Interview mit Ruedi Zbinden



Ruedi Zbinden, Sie stehen in Ihrer achten Saison als Chefscout des FCB. Wie kamen Sie eigentlich zu diesem Posten?

Ruedi Zbinden: Es war so, dass ich diese Aufgabe damals von mir aus angestrebt habe. Ich fand, dass beim FCB die Transfers immer sehr schnell über die Bühne gingen, man berief sich jeweils nur auf Videos und die Berater, niemand schaute sich die Spieler vor Ort an. Daraus entstanden – etwa zur Zeit der Trainer Guy Mathez und Karl Engel – viele Fehltransfers. Ab 1999 war ich Assistenztrainer von Christian Gross und schlug ihm später vor, dass ich in Sachen Scouting etwas aufbauen und damit dem Verein vielleicht helfen könnte. Im Januar 2002 gab es dann die Assistenztrainer-Lösung mit Fritz Schmid – und ich nahm meine Arbeit als Chefscout auf. Damit waren wir in der Schweiz die ersten, die sich in diese Richtung professionalisierten.

Und worin bestand damals Ihre Aufgabe?

Ich habe mich viel mit dem Trainer unterhalten. Wir stellten uns die Frage, welche Spielertypen wir haben und welche wir brauchen. Was wollen wir für eine Art von Fussball? Welche Nationalitäten können wir gut ins Team integrieren? Und so weiter. Mit den Transfers von Gimenez und Rossi fanden wir zwei Argentinier, zwei Supertypen für uns, aber auch für das Publikum. Deshalb kamen wir danach ein bisschen auf die Schiene der Südamerikaner. Vor allem daraus entstand auch die Tatsache, dass ich mich in den ersten Jahren insbesondere in Südamerika umsah und Spieler wie Delgado oder Caicedo nach Basel kamen.

Welchen Stellenwert hat die Schweizer Liga in Ihren Überlegungen?

Es ist wichtig, dass man den nationalen Markt gut kennt. Aber in den letzten Jahren wurde es immer schwieriger, einen Spieler von hier zu verpflichten. Die Vereine wollen schlicht zu viel Geld, wir möchten die Fussballer nicht überbezahlen – obwohl es natürlich einige interessante Spieler gibt in der Schweiz. Wichtig ist auch der europäische Markt, etwa Holland und Belgien. Und mittlerweile schaue ich auch in Afrika wieder etwas genauer hin, vor allem bei der jüngeren Generation.

Für Sie spielen also die Reisen in die jeweiligen Länder eine grosse Rolle?

Ja. Vorher lief alles über die Agenten, die ein Video von ihrem Spieler mitbrachten und dann musste man entscheiden. Das kann auch einmal gut gehen. Bei Chipperfield zum Beispiel hatten wir Glück. Den haben wir nie live gesehen und trotzdem hat er sehr gut gepasst. Ich schaue auch viele DVDs an, aber grundsätzlich will ich eine potenzielle Neuverpflichtung immer live sehen. Wenn man im Stadion sitzt, bekommt man wichtige Details mit: Jubelt der Spieler mit dem Teamkollegen mit, wenn dieser ein Tor schiesst? Was hat er für eine Körpersprache? Mein Ziel war immer, dass ich viel unterwegs bin und viele Fussballer kennenlerne. Heute habe ich eine sehr grosse Datenbank von Spielern, die ich ständig weiter beobachte. Einen Abraham oder einen Costanzo etwa hatte ich schon lange im Auge, bevor sie herkamen. Oder das Beispiel Kléber: Der war in Hannover nicht so gut, viele waren gegen diesen Transfer. Aber ich hatte ihn schon zuvor in Brasilien bei Corinthians Sao Paulo gesehen, wo er sehr stark war. Also sagte ich: Wenn wir den bekommen, sind wir glücklich.

Transfers dieser Art sind aber nicht unbedingt die Regel, oder?

Natürlich muss für einen guten Transfer sehr viel zusammenpassen. Es gibt auch Verpflichtunen, die sehr schnell über die Bühne gehen müssen, weil man unter zeitlichem Druck steht. Oder der Fussballer, den man gerne verpflichten möchte, wird vom Club nicht freigegeben. Manchmal hat man auch schlicht nicht die Zeit, die Spieler noch vor Ort anschauen zu gehen. Deshalb ist es eben wichtig, dass ich viel unterwegs bin und so viele Spieler wie möglich kenne, damit die Auswahl im Bedarfsfall genügend gross ist.

Für Transfers ist beim FCB seit Sommer 2009 die Technische Kommission mit Ihnen, Vizepräsident Bernhard Heusler, Verwaltungsrat Adrian Knup, Sportkoordinator Georg Heitz und Trainer Thorsten Fink zuständig. Wie muss man sich da die Abläufe vorstellen?

Zum Vergleich: Als Christian Gross noch Trainer war, unterhielt ich mich oft mit ihm über gewisse Spieler und potenzielle Neuverpflichtungen. Wenn wir uns dann einig waren, gingen wir weiter zu Bernhard Heusler und Gigi Oeri, dann wurde entschieden. Jetzt ist es so, dass wir eine grössere Gruppe sind und uns die Aufgaben aufteilen können – das ist sicher gut so. Alle 10 bis 14 Tage sitzen wir zusammen und sprechen über die Spieler. Wir wollen vor allem vom Trainer wissen, wie er die Mannschaft sieht. Das ermöglicht uns, frühzeitig zu reagieren. Zudem sind wir ständig im Gespräch darüber, ob im Einzelfall ein Spielervertrag verlängert werden soll oder nicht. Von den Personen her ist es so, dass mir etwa Georg Heitz sehr viel Arbeit abnimmt, was die Kommunikation mit den Agenten anbelangt. Es ist beinahe unfassbar, was es da an E-Mails und Telefonaten zu bewältigen gibt. Zudem trifft er dann bereits eine Auswahl und entscheidet, was seriös ist und allenfalls zu uns passen könnte. Aufgrund einer solchen Information schaue ich mir dann zum Beispiel ein Video von einem Spieler an oder reise an eine Partie von ihm, um ihn zu beobachten. Vom Know-how eines ehemaligen Spielers wie Adrian Knup können wir bei diesem ganzen Prozess natürlich auch profitieren.

Welche Grundstrategie verfolgt der FCB bei seinen Transferüberlegungen?

Wir wollen eine Achse mit erfahrenen, fertigen Spielern. Eine solche haben wir im Moment mit Costanzo, Cagdas, Huggel, Frei und Streller. Daneben brauchen wir junge Wilde, und zwar am besten die eigenen. Da sind wir seit Jahren dran, und langsam aber sicher kommen diese Spieler nach. Oder dann verpflichten wir eben junge ausländische Fussballer wie Inkoom, Zoua, Caicedo oder auch Delgado, die man auf ihre weitere Karriere vorbereitet. Im Idealfall sind diese überdurchschnittlich gut, aber noch nicht zu teuer. Man weiss bei diesen Akteuren, dass man sie nicht ewig hier behalten wird.

Welche Transferaktivitäten beschäftigen den FC Basel aktuell am meisten?

Es gibt ein paar Positionen, für die wir uns am umschauen sind. Wir hätten uns auch in der Winterpause einen Transfer vorstellen können, aber manchmal ist es eben nicht so einfach. Der ganze Prozess geht zum Teil bis zu einem Jahr – und am Schluss klappt es vielleicht trotzdem nicht. Im Moment ist sicher die rechte Mittelfeldseite ein Thema, weil wir nicht genau wissen, wie es mit Carlitos weitergeht. Allerdings wollen wir dem sehr talentierten Xherdan Shaqiri nicht einfach irgendeinen Spieler vor die Nase setzen. Auch die Innenverteidigung ist immer wieder ein Thema – jetzt, wo Marque weg ist. Und es geht auch darum, bereit zu sein, falls plötzlich ein grosses Angebot für David Abraham kommt. Das Ganze ist ein heikler Prozess. Denn einen fliessenden Übergang, wie wir ihn zum Beispiel bei zwei tollen Spielern wie Atouba und Kléber schafften, kann man kaum planen. Da gehört auch ein bisschen Glück dazu.

Gibt es einen bestimmten Tagesablauf, der sich bei Ihrer Arbeit beim FCB eingebürgert hat?

Wenn ich hier bin, komme ich am Morgen ins Büro, schaue meine Mails an, telefoniere, erledige die aktuelle Post und bereite die DVDs vor, die ich bestellt habe. Am Nachmittag bin ich jeweils zuhause und schaue mir in der Regel zwei bis drei ganze Partien von Spielern an, die ich am beobachten bin.

Woher bekommen Sie die DVDs und Ihre ganzen Informationen über die Spieler?

Das meiste kommt von der International Soccer Bank - einer Datenbank, in der etwa 100‘000 Spieler registriert sind. Viele dieser Fussballer habe ich in meinem persönlichen Profil angelegt, das ich verwalten kann. Ich schreibe Kommentare zu den jeweiligen Akteuren, kann beobachten wie sie sich entwickeln oder wenn sie transferiert werden und ich kann mir direkt von dieser Datenbank DVDs von aktuellen Partien dieser Spieler bestellen. Dann geht es etwa drei Tage, bis die DVD bei mir ist.

Sie sind bereits seit langer Zeit im Transfergeschäft tätig. Wie hat sich dieses Business in den vergangenen Jahren entwickelt?
Es sind vor allem die Löhne der Spieler, die sich enorm entwickelt haben. Heute muss man einem talentierten jungen Fussballer schon einen sehr guten Vertrag geben, wenn man ihn im Club halten will. Dies deshalb, weil die Agenten ihre Spieler überall anbieten und weil aus England, Frankreich oder auch Holland enorm viele Scouts unterwegs sind, welche die Junioren beobachten. Gewisse ausländische Clubs haben natürlich ganz andere finanzielle Mittel, um einem 17- oder 18-Jährigen bereits einen grossen Vertrag anzubieten. Diese Entwicklung finde ich nicht gut. Und dazu kommt, dass die Agenten meines Erachtens immer aggressiver werden. Wenn die erfahren, dass man an einem Spieler dran ist, kommen plötzlich fünf Berater auf einen zu und sagen, dieser stehe bei ihnen unter Vertrag. Das ist doch verrückt. Und dann werden zum Teil sogar die Spieler und ihre Familien bedroht.

Stellt Sie Ihre Arbeit als Chefscout trotzdem nach wie vor zufrieden?

Absolut. Vor allem wenn es uns gelingt, einen jungen Spieler nach Basel zu bringen, der dann seinen Weg geht. Sehen Sie sich Samuel Inkoom an – der ist doch eine Riesenfreude für uns alle, auch für die Zuschauer. Das macht dann richtig Spass.

fcb.ch


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