Ein FCB ohne Franco Costanzo ? Die Vorstellung stimmt traurig und legt einen Schatten auf den Vorstand. Aus der heutigen Sonntagszeitung:

«Das normale Leben, das haben wir hier»

Goalie Franco Costanzo spielt heute im Spitzenkampf gegen Luzern und steht wohl in seinem letzten Jahr mit dem FCB

VON PETER M. BIRRER UND UELI KÄGI
Der argentinische Torhüter Franco Costanzo, 30, steht nicht gerne im Mittelpunkt und verfolgte nie die grosse Karriere

BASEL Der FCB ist beim Spiel mit dem Ball vom einheimischen Element, von Huggel, Streller und Frei. Gelenkt wird er aber von einem argentinischen Captain, der 2006 in die Schweiz kam und sich in der Öffentlichkeit meist im Hintergrund hält: Franco Costanzo, 30-jähriger Goalie.

Franco Costanzo, Sie spielten am Mittwoch im fast vollen St.-Jakob-Park gegen die AS Roma, Sie treten nun in einem Kleinstadion gegen Luzern an. Was macht mehr Spass?

Das sind zwei verschiedene Aufgaben. Rom, das war Champions League in unserem unglaublichen Stadion. Luzern auswärts in der Meisterschaft, das ist eine ganz andere Atmosphäre. Aber es stellt sich nicht die Frage, was uns mehr Spass macht. Wir sind Profis, wir wollen gewinnen, wir wollen unsere Titel verteidigen.

Gegen Luzern muss der FCB die Spitze verteidigen.

Natürlich. Und das ist wichtig, weil es viel Kraft gekostet hat, ganz nach oben zu gelangen. Es ist nicht primär die physische Belastung, die in diesen Tagen zu schaffen macht, sondern die mentale. Man muss sich gedanklich umstellen, von Champions League zurück auf Super League, von fast 40 000 auf 8000 Zuschauer.

Hat der FCB am Mittwoch zu wenig dreckig gespielt, um die Roma besiegen zu können?

Nein, ich würde nicht dreckig sagen, ich denke, es fehlte an Cleverness. Man muss in gewissen Situationen taktische Fouls begehen. Es mangelte an Erfahrung, um gegen diese Mannschaft die Niederlage zu verhindern – obwohl wir vieles richtig machten.

Der FC Basel hatte bereits gegen die Bayern vieles richtig gemacht, aber keine Punkte gewonnen.

Ja, doch ich habe festgestellt, dass wir es geschafft haben, etwas zu ändern. Teams, die zu uns kommen, merken, dass es nicht mehr möglich ist, locker die Punkte abzuholen. Wer hier gewinnen will, muss viel dafür tun. Natürlich nützt es nichts, bloss Widerstand zu leisten. Aber man sollte berücksichtigen, dass wir mit Spitzenteams mithalten können. Gegen die Roma wiesen wir 62 Prozent Ballbesitz auf.

Das ist nur eine Statistik.

Ja, aber sie hat starke Aussagekraft. Und um den Sieg zu retten, schindeten die Italiener Zeit, sie gingen oft zu Boden. Und denken wir dran: Das war Roma, letzte Saison der Zweite der Serie A.

Wer kann den FCB in der Super League stoppen?

Es hört sich für die anderen Klubs nicht sehr nett an: nur wir selber. Machen wir alles richtig, können wir nicht gestoppt werden.

Sie sprachen vorher über die Ziele der Mannschaft, doch was ist mit Ihnen? Was möchten Sie tun, wenn Ihr Vertrag im nächsten Sommer ausläuft?

Ich weiss es nicht. Ich will diese Frage für den Moment auch auf der Seite lassen. Ich möchte mit dem FC Basel die Ziele erreichen, dann sehen wir weiter.

Sie müssen sich wohl vor dem Saisonende entscheiden, wie es weitergeht.

Es ist nicht nur meine Entscheidung. Natürlich könnte ich sagen, was ich möchte. Aber das heisst nicht, dass es auch passiert.

Lassen Sie uns spekulieren: Sie würden gerne bleiben. Der Klub aber hat mit dem Fünfjahresvertrag für Yann Sommer ein Zeichen gegeben, wer ab nächster Saison Nummer 1 ist.

Das sind Ihre Worte.

Und Sie möchten diese Worte nicht kommentieren.

Ich beteilige mich nicht an Spekulationen.

Käme für Sie ein Wechsel innerhalb der Schweiz in Frage?

Nein. Ich könnte nie gegen Basel spielen.

Wird von Ihnen erwartet, dass Sie Yann Sommer fördern? Wollen Sie das überhaupt?

Ich mag es nicht, ihm zu sagen, was er zu tun hat. Wir haben einen Torhüter-Trainer, der Sommer korrigieren kann. Wenn jetzt jemand aus der U-21 käme und mich fragen würde, ob ich ihm helfen würde, Fehler zu korrigieren, wäre das kein Problem. Aber nicht bei meinem Partner.

Sind Sie nicht Rivalen?

Nein, wir sind Partner. Als ich ein junger Goalie war, mochte ich es nicht, wenn mein Trainingspartner mich korrigierte.

Ist es normal, dass Goalies Partner und nicht Rivalen sind?

Wir sind drei Goalies (neben Costanzo und Sommer auch Massimo Colomba), einer spielt, einer sitzt auf der Bank, einer auf der Tribüne. Die Regeln sind klar. Zu Rivalen wirst du nur, wenn der Teamgeist nicht stimmt. In solchen Mannschaften hofft der Stürmer auf der Bank, dass der Stürmer auf dem Rasen das Tor nicht trifft. Ich glaube aber nicht, dass wir beim FCB so funktionieren.

Weshalb fühlen Sie sich in Basel so wohl?

Weil die Mischung stimmt. Beruflich, weil in diesem Klub alles wunderbar ist. Er ist professionell geführt, die Fans sind ausserordentlich, wir spielen unsere Heimspiele meist vor fast 30 000 Zuschauern, wir haben eine guten Druck. Und privat, weil wir Ruhe haben, wenn wir Ruhe wünschen. Oder gute Restaurants, wenn wir ausgehen möchten. Unsere beiden Töchter sind hier geboren, das grössere Mädchen geht in die Kinderkrippe.

Ist der Wohlfühlfaktor der Grund, dass Sie sich trotz Ihrem Talent begnügten, in der Schweiz zu bleiben, statt in eine grösseren Liga zu wechseln?

Wieso hätte ich je wechseln sollen, wenn ich mit meiner Familie hier glücklich bin und alle Aspekte stimmen? Ich habe nicht diese «Ich stehe jeden Morgen auf und möchte ins Training, mich auf den Boden werfen» Ambition, unbedingt in einer grossen Liga oder im Nationalteam zu spielen. Das heisst aber nicht, dass ich nicht ehrgeizig bin. Ich will Titel gewinnen, möglichst viele, sonst macht es keinen Sinn. Aber ich mag es nicht, im Scheinwerferlicht zu stehen.

Hat nicht jeder Fussballer Lust, etwas Besonderes zu sein?

O nein, wir spielen nur Fussball. Das ist unser Beruf. Nicht mehr, nicht weniger.

Sie zeigen Ihre Verbundenheit zum Klub bei Titelfeiern, wenn Sie mit dem Pokal durch die Lieblingslokale verschiedenster Fangruppierungen ziehen.

Die Fans geben alles für uns, sie opfern für den Klub ihre Zeit und geben für ihn ihr Geld aus. Sie sind da, wenn es regnet, wenn es schneit, ohne sie hätten wir nicht diese einmalige Atmosphäre. Ich gebe Ihnen mit meinen Besuchen etwas zurück, sie können den Pokal anfassen, ich singe mit ihnen.

. . . Sie singen?

Natürlich.

Gibt es bei Ihnen bei diesen Treffen auch einen Zwiespalt, weil sich ein Teil des Anhangs nicht immer vorbildlich benimmt?

Wissen Sie: Ich bin mir aus Argentinien ganz anderes gewohnt, dort sind Fangruppen auch in kriminelle Geschäfte verwickelt, es geht um Machtfragen. Ich habe deshalb nicht das Gefühl, dass das Fanverhalten in der Schweiz besonders problematisch ist.

Jetzt sind Sie mit 30 Jahren im besten Goaliealter. Wie lange möchten Sie noch spielen?

Ich weiss es nicht. Als ich 20 war, sagte ich mir: Ich spiele bis 30. Jetzt bin ich 30 und sage, ich spiele so lange, wie es mir gut geht. Und mir geht es gut. Ich stehe jeden Morgen auf und möchte ins Training, mich auf den Boden werfen, durch die Luft fliegen . . .

. . . Ihnen tut also beim Aufstehen noch nicht alles weh?

So alt bin ich noch nicht (lacht).

Sie haben für den Fussball einst Ihr Medizinstudium abgebrochen. Haben Sie schon darüber nachgedacht, irgendwann damit fortzufahren?

Ja, sehr oft. Dann aber realisierte ich immer wieder. . .

. . . dass das Leben als Fussballgoalie so komfortabel ist . . .

. . . nein, es ist nicht das. Natürlich ist das Leben als Fussballer wunderbar. Wenn ich über die Rückkehr an die Universität nachdenke, dann glaube ich einfach, dass dieser Zug für mich abgefahren ist. Es wäre zu hart. Ich habe den Schulrhythmus nicht mehr, ich müsste bei null beginnen, ich hätte keine Zeit, um stundenlang vor Büchern zu sitzen, ich möchte auch meine Kinder geniessen.

Gibt es den Traum, Arzt zu werden, trotzdem noch?

Ja, aber er wird definitiv nicht Realität werden.

Was macht denn Franco Costanzo in zehn Jahren?

Ich habe keine Ahnung!

Keine Pläne?

Ich habe viele Dinge in meinem Kopf, aber wer kann sagen, was in zehn Jahren sein wird? Ich lebe stark in der Gegenwart.

Möchten Sie nach der Karriere zurück nach Argentinien?

Nein, überhaupt nicht.

Das tönt sehr überzeugt.

Für den Moment kann ich mir eine Rückkehr nicht vorstellen. Das liegt an der hohen Lebensqualität hier und in Europa, man fühlt sich fast überall sicher. Wenn ich in Argentinien die Zeitung aufschlage, lese ich von Morden, Kidnapping, Überfällen.

Sind Sie mittlerweile mehr Europäer als Südamerikaner?

Nein, aber habe ich eine andere Sichtweise auf mein Land bekommen. Wenn ich die vielen negativen Meldungen aus Argentinien lese, frage ich mich schon: Wie kann man nur dort leben? Diese Frage kann sich einer, der nie ausserhalb des Landes lebte, nicht stellen. Für ihn sind die Probleme Normalität. Ich kann in Basel in ein Tram steigen oder Geld abheben, ohne ständig schauen zu müssen, ob dich einer angreifen will. Das normale Leben, das haben wir hier.

«Wieso hätte ich je wechseln sollen, wenn ich mit meiner Familie hier glücklich bin?»

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FCB-Fan kasch nid wärde, FCB-Fan das muesch syy