«Alex Streller ist der beste Stürmer, nicht Doumbia»

Am Sonntag trifft YB im Spitzenkampf auf Basel. FCB-Leistungsträger Benjamin Huggel spricht über den Trainerwechsel in Basel, YB und den Kunstrasen, die besten Super-League-Angreifer und die WM 2010.

Hätten Sie Ende August, nach der 1:2-Niederlage zu Hause gegen YB, gedacht, dass der FCB im Rückspiel bis auf einen Punkt an Rang 1 heranrücken könnte?
Benjamin Huggel: Solche Überlegungen machte ich mir nicht. Es ging damals nicht darum, an den Titel zu denken. Wir lagen nach einem Fehlstart 13 Punkte hinter YB, und in solchen Momenten herrscht in Basel immer Unruhe. Wir mussten schauen, dass wir rasch wieder in die Erfolgsspur finden können.

Das ist Basel in allen Bewerben eindrücklich gelungen. Warum verlief der Start unter dem neuen Trainer Thorsten Fink so harzig?
Wenn ein Trainer wie Christian Gross zehn Jahre derart erfolgreich gearbeitet hat, dann ist vieles eingespielt und festgefahren. Es braucht Geduld, bis die Automatismen wieder vorhanden sind. Gross und Fink sind in jeder Beziehung sehr unterschiedlich.

Zum Beispiel?
Das fängt auf dem Feld an, wo Fink auf Kurzpässe setzt und eine andere Spielkultur verlangt als Gross. Und in der Führung ist Fink sehr menschlich und offen, während Gross doch eher autoritär war. Fink ist ein anderer, ein jüngerer Typ, der uns viele Freiheiten lässt.

Wie äussert sich das in der täglichen Arbeit?
Der Trainer ist immer gut gelaunt, er ist motiviert und locker. So hat er uns Anfang Saison gesagt, er verlange absolute Disziplin, aber er führe keinen Bussenkatalog ein. Fink erklärte uns, wir sollten die Strafen selber regeln, falls einer zu spät an einem Termin erscheine. Zudem hat Fink ein gutes Gespür, die Hierarchie bei uns stimmt, die älteren Spieler stehen in der Verantwortung. So muss es sein.

Sie sind einer der wichtigsten Spieler beim FCB und seit Monaten in ausgezeichneter Verfassung. Wie sehen Sie Ihre Rolle?
Natürlich habe ich einen gewissen Stellenwert, ich habe im Ausland gespielt, ich bin Nationalspieler und Basler und einer der Führungsspieler. Aber wir haben einige Routiniers wie Alex Frei, Marco Streller, Scott Chipperfield oder Franco Costanzo, die Mischung stimmt einfach. Die vielen jungen Spieler können sich an uns aufrichten.

Sie haben Ihren Vertrag kürzlich bis 2012 verlängert. Beenden Sie Ihre Karriere in Basel?
Das weiss ich noch nicht, ich hoffe es aber. Ich werde dann 35 Jahre alt sein und ein halbes Jahr vor Ende der Vertragszeit in Klausur gehen und mir überlegen, was ich will. Ich möchte später gerne weiter im Fussball arbeiten, ich mache mir viele Gedanken darüber und glaube, mit meiner Erfahrung auch nach der aktiven Karriere im Fussball tätig sein zu können. Zum Beispiel würde es mich jetzt sehr reizen, mit den Schweizer U17-Weltmeistern zu arbeiten. Sie stehen vor einer enorm schwierigen Phase. Nach so einem Erfolg ist es elementar, den Boden unter den Füssen nicht zu verlieren. Denn die Jungs haben etwas Fantastisches geleistet, aber es ist für sie noch ein weiter Weg zum Fussballprofi.

Stimmt es eigentlich, dass Sie vor Ihrer Rückkehr zu Basel auch mit YB verhandelten?
Ja.

Scheiterte der Transfer daran, dass Sie als Basler nicht nach Bern wechseln wollten?
Nein, wir konnten uns finanziell nicht einigen. Später wechselte ich von Frankfurt nach Basel.

Und jetzt geht es am Sonntag in Bern gegen YB. Warum mag man beim FCB den Kunstrasen nicht?
Ich kann nur für mich sprechen. Ich finde, die Rasenindustrie hat versagt. Es kann doch nicht sein, dass es noch keinen Rasen gibt, den man auch in einem multifunktionalen Stadion einsetzen kann. Ich spiele viel lieber auf Naturrasen. Kürzlich waren wir in Fulham, man konnte den Rasen riechen, das war wunderbar.

Ist es nicht gefährlich, wenn FCB-Spieler mit einer negativen Haltung gegenüber dem Kunstrasen in eine Begegnung steigen?
Kein Spieler geht mit einer negativen Haltung in eine Partie. Das Spiel auf Kunstrasen ist ganz anders, als Verteidiger ist man im Nachteil, man kann nicht so schnell die Richtung ändern und auf Tricks der Stürmer reagieren. Zudem ist der Belag sehr schnell. Im Frühling verloren wir in Liga und Cup in Bern gegen YB, es regnete zweimal, und der Rasen war so schnell, dass es beinahe eine neue Sportart war.

Sind Sie erstaunt, wie stark YB in dieser Saison ist?
Nein, überhaupt nicht. Das ist ein gutes, eingespieltes Team mit starken Schweizer Spielern und guten Ausländern. Emiliano Dudar ist eine Verstärkung in der Abwehr, Scott Sutter hat Christian Schwegler gut ersetzt, zudem ist Marco Wölfli ein exzellenter Torhüter. Und vorne ist YB immer gefährlich.

Ist Seydou Doumbia der beste Stürmer der Super League?
Nein, der beste Stürmer ist Alex Streller. Oder Marco Frei (lacht). Doumbia, Frei und Streller sind alles ausgezeichnete Stürmer, aber Fussball ist ein Teamsport, allein erreicht man nichts. Deshalb ist es zwar ärgerlich, dass Frei am Sonntag gesperrt ist, aber wir sind stark genug, auch ohne ihn in Bern zu gewinnen.

Warum hat Basel gegen YB in letzter Zeit so viel Mühe?
Mir ist auch aufgefallen, dass wie oft verloren haben. Es war aber meistens spannend. Im Hinspiel zum Beispiel vergaben wir das 2:0, wir hätten beim Stand von 1:0 auch einen Elfmeter erhalten sollen. Seither aber läuft es uns, heute sind wir deutlich selbstbewusster. Wir freuen uns auf den Spitzenkampf im ausverkauften Stade de Suisse.

Trainer Vladimir Petkovic hat mit YB gegen Basel immer gewonnen. Liegt das auch am speziellen 3-4-3-System der Young Boys?
Das liegt nicht nur daran. Aber natürlich haben die YB-Spieler das System sehr gut im Griff.

YB - Basel wird ein Hochrisikospiel sein. Die Fans stehen in der Kritik...
...dieses leidige Thema nervt. Diese Fans schaden dem Fussball. Zuletzt bei unserem Cupspiel gegen Zürich gab es ja auch wieder Ausschreitungen, zudem war die Zuschauerzahl enttäuschend. Ich bin sicher, dass sich viele Leute vor dem Spiel sagten: «Basel - Zürich, da gibts immer Probleme, das muss ich nicht haben.» Das ist eine Katastrophe. Nur 17000 Zuschauer gegen den FCZ, das gab es in Basel in den letzten Jahren doch nie.

Derzeit gibt es um den Fussball auch andere Negativschlagzeilen. Der Wettskandal ist schlecht für die Glaubwürdigkeit.
Ich finde es heikel, bereits jetzt zu urteilen. Man weiss ja noch wenig. Auf jeden Fall muss ich lachen, wenn ich höre, dass ein Stürmer für eine Niederlage mit vier Toren verantwortlich sein soll. Das ist nicht möglich. Mir wird da allgemein zu wenig reflektiert.

Sie sind ein Fussballer, der eher mehr und oft intelligenter spricht als andere. Wie würden Sie sich beschreiben?
Ich habe eine gute Erziehung genossen, mir sind Werte wie Respekt, Ehrlichkeit und Fairness vermittelt worden. Ich mag keine Ungerechtigkeiten. Man wird als Fussballer, gerade vom FCB, in fremden Stadien manchmal primitiv angemacht, das stört mich. Kein Problem habe ich mit sachlicher, respektvoller Kritik.

Und was sind Ihre Interessen und Hobbys?
Ich habe viele Interessen, aber kaum Zeit für Hobbys. Mit Basel und dem Nationalteam spielten wir zuletzt fast alle drei Tage, das ist anstrengend. Ich freue mich dann immer, wenn ich bei meiner Familie bin. Später werde ich mehr Zeit haben zum Wandern und Klettern, zum Beispiel aufs Matterhorn, oder Velofahren.

Vorher aber steht mit der WM 2010 noch ein Karrierehöhepunkt an. Sind Sie auch erstaunt, nach vielen Jahren auf der Bank plötzlich unumstrittener Stammspieler im Nationalteam zu sein?
Nein, ich bin nicht überrascht. So läuft das Geschäft. Der Trainer sucht die Spieler, denen er vertraut, aus. Ich bin stolz, setzt Ottmar Hitzfeld auf mich. Ich denke, dass ich das Vertrauen mit guten Leistungen zurückgegeben habe.


Im Nationalteam gesetzt

Benjamin Huggel, geboren am 7.7.1977, ist in Münchenstein BL aufgewachsen. Er spielte als Junior in Münchenstein und Arlesheim, ehe er erst mit 21 Jahren zum FC Basel wechselte. FCB-Trainer Christian Gross schätzte den kraftvollen und robusten Mittelfeldspieler. Von 1998 bis 2005 war Huggel massgeblich an den Basel-Erfolgen beteiligt, wurde dreimal Meister (2002, 2004, 2005) und zweimal Cupsieger (2002, 2003). 2005 folgte der Transfer zu Eintracht Frankfurt. Nach zwei Saisons in der Bundesliga zog es Huggel 2007 zurück zum FC Basel, wo er gleich im ersten Jahr das Double gewann.

In der Öffentlichkeit polarisiert der ruhige, überlegte und bodenständige Huggel, was mit seiner eher rustikalen Spielweise zusammenhängt – und damit, dass der FCB ausserhalb Basels nicht sehr beliebt ist. Bisher bestritt Huggel 36 Länderspiele. Nachdem er jahrelang zweite Wahl war, setzt Trainer Ottmar Hitzfeld seit der Euro 2008 konsequent auf den ausgeprägten Teamspieler. Huggel lebt mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern Silas und Ladina in Arlesheim.


tagesanzeiger.ch


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