Kommentar
Still, aber immer noch zusammen für Preußen Münster

von Carsten Schulte

Münster – In Meppen war die Stimmung im Preußenblock eher schlimm, gegen Würzburg half das Team immerhin mit einem starken Auftritt. Das Stadion hört sich derzeit einfach anders an als noch vor Wochen. Und das wird noch eine Weile so sein.

Der SC Preußen Münster ist noch immer der eingetragene Verein. Aber in wenigen Wochen wird die erste Mannschaft ganz offiziell unter dem Dach einer GmbH & Co KGaA auflaufen. Ja, es wird noch immer die gleiche Mannschaft sein. Nein, es wird nicht mehr das gleiche Gefühl sein. Zumindest für einen großen Teil der sogenannten "aktiven Fanszene". Also jener Fans, die vorrangig (aber nicht nur dort) in der Ostkurve stehen.

Bei ihnen sitzt die Enttäuschung über einen gefühlten Verlust tief. Das war schon Mitte Januar zu spüren, als das Abstimmungsergebnis verkündet wurde. Der Abschied vom eingetragenen Verein war wohl erwartet worden, aber die tatsächliche Entscheidung fühlt sich eben noch immer anders an, viel härter.

Seither herrscht Schweigen. Die diversen Gruppierungen und Fanclubs haben zwar keinen Boykott aufgerufen und die meisten von ihnen waren am Freitag auch im Stadion. Aber es herrscht eben keine große Lust, sich mit der alten Energie reinzustürzen. Enttäuschung überall. Die Kraft ist vorerst weg, die Motivation raus.

Das ist soweit auch verständlich, wenn man sich kurz in das "Lebensgefühl" der Ultra-Szene (oder anderer Fans) eindenkt, die sich über mehr als nur Siege definieren. Es gibt Fans, die mehr in den Fußball legen als andere. Und das sind wahrlich nicht nur Ultras. Gründe gibt es dafür nun wirklich mehr als genug. Der Fußball verändert sich an vielen Stellen schneller, als es verträglich wäre. Wenn Spieler den Vereinen auf der Nase herumtanzen, Berater ihren ganzen unguten Einfluss nehmen, die Top-Vereine nur noch um sich selbst kreisen... Wenn für Geld jeder Respekt über Bord geworfen wird, wenn mittags um 13.30 Uhr gespielt wird oder montagabends in der Ferne. Dann macht es der Fußball seinen Fans immer schwerer, sich für ihn zu begeistern. Und wer heute sein Team bejubelt und Erfolg feiert, der wandelt stets auf einem schmalen Grat zwischen Erfolgsdurst und Selbstaufgabe.

Aber das hat auch etwas mit dem Alter zu tun. Wer heute starke Überzeugungen hat, wird vielleicht in zehn Jahren eine andere Sicht haben. Nicht nur der Fußball verändert sich, sondern auch Menschen und Gedanken. Wer kann das alles heute sagen? Für den Moment wird die Fanszene eben ihren eigenen Weg finden müssen, mit der Situation umzugehen. So wie die Mitglieder einen Entschluss gefasst haben, müssen auch die aktiven Fans einen Entschluss fassen. Nur, dass der in vielerlei Hinsicht emotionaler oder vielschichtiger sein wird.

Aber wirklich klar ist doch im Moment nur eines: Vielleicht sollte sich jeder, der nun die maue Stimmung beklagt, noch einmal klarmachen, dass jeder den Fußball leben und lieben kann, wie er will. Aus dem farbenreichen Support der vergangenen Jahre scheint für manche eine Art Verpflichtung entstanden zu sein, dass die Fans in der Kurve bitte zu "liefern" haben. Aber Stimmung ist keine Dienstleistung, sondern Ausdruck eines Gefühls. Und wenn das gerade mal schwer zu spüren ist, ist das eben so.

Vielleicht bietet das die Chance für eine andere Art von Stimmung? Bevor die Ultrabewegung Deutschland erreichte, waren die Stadien auch keine Konzertsääle. Die Stille bietet Bewährungsmöglichkeiten für andere Art von Unterstützung. Von jetzt auf gleich geht da allerdings nichts.

Vielleicht erkennen ja die aktuell schweigenden Fans, dass da unten auch künftig noch Preußen den Adler tragen und keine Roboter. Das ist eine Frage, auf die erst die Zeit eine Antwort liefern wird.

Am Freitag sprang immerhin auch ohne den gewohnten Support gelegentlich der Funke über. Das lag vor allem am Auftritt der Mannschaft, die plötzlich ein paar Tugenden anbietet, die wir alle lange vermisst hatten.

Ganz gleich, wie die Gefühlslage bei allen derzeit aussieht, kann man sich aber einer Sache sicher sein: Das Siegtor von Simon Scherder wurde von allen Preußen im Stadion gefeiert. So oder so.


Quelle: www.westline.de