Langer Lernprozess
Preußen Münster - wieder zum Leben erweckt

von Carsten Schulte

Münster – Trainerwechsel sollen ja angeblich Wunder wirken. Nun ja, längst ist klar, dass der Kurzzeit-Effekt nach einem Trainerwechsel nur bedingt nachhaltig ist. Und was Benno Möhlmann mit dem SC Preußen Münster getan hat, ist mehr als Kopfsache. Viel harte Arbeit mit einer gewissen Lernkurve...

Horst Steffen (und mit ihm der frühere Sportvorstand Carsten Gockel) bekamen nach ihrer Demission reichlich unangenehme Sprüche mit auf den Weg. Der Kader? Ein Haufen voller Versager. Zusammengestellt von Stümpern. So in etwa.

Im letzten Spiel von Horst Steffen, beim 0:1 in Aalen, standen allerdings acht der Spieler auf dem Feld, die am Sonntag auch das 3:0 in Chemnitz bejubelten. Es wären neun gewesen, hätte nicht Adriano Grimaldi damals im Oktober 2016 verletzt gefehlt.

Soll heißen: Die Spieler waren schon richtig, nur ihr Spiel eben nicht. Benno Möhlmann übernahm die Elf drei Wochen später erstmals als Trainer. Das Ergebnis war das Gleiche wie unter Steffen in Aalen: 0:1.

Und Möhlmann schluckte anschließend über das Niveau der 3. Liga. Schlechte Physis, wenig Spielkultur, oft rustikaler Fußball. Die Arbeit begann und ein bisschen wirkte Möhlmann doch wie der "Feuerwehrmann", der einen Flächenbrand löscht. Dem 0:1 in Lotte folgte ein 1:1 gegen Kiel. Und dann eine kleine Siegesserie von vier Spielen, die Münster auf Rang 14 hievten.

Dass hinter aktuellen Tabellenlage im Mai 2017 ein Haufen harter Arbeit steckt, wird in der Rückschau klar. Denn zum Jahresende hin fiel der SCP in ein kleines Loch. Zuhause 0:1 gegen Paderborn, auswärts 1:3 in Regensburg. Mit Platz 16 und nur einem Punkt Vorsprung auf die Abstiegsplätze rettete sich der SCP in die Winterpause.

Zum ersten Mal bekam Möhlmann im Winter die Chance, etwas in Ruhe zu arbeiten. Mirkan Aydin und Martin Kobylanski waren zudem zwei Neuzugänge, die man getrost in die Kategorie "sinnvoller als Emil Atlason" einordnen dürfte. Christian Müller dagegen wird in Münster voraussichtlich keinen Eindruck hinterlassen, aber das hat andere Gründe.

Unter Möhlmann veränderte sich das Spiel der Preußen langsam. Es gab in der Hinrunde Spiele, die man nur gezwungermaßen ertragen konnte. Keine Spielkultur, defensive Patzer und vor allem: Offensiv chancenlos. Es gab Spiele, in denen der SCP auf gefühlte fünf Torschüsse kam. Oder weniger.

Das änderte sich langsam. Die Preußen erspielten sich Chancen, vergaben aber noch oft. In diesen Phasen wurde Möhlmann nicht müde, immer und immer wieder darauf zu verweisen, dass man beim Abschluss ruhiger werden müsse und das Spiel nach vorn überlegter angehen müsse. Daran arbeite man.

Und der Erfolg stellte sich ein. Auch wenn es eine mühsame Entwicklung war mit zwischenzeitlichen Nackenschlägen. Das 0:3 im Derby in Osnabrück war trostlos und bitter. Eine Minus-Leistung wie in der Vorrunde. Beim MSV Duisburg schlug sich der SCP praktisch selbst; und Rödinghausen war... nun ja. Westfalenpokal kann der SCP seit einiger Zeit auch nicht mehr wirklich.

Dieser eine Moment

Es gab einen Wendepunkt in dieser Saison. Man kann ihn ziemlich genau erkennen. Zuerst verlor der SCP in Magdeburg knapp mit 0:1. Die Preußen standen da schon wieder auf einem Abstiegsplatz. Rang 18. Punktgleich mit dem FSV Frankfurt auf Rang 17. Aber schon mit vier Punkten Rückstand auf Platz 16. Das sah alles düster aus.

Und dann kam der FSV nach Münster. Jeder weiß es noch. Das Sechs-Punkte-Spiel der Tabellennachbarn. Und kaum war angepfiffen, da lag Münster hinten. Holte sich wenigstens den Ausgleich. Und dann das hier...

Ekstase pur, grenzenloser Jubel nach dem späten Treffer durch Tobias Rühle. Kaum einer hatte noch auf einen Sieg zu hoffen gewagt und dann war er da. Drei Punkte, aber viel, viel wichtiger war das Signal, das davon ausging. Der SCP lebte noch!

Und legte in Bremen - ausgerechnet Bremen! - nach. Adriano Grimaldi machte mit seinem Tor auf dem schäbigen Platz 11 den zweiten Sieg in Folge klar. Und weil die Konkurrenz nicht mithielt, stand der SC Preußen am Ende einer Sechs-Punkte-Woche plötzlich mit sechs Punkten Vorsprung auf die Abstiegsränge da! Satter Abstand statt ängstlicher Blicke.

Ganz sicher: Frankfurt war dieser eine Moment, der die ganze Saison rettete. Und der Sieg in Bremen. Nur zwei Spiele, aber es war der verdiente Lohn langer, überlegter Arbeit. Kein Wunder. Kein Feuerwehrmann-Ding.

Das Ende dieser Geschichte ist noch nicht erreicht, aber klar ist dieses: Seit dem Sieg gegen Frankfurt stand der SC Preußen nicht ein einziges Mal wieder auf einem Abstiegsplatz. Im Gegenteil. Langsam, aber unnachahmlich schob sich das Team in der Tabelle höher. Und verbesserte zuletzt sogar seine katastrophale, nicht mehr logisch erklärbare Auswärtsbilanz. Drei Spiele in der Fremde, keine Niederlage. Dafür aber ein Punkt beim designierten Aufsteiger und ein 3:0 bei den so hoch gewetteten Chemnitzern.

Glück? Nein, mit Glück hatte das wenig zu tun. Kopfsache? Sicher, irgendwie auch. Nach Frankfurt machte es sichtlich und spürbar "Klick". Bei allen. Aber am Ende war es die klassische Trainingsarbeit, die Konzentration auf die eigenen Stärken, die diese Stärken dann wieder zum Tragen brachte.

Es brauchte dafür nur einen Trainer, der aus dem Kader ausholen konnte, was schon in ihm steckte. Nein, der SCP ist damit nicht plötzlich ein Spitzenteam. Aber bietet eine lange unerwartet stabile Grundlage, um gezielt nachzubessern.


Quelle: www.westline.de