Die Clubs eignen sich gut als Prügelknaben»



Bernhard Heusler, Vizepräsident des FC Basel, warnt vor gefährlichen Scheinlösungen im Kampf gegen die Gewalt im Fussball.


Nach den Krawallen. Der designierte FCB-Präsident Bernhard Heusler sieht die Clubs in der Gewaltdebatte zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Nach den Krawallen. Der designierte FCB-Präsident Bernhard Heusler sieht die Clubs in der Gewaltdebatte zu Unrecht an den Pranger gestellt.
Bild: Keystone
Umfrage

Nach den Krawallen im Letzigrund wird gefordert, dass die Clubs für das Verhalten ihrer Fans büssen sollen. Sind die Clubs für das Verhalten all ihrer Anhänger verantwortlich?

Ja

35.3%

Nein

64.7%


Letzten Sonntag musste das Zürcher Derby zwischen den Fussballclubs GC und FCZ im Zürcher Letzigrundstadion wegen Ausschreitungen auf den Zuschauerrängen abgebrochen werden. Zwei Petarden wurden in den GC-Fanblock geworfen, mehrere Dutzend vermummte Anhänger beider Clubs gingen aufeinander los (die BaZ berichtete). Seither hat sich die Diskussion darüber, wie die gewalttätigen Fussballfans bekämpft werden könnten, erneut intensiviert. Bernhard Heusler (47), Vizepräsident des FC Basel und seit 2006 zuständig für die Fanpolitik, nimmt im BaZ-Interview Stellung zu den von der Politik vorgeschlagenen Massnahmen und zur Verantwortung der Clubs.

BaZ: Zum ersten Mal musste ein Spiel der obersten Schweizer Liga wegen Ausschreitungen abgebrochen werden. Denkt man in dem Moment auch: «Mist, das wirft uns in der Fanpolitik um Jahre zurück»?
Bernhard Heusler: In erster Linie hofft man, dass keine Unbeteiligten zu Schaden kommen. Und natürlich kommen auch Enttäuschung und Verärgerung hoch. Man fühlt sich in seinen Bemühungen für den Fussball missbraucht. An unsere Fanpolitik habe ich in diesem Moment nicht gedacht, da ich ja die Hintergründe und den Anlass der Ausschreitungen nicht kannte. Dann schon eher an die Verantwortlichen der Clubs, ihre Ohnmacht und ihren Umgang mit der vorhersehbaren medialen und politischen Aufarbeitung der Ereignisse, mit der ich Mühe habe.

Warum?
Ich sage es seit Monaten: Die öffentliche Diskussion rund um die Gewaltproblematik im Fussball wird zu wenig im konstruktiven Dialog geführt. Sie ist geprägt von Vorverurteilungen, Schuldzuweisungen, Ferndiagnosen und Populismus. So gewinnen wir für die Sicherheit nichts. Klar ist, dass die Ausschreitungen vom Sonntag Wasser auf die Mühlen derjenigen sind, die den Schweizer Fussball generell als Sumpf der Gewalt darstellen und die Fans einer kriminellen Unkultur zurechnen, die es ganzheitlich auszulöschen gilt.

Der Tenor fast aller Beteiligten ist: «So kann es nicht weitergehen.»
Das ist wohl richtig, dass dies der Tenor ist. Nur hat man mit dieser Aussage nichts gewonnen. Im Gegenteil: dies festzustellen, um dann aus der Hüfte zu schiessen, Massnahmen und Scheinlösungen zu proklamieren, ist sehr gefährlich und kontraproduktiv. Richtiger wenn auch aufwendiger und weniger beliebt ist eine sachliche Aufarbeitung, das heisst, genau zu schauen, was schiefgelaufen ist und was gemacht werden muss.

Was muss nun Ihrer Meinung nach geschehen?
Wir können nur zu brauchbaren Ergebnissen kommen, wenn wir die Realitäten nicht ausblenden. Eine Realität ist, dass wir im Umfeld des Fussballs und in den Fankurven mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Gewalt zwischen Menschen oder Menschengruppen konfrontiert sind. Hier gilt es seitens des Fussballs und der Fanexperten nichts schönzureden, aber auch andererseits nicht so zu tun, wie wenn die Gewalt im Fussball ein selbst kreiertes und von den Clubs mitverschuldetes Phänomen wäre. Wer diese Realitäten nicht anerkennt, wird nie zu Massnahmen gelangen, welche die Sicherheit verbessern. Es wird das Heil in der Sippenhaft aller Fans und im Abstrafen des Fussballs und der Clubs gesucht, die Gewalttäter aber bleiben dadurch unbehelligt beziehungsweise sie erhalten noch Zulauf von sich solidarisierenden Fans, die sich ungerecht behandelt und zu Unrecht kriminalisiert fühlen.

Gefordert wird nun unter anderem, dass Hochrisikospiele ohne Zuschauer ausgetragen werden. Davon könnte die Partie FCZ gegen den FC Basel vom 23. Oktober betroffen sein. Was sagen Sie zu dieser Forderung?
Das ist die logische Konsequenz aus der Gewalteskalation vom Sonntag und der öffentlichen Debatte, die emotional und mit wenig Realitätsbezug geführt wird. Wenn man jedes Risiko ausschliessen will, dann bleibt uns doch nur noch, die Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen.

Sie sagen, wenn man absolute Gewaltfreiheit anstrebt, schafft man Fussball in der heutigen Form ab?
Nicht den Fussball an sich, aber das Profifussballspiel, so wie es von zwei Millionen Zuschauern im Jahr in den Schweizer Stadien erlebt wird. Die Zuschauer werden dabei in ein hochemotionales Umfeld geführt, auf dem Feld wird in der Form eines reglementierten Spiels eine Konfliktsituation dargestellt. Die Stimmung im Stadion lebt von den Emotionen der Zuschauer und insbesondere von den Fans. Diese fertigen Choreografien mit riesigem Aufwand. Wenn man all diese positiven Energien und Emotionen will, dann kann niemand garantieren, dass es nicht auch mal ins Negative kippen kann. Und negative Emotionen erleben wir nicht nur bei den Fans in den Kurven, sondern in allen Sektoren, nur äussern sich die verschieden und weniger sichtbar.

Die für die Gewaltexzesse Verantwortlichen müssen hart bestraft werden, da herrscht Konsens. Gefordert werden aber auch Sanktionen gegen die Clubs. Von Bussen und Geisterspielen bis zu Zwangsabstieg ist die Rede, wenn ihre Anhänger gewalttätig werden. Sind die Erwartungen an die Clubs – für gewaltfreie Spiele zu sorgen – übertrieben?
Ich musste beim Thema Gewalt im Zusammenhang mit Fussball lernen, dass sich die Clubs als Prügelknaben sehr gut eignen. Im Gegensatz zur Gewalt ausserhalb des Fussballs kann hier die Gewalt scheinbar zugeordnet werden. Sind es bei Ausschreitungen beim Voltaplatz oder beim Bellevue in Zürich schwer fassbare, anonyme «autonome Szenen», werden im Fussball die Gewalttäter einem Club zugerechnet, wie wenn sie unter dessen Schutz und Aufsicht handeln und agieren würden – eine an sich unsägliche Betrachtung. Interessanterweise käme man bei anderen Veranstaltungen – wie nach den Krawallen am Jazz Festival Montreux – gar nie auf die Idee, die Diskussion in dieser Art zu führen.

Der Club soll nicht verantwortlich sein für das Verhalten seiner Fans?
Die Verantwortlichkeit bei konkreten Ereignissen muss ihre normalen Grenzen haben. Wie jede Haftung muss sie Zurechenbarkeit und Fehlverhalten voraussetzen. Die Verantwortung für die Fanpolitik geht aber viel weiter. Sie bedeutet für die Clubs viel Arbeit, ist Chefsache. Sie besteht aus Prävention und Repression im Rahmen der Möglichkeiten. Vor allem erfordert sie aber einen ständigen Dialog auf allen Ebenen – mit den Behörden, der Polizei und den Fans. Nur wer diesen Dialog auch glaubwürdig im Sinne der Sache führt, trägt dazu bei, dass sich die Situation verbessert und sich die Menschen in den Fankurven nicht radikalisieren.


www.tagesanzeiger.ch

Zuletzt bearbeitet von Bamm Bamm; 10/10/2011 04:02.

FCB-Fan kasch nid wärde, FCB-Fan das muesch syy