Sonntagsblick vom 16.01.2011

«Noch nie war der Titel für Basel so wichtig»

Stocker und Streller planen die Zukunft unter Palmen

VON HEIKO OSTENDORP AUS ESTEPONA

Halb Europa jagt Basels Juwelen. Auch Valentin Stocker (21) wird von mehreren Bundesligisten umworben. SonntagsBlick traf ihn und seinen Kumpel Marco Streller (29) im Trainingslager zum Doppelinterview.

Wie unruhig ist es in der Mannschaft?

Marco Streller: Warum sollte es bei uns unruhig sein?

Weil es beinahe jeden Tag neue Gerüchte um mögliche FCB-Abgänge gibt. Ist das in der Mannschaft kein Thema?

Valentin Stocker: Natürlich reden wir darüber, aber ganz unterschiedlich. Wenn ein Spieler jeden Tag ein angebliches Angebot von einem anderen Klub hat und das in der Zeitung steht, lachen wir eher oder flachsen. Wir wissen, dass das zum Geschäft gehört und vieles – von wem auch immer – inszeniert wird.

Streller: Ich sehe es so: Es ist auch eine Auszeichnung für den FCB, wenn so viele Spieler auf dem Markt gefragt sind. Das zeigt, dass hier gute Arbeit abgeliefert wird.

Befürchten Sie im Sommer einen Ausverkauf – also, dass drei, vier Stammspieler den Klub verlassen könnten?

Streller: Ja, ich befürchte das schon. Wenn gewisse Klubs kommen, kann der FCB einfach nicht mithalten. Die Super League ist eine Ausbildungsliga, das muss man akzeptieren.

Werden Sie im Sommer auch gehen, Herr Stocker?

Stocker: Eines möchte ich mal klarstellen: Es gab in der Vergangenheit noch keine Periode, in der ich ernsthaft über einen Wechsel nachgedacht habe. Ich bin ein Spieler, der Harmonie braucht, nette Kollegen, gute Stimmung. Das habe ich beim FCB. Ausserdem habe ich hier mit 21 Jahren einen Status, den ich bei keinem anderen Klub hätte.

Sie haben die Frage nicht beantwortet…

Stocker: Natürlich will ich irgendwann den nächsten Schritt machen. Ich bin offen, das weiss mein Berater, das weiss der FCB. Aber ich bin nicht bereit, das, was ich beim FCB habe, einfach aufzugeben. Für mich ist die Sache relativ klar.

Nämlich?

Stocker: Wenn wir wieder Meister werden, sind wir direkt für die Gruppenphase der Champions League qualifiziert. Dann habe ich 40, 45 Spiele auf höchstem Niveau auf sicher. Das hat man nicht bei jedem Klub. Aber natürlich wäre zum Beispiel die Bundesliga ein Traum – das habe ich immer gesagt.

Streller: Auch wenn ich natürlich gerne hätte, dass Vali bleibt – als Freund und Mitspieler –, bin ich sicher, dass bei ihm der nächste Schritt kommen wird und auch muss. Er ist jetzt vier Jahre Stammspieler beim FCB, hat einige Titel gewonnen. Da kann doch jeder verstehen, wenn er sich irgendwann verbessern will. Aber es muss aus meiner Sicht ein Klub sein, der von der Qualität her deutlich besser ist als wir. Und so viele gibt es da nicht.

Was heisst das?

Streller: Für mich hat Vali das Potenzial, bei einem der Top-10-Klubs in Europa zu spielen. Aber ich bin überzeugt, dass er irgendwann wieder zum FCB kommt wie ich, Alex Frei oder Beni Huggel. Ich denke, dass dieser Weg auch gut für Vali wäre.

Dann dürften Sie aber nicht mehr aktiv sein.

Streller: (lacht): Vielleicht bin ich dann Präsident oder Sportchef. Im Ernst: Vali ist intelligent genug, um zu einem seriösen Verein zu wechseln. Ein Klub, der ihn schon lange beobachtet, wo Kontinuität drin ist. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber mir würde schon der eine oder andere Verein in Deutschland einfallen.

Also kein Wechsel nach Russland, wo man Millionen verdienen kann?

Stocker: Nein, auch wenn man im Fussball niemals nie sagen soll. Aber das käme für mich nicht in Frage. So blöd das klingt, aber ich spiele Fussball nicht des Geldes wegen, sondern weil ich glücklich sein will. Und ich glaube nicht, dass ich das zum Beispiel in Russland werden könnte.

Streller: Ich auch nicht. Ich hätte in meiner Karriere woanders mehr Geld verdienen können. Aber wir verdienen hier auch gut, und es gibt noch andere Dinge, die wichtig sind. Etwa die Lebensqualität.

Also können Sie zum Beispiel einen Doumbia nicht verstehen, der nach Moskau wechselte?

Streller: Doumbia kommt aus Afrika, da ist es wieder eine andere Sache. Ich denke, dass es für Afrikaner einfacher ist, vielleicht etwas an Lebensqualität einzubüssen. Wir als Schweizer sind unseren Standard gewohnt. Das ist ein Riesenglück und das will man nicht einfach so aufgeben.

Aus einem Hotelzimmer ertönt eine Gitarre. Stocker lacht: «Der Beni wieder.» Huggel spielt «Wonderwall» von Oasis, singt. Streller und Stocker lassen ein paar Sprüche los.

Fragen Sie Marco um Rat, wenn es um einen möglichen Wechsel geht, Herr Stocker?

Stocker: Natürlich frage ich die Leute, die mir nahe stehen wie Streller, Huggel oder Frei, wenn es um ernsthafte Sachen geht. Ich wäre ja blöd, wenn ich das nicht machen würde.

Herr Streller, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie einen Ausverkauf befürchten. Wie kann der FCB das auffangen?

Streller: Da habe ich überhaupt keine Sorgen. Wir haben eine Transferkommission, die einen tollen Job macht und auf alles vorbereitet ist. Dazu haben wir so viele Talente, die nachkommen und ein Gerüst von erfahrenen Spielern, neben denen sich junge Spieler wunderbar entwickeln können. Und mit Thorsten Fink einen Trainer, der Talenten eine Chance gibt. Das ist keine einfache Sache, aber eine grossartige Herausforderung.

An welche Talente denken Sie?

Streller (lacht): Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll. Es sind beim FCB immer wieder Spieler verkauft worden und neue nachgerückt aus dem eigenen Nachwuchs. Jetzt haben wir neben Vali und Shaqiri schon wieder junge Leute mit Granit oder Taulant Xhaka, Pascal Schürpf oder Daniel Unal oder auch einen Sandro Wieser.

Vizepräsident Bernhard Heusler kommt an den Tisch. Stocker sagt bewusst laut: «Und wir haben mit Bernhard Heusler einen grossartigen Vizepräsidenten, der einen Riesenjob macht.» Heusler überlegt kurz, wirft Stocker dann 100 Euro auf den Tisch. «Danke, Vali. So wollte ich dich hören.»

Wie wichtig ist die Champions-League-Quali gerade im Bezug auf mögliche Ab- oder Zugänge?

Streller: Ich denke, enorm wichtig. Wenn man im Mai schon weiss, dass wir garantiert in der Champions League spielen, erleichtert das sicher einiges. Deshalb ist der Meistertitel in dieser Saison für mich der wichtigste aller Zeiten.

Wie sehen Sie die Chancen für den FCB?

Streller: Die Ausgangslage ist sicher besser als im Vorjahr, auch wenn es nicht einfach wird. Denn alle Klubs wissen um diese einmalige Chance.

Wer sind die Hauptkonkurrenten?

Streller: Luzern muss man ernst nehmen. Sie haben mit Rolf Fringer einen Trainer, den ich sehr schätze und der weiss, wie man Titel gewinnt. Er hat schon mit Aarau für eine Sensation gesorgt. Dazu kommen der FCZ, YB und Sion, die eine sehr gute Mannschaft haben. Wenn die mal einen Lauf kriegen, können sie gefährlich werden. Es wird auf jeden Fall ein spannendes Titelrennen, das tut der Liga gut.

Stocker: Das unterschreibe ich genau so. Als Innerschweizer freue ich mich natürlich besonders über Luzern. Früher musste man ja jedes Jahr den Konkurs befürchten, dabei schlummert dort so viel Potenzial. Gerade auch jetzt mit dem neuen Stadion.

Wie weit ist der FCB schon in der Vorbereitung?

Streller: Die ersten Testspiele waren schon sehr ordentlich. Aber man hat gesehen, dass die Klubs, gegen die wir gespielt haben, schon früher in die Saison starten und uns noch die letzte Spritzigkeit fehlt. Aber wir sind absolut im Fahrplan.

Wie sehr ist das Trainingslager für Sie eine Quälerei?

Stocker: Überhaupt nicht. Die Bedingungen hier sind absolut top. Das Wetter, die Plätze, das Hotel. Und wir haben fast bei jeder Übung den Ball dabei. Die Stimmung ist gut – was will man mehr?

Streller: Zum Glück haben wir ein Trainerteam, das so modern denkt. Wir rennen nicht mehr einfach im Kreis wie früher, die Zeiten haben sich geändert. Die Übungen sind sehr abwechslungsreich. Wir haben wirklich Spass. Von Lagerkoller kann keine Rede sein

Letztes Thema: Was glauben Sie, wann es in der Schweiz möglich ist, dass Topspieler gehalten werden können und nicht gleich ins Ausland wechseln?

Stocker: Es gibt in der Super League noch viel Luft nach oben. Man kann sicher noch einiges verbessern. Aber dass man irgendwann zu einer Top-Liga wird, halte ich für unmöglich.

Streller: Vali hat Recht, es gibt noch viel Verbesserungspotenzial. Zum Beispiel muss es doch möglich sein, dass wir Profi- oder Halbprofischiedsrichter bekommen. Wir erwarten Top-Leistungen von ihnen, dabei müssen sie nebenbei einem Beruf nachgehen. Da muss man sie auch mal in Schutz nehmen. Wir trainieren ja schliesslich auch täglich. Und sie zu finanzieren, sollte mit Hilfe von Sponsoren oder den Klubs doch möglich sein. Alles in allem finde ich trotzdem, dass die Super League viel besser ist als ihr Ruf.

Wo würden Sie die Schweizer Liga international einordnen?

Streller: Klar gibt es Spanien, Deutschland und England. Dann Frankreich und Italien und eine russische Liga, die im Kommen ist. Aber ich denke, von Italien und Frankreich sind wir gar nicht mehr so weit weg. Vor Holland brauchen wir uns auch nicht zu verstecken. Wir dürfen uns in der Schweiz nicht immer schlechter machen, als wir sind.





blick.ch

Zuletzt bearbeitet von Bamm-Bamm; 16/01/2011 20:50.

FCB-Fan kasch nid wärde, FCB-Fan das muesch syy