Wir sind ja keine Ausserirdischen»



Ivan Ergic wurde mit dem FCB je viermal Meister und Cupsieger. Das neunte Jahr in Basel könnte sein letztes sein. Verabschieden will sich der 28-jährige Mittelfeldspieler mit einem Titel.



Aufräumen und Basel verlassen? Ivan Ergic macht sich ernsthafte Gedanken darüber, ob es für ihn noch eine zehnte Saison beim FCB geben kann. Bild: Reto Oeschger

Ivan Ergic, vier Punkte Rückstand auf den FCZ: Wie wird der FC Basel noch Meister?
Wenn wir am Sonntag in Zürich siegen und der FCZ danach in den zwei letzten Runden noch Punkte abgibt . . .

. . . diese Ausgangslage scheint unangenehm.
Sicher ist das unangenehm. In Zürich gewinnen zu müssen und auch noch darauf zu hoffen, dass der FCZ irgendwo Punkte abgibt . . . Andererseits bedeutet das weniger Druck für uns. Wir haben uns sicher noch nicht mit Platz 2 abgefunden. Aber wir können momentan sagen: Wir haben nichts zu verlieren.

Sind Ihre Hoffnungen mehr als nur Zweckoptimismus?
Du musst optimistisch sein. Wir haben am 13. Mai 2006 in der letzten Sekunde die Meisterschaft verloren. Es ist jetzt noch nicht fertig. Wir haben diese Siegermentalität, das haben wir oft genug bewiesen. Der 13. Mai war 2006 die letzte Runde, 2007 und 2008 fiel die Titelentscheidung ebenfalls am letzten Spieltag.

Darf es dem FCB passieren, dass er die Meisterschaft in der drittletzten Runde verlieren kann?
Wieso meinen Sie? Aufgrund unseres Kaders? Unserer Möglichkeiten?

Ja. Und aufgrund der eigenen Ansprüche.
Natürlich haben wir hohe Ansprüche. Aber man muss die Lage auch realistisch beurteilen können. Wir haben die meisten Punkte unmittelbar vor der Winterpause abgegeben, als mehrere wichtige Spieler verletzt ausgefallen waren. Genau das Gleiche ist jetzt wieder passiert mit Chipperfield, Carlitos, Marque oder Derdiyok. Die Saison mit der Champions League oder den 120 Minuten im Cup-Halbfinal gegen YB hat uns Substanz gekostet. Solche Belastungen zu verarbeiten - auch mental -, ist nicht einfach. Es kann uns also passieren, wir sind ja keine Ausserirdischen.

Genügen die Verletzungsmisere und der Substanzverlust, um dem Fananhang die aktuelle Lage zu erklären?
In Basel genügt das vielleicht nicht. Von uns erwartet man, dass wir jede Saison Meister werden. Das ist auch gut so, wir Spieler selbst haben diese Ansprüche. Wir wissen auch, dass wir aufgrund unseres Kaders und aufgrund unseres Potenzials die Besten sein müssen. Es soll keine Ausrede sein, doch der Substanzverlust ist eine Tatsache. Mancher Fan denkt, dass wir in Spielen wie in Aarau beim 1:3 nicht alles gegeben haben. Das ist nicht so. Wir sind einfach nicht mehr frisch.

Ist der FCB körperlich nicht gut genug vorbereitet?
Wir sind es nicht gewohnt, Doppelbelastungen wie Meisterschaft und Champions League zu ertragen. Als wir noch nicht in der Champions League waren, besiegten wir den FCZ zu Saisonbeginn auswärts 4:1 und zeigten, dass wir die Besten der Liga sind.

Über die ganze Saison gesehen gab es sehr wenige Spiele, in denen der FCB überzeugte wie bei diesem 4:1 in Zürich.
Was heisst überzeugen?

So gut spielen, dass man behaupten kann: Das war ein restlos dominanter FCB, das Team hat es verdient, Meister zu werden.
Ich habe früher immer zugegeben, dass der FCZ wirklich toll spielt. Doch diese Saison hat auch der FCZ nicht oft überzeugen können, auch er war nicht dominant. Ihrer Argumentation folgend, kann demnach auch er es kaum verdient haben, Meister zu werden.

Umso überraschender ist, dass der FCB von den Schwächen des FCZ bisher nicht genügend profitieren konnte. Es gibt viele Schlüsselspieler, auch Sie, die nicht konstant auf so hohem Niveau spielen wie noch im Frühling vor einem Jahr, als Basel den Titel gewann.
Das kann sein. Du kannst nicht immer auf höchstem Niveau spielen. Das gilt auch für mich. Ich hatte nach der Winterpause keinen einzigen Match Pause, ich wurde nie ausgewechselt, doch auch ich bin kein Roboter. Wenn ständig Spieler ausfallen, musst du jeden Match absolvieren.

Insgesamt hören sich Ihre Worte nicht nach tiefer Überzeugung an, dass der FCB noch Meister wird.
Überzeugung . . . wenn man vier Punkte Rückstand hat, kann man nicht überzeugt sein, Meister zu werden. Ich weiss, dass es sehr schwierig wird. Den Glauben daran dürfen wir trotzdem nicht verlieren.

Haben die aktuellen Schwierigkeiten beim FCB nicht auch damit zu tun, dass sich vieles abgenützt hat in zehn Jahren unter Christian Gross?
Das kann von aussen betrachtet so wirken. Natürlich gibt es nach so vielen gemeinsamen Jahren in jeder Beziehung Abnutzungserscheinungen. Doch wenn man sich für die Champions League qualifiziert - was mehr kann man erreichen als Schweizer Klub?

Sie selbst stehen im neunten Basler Jahr, Ihr Vertrag läuft Ende Juni aus. Ist das Ihre letzte Chance, mit dem FCB noch einmal Meister zu werden?
Ich habe mich noch nicht entschieden, was ich danach mache. Es ist sehr schwierig für mich, Basel zu verlassen. Ich weiss, was ich hier habe. Ich habe ein paar Offerten anderer Klubs. Ich möchte mich eigentlich mit einem Titel vom FCB verabschieden. Wenn uns das in diesem Jahr nicht gelingt, muss ich aber davon überzeugt sein, dass ich eine weitere Saison alles geben kann für diesen Klub. Ich will mich nicht nur durchschleppen.

Sind Sie diesen letzten Titel sich selbst oder dem Publikum schuldig?
Mir, dem Publikum, der Stadt. In England sagt man: Leaving on a good note (Abschied auf eine schöne Art). Der FCB ist für mich nicht einfach nur ein Arbeitgeber. Ich fühle mich ein Stück weit als Basler, ich habe den längsten Abschnitt meines Lebens hier verbracht. Die Schweiz wird für mich eine zweite Heimat bleiben (Ergic wuchs als Sohn von Serben in Kroatien auf, die Familie flüchtete vor dem Balkan-Krieg nach Australien, 2000 kam er als 19-Jähriger zum FCB).

Sie schliessen also nicht aus, noch eine weitere Saison unter Trainer Gross zu arbeiten, obwohl Sie zwei zuletzt immer wieder Probleme hatten?
Nein. In dieser Saison hatten wir überhaupt keine Probleme. Ich mache meinen Job. Wenn der Trainer zufrieden ist, spiele ich, sonst nicht. Dass wir nicht die besten Freunde sind, das wissen alle, doch wir haben eine professionelle Beziehung. Und dass ich mit dem Trainer nicht immer gleicher Meinung bin, kann ich in jedem anderen Klub auch erleben.

Sie machen sich Gedanken darüber, ob es so weitergehen kann. Tun das andere auch?
Das weiss ich nicht.

Was möchten Sie im Fussball noch sehen?
Ich weiss es nicht. Ich habe fast alles erlebt, was man als Fussballer erleben kann. Champions League, Weltmeisterschaft . . .

. . . ein bestimmtes Land, eine Liga?
In einer der grossen fünf Ligen spielen, von den Topspielern der Welt lernen, das wäre ein Ziel. Es gefällt mir zum Beispiel, wie in Spanien gespielt wird. Selbst Klubs wie Getafe spielen ohne grosse taktische Überlegungen.

Sie kümmern sich ohne Berater um Ihre Zukunft. Ist das schwierig in diesen Tagen?
Was mich am meisten bedrückt: Ich fühle mich ein wenig überspielt. Ich laufe bis zwölf Kilometer in jedem Spiel, das ist höher als der Durchschnitt in der Champions League. Ich spiele sehr mannschaftsdienlich. Ich kann nicht in jedem Match der Frischeste sein.

Und dafür ernten Sie Kritik.
So ist es. Deshalb muss ich mich für mich selbst einsetzen und sagen, dass ich mich nicht Match für Match auf höchstem Niveau bewegen kann. Ich versuche das, aber es ist nicht möglich.

Welches Bild möchten Sie von sich zurücklassen, wenn Sie den FCB einmal verlassen?
Als einer, der eine spezielle Beziehung zum Klub hatte. Einer, der treu war, der immer alles für den Verein tat, wie es der Verein für mich auch machte.


FCB-Fan kasch nid wärde, FCB-Fan das muesch syy