und welche Erfahrungen Spieler dort machen können. Solche Erlebnisse vergisst man nicht, und das alles bringt auch einen Verein und eine Mannschaft weiter.

Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Transferpolitik der abgelaufenen Saison?
Im Allgemeinen können wir zufrieden sein, denn im Großen und Ganzen haben wir uns weiterentwickelt. Wir haben insgesamt acht Spieler verpflichtet, von denen uns Thomas Kleine nach einem halben Jahr wieder verlassen hat. Er war ablösefrei gekommen und hat uns bei seinem Wechsel dann 750 000 Euro eingebracht.

Im Unterschied zu Christian Schulz, Valérien Ismaël oder Mike Hanke können Sie mit Benjamin Lauth wohl nicht zufrieden sein …
Wir wussten damals, mit welchen Problemen er zu uns kommt. Wir haben uns so entschieden, und wenn man sich für etwas entscheidet, dann muss man dazu stehen. Mit dem Gezeigten sind wir nicht zufrieden, brechen jetzt aber nicht den Stab über ihn.

Mit Konstantin Rausch hat ein 18-Jähriger aus dem eigenen Nachwuchs bereits erste Erfahrungen in der Bundesliga sammeln können. Ist das ein verkappter Neuzugang?
Er wird jetzt Profi, und etwas Besseres kann ihm eigentlich nicht passieren, als von einem Michael Tarnat angelernt zu werden und zudem die Perspektive zu besitzen, an so einem erfahrenen Spieler vorbeizuziehen. Den Mut müssen wir haben. Und es ist ein Zeichen für unseren Nachwuchs: Da ist eine Tür, die aufgeht, wenn ich gut bin.

Wird sich 96 demnach zur neuen Saison nicht mehr nach einem Linksverteidiger umsehen?
Mit Tarnat, Rausch und Christian Schulz, den wir auch noch in der Hinterhand haben, sind wir auf der linken Außenbahn gut besetzt. Natürlich müssen wir die Entwicklung von Konstantin abwarten. Und wenn es wider Erwarten Probleme geben sollte: Die nächste Wechselperiode ist nicht so weit weg.

Wo lagen und liegen im Transferbereich die Prioritäten?
Eindeutig im offensiven Bereich. Mit Jan Schlaudraff haben wir einen Spieler geholt, der uns im Angriff mehrere Möglichkeiten eröffnet: in der Spitze, aber auch dahinter, was uns mehr Flexibilität gibt. Wir wollen nicht nur auf den jeweiligen Kontrahenten reagieren, sondern selbst sagen: Mit diesem Spielsystem können wir ihn schlagen. Um in der Defensive besser zu stehen, haben wir uns für Mario Eggimann entschieden.

Und wer wird noch geholt?
Zunächst geht es darum, den Kader auszudünnen. Wir wollen den Kern zusammenhalten, damit hier weiter etwas zusammenwächst. Zurzeit schauen wir uns den Markt weiter an, der jetzt sicher noch einmal in Bewegung geraten wird.

Ehe es in die Sommerpause geht, möchte Hannover 96 noch den Vertrag mit Szabolcs Huszti verlängern. Wie stehen die Chancen?
Im Winter waren wir an einem Punkt, wo wir sagen mussten: Da gibt es keine Basis. Jetzt laufen neue Gespräche, denn es war Wunsch des Spielers, erst zum Sommer miteinander zu reden. Wir sind bereit, dem „Szabi“ zu zeigen, welche Wertschätzung er bei uns hat, entsprechend ist unser Angebot. Wir erwarten bis Ende Mai eine Entscheidung, denn wir brauchen Planungssicherheit.

Klubchef Martin Kind drängt darauf, dass sich die Bundesliga für Investoren öffnet. Das verheißt Ihnen als Sportdirektor doch goldene Zeiten!
Heißt viel Geld gleich viele gute Spieler? Ein Uli Hoeneß hat es nicht leichter als ein Christian Hochstätter, auch wenn er auf einer ganz anderen Ebene kämpft. Für gute Spieler müssen nun mal auch gute Rahmenbedingungen geschaffen werden. Natürlich können wir einen wie Ronaldinho ansprechen, er wird aber nie nach Hannover kommen. Auch wenn man mehr Geld ausgeben kann, wird die Arbeit als Manager nicht leichter. Aber man braucht mehr Geld, um mehr Qualität in den Kader zu bekommen, da gebe ich Herrn Kind Recht.

Müssen Sie da mit Blick auf Aufsteiger 1899 Hoffenheim nicht neidisch werden?
Es gibt Vereine, die haben Geld und machen nichts aus ihren Voraussetzungen. In Hoffenheim ist ein klares Konzept zu erkennen. Auch mit der Rückkehr von Mönchengladbach und Köln verändert sich die Situation in der Bundesliga: Dahinter steckt weit mehr wirtschaftliche Kraft als in Rostock und Duisburg. Aber der Konkurrenz muss man sich stellen. Als Spieler habe ich lieber gegen Real Madrid gespielt als gegen Bayer Uerdingen.

Interview: Norbert Fettback, Christian Purbs, Volker Wiedersheim