«Wir werden 2010 nicht reich»




FCB-Vizepräsident Bernhard Heusler äusserst sich über Wünsche, Erwartungen und Gefahren nach einem aufwühlenden Europacup-Herbst.




Grossartig war die Stimmung nicht, als der rotblaue Tross gestern Mittag mit rund einstündiger Verspätung zurück nach Basel flog, aber auch nicht derart belämmert, wie dies eine 0:3-Niederlage suggerieren könnte. Richtig aufgestellt wirkte Bernhard Heusler. Vor dem Abflug rollte der 46-jährige Vizepräsident des FC Basel das turbulente und spannende 2010 auf.

Bernhard Heusler, was nehmen Sie mit nach der 0:3-Niederlage gegen die Bayern?
Bernhard Heusler: In München hat uns etwas das Wettkampfglück gefehlt. Der erste wirklich schwere individuelle Fehler wurde sofort und knallhart bestraft.

Und was nehmen Sie mit nach diesen sechs Gruppenspielen in der Sternenliga – fehlt Ihnen etwas?
Natürlich fehlt uns die Qualifikation zur nächsten Runde in der Champions League, das wäre das i-Tüpfelchen gewesen. Aber dafür haben wir bei dem einen oder anderen Spiel unnötig Punkte abgegeben. Ich denke nicht, dass wir hier in München die Achtelfinalqualifikation verspielt haben, das haben wir zu Hause gegen die Roma oder in Cluj getan. Auf der anderen Seite hatten wir in Rom einen Match, der ein bisschen für uns lief, und deshalb muss ich festhalten: Unter dem Strich war das eine gute Champions-League-Kampagne des FC Basel.

Welche Szenen oder welches Spiel haben Sie im Nachgang am meisten geärgert?
Eindeutig die ersten beiden Gegentore im St.-Jakob-Park der AS Roma. Cluj auswärts natürlich auch – aber dass gegen die Italiener die ersten beiden Schüsse gleich ins Tor fliegen, war ärgerlich und unnötig.

Hat sich ein FCB-Spieler besonders entwickelt?
Ich möchte keinen hervorheben. Interessant zu sehen ist aber, wie sich einzelne Profis auf diesem Niveau noch besser konzentrieren, wie sie bissiger sind. Ein Cabral zum Beispiel hat mich beeindruckt. Insgesamt hat die Mannschaft wieder ihre Spielfreude gezeigt, das war toll.

Was muss der FCB tun, um nun in der europäischen Königsklasse den nächsten Schritt zu machen?
Eine spannende und schwierige Frage. Wenn man uns beispielsweise mit den Bayern misst, muss man sich Folgendes bewusst sein: In München wird momentan diskutiert, ob man einem Bastian Schweinsteiger künftig elf oder zwölf Millionen Jahresgage zahlen will. Diesen Schritt können wir nicht machen. Wir müssen auf unserer Ebene konsequent weiterarbeiten, diesen Fussball des Trainers weiterspielen. Man darf sich nicht zum Ziel setzen, als eine der 16 besten Mannschaften in Europa dazustehen.

Sondern?
Mit Exploits andere Teams überraschen und – gerade im eigenen Stadion – den Leuten Freude bereiten, auch in der Super League. Dann kommts gut. Aber es ist ein Trugschluss zu glauben, mit Zusatzinvestitionen könne man einfach die Substanz im Team markant steigern. An solchen Thesen sind schon grössere Vereine gescheitert.

Was heisst das konkret für den FCB?
Die Champions League ist eine Liga, die von der Finanzkraft der Clubs deutlich über unserer heimischen Liga steht. Deshalb müssen wir vernünftig sein. Und darauf hoffen, immer wieder für einen Exploit zu sorgen. Der grösste Fehler wäre, 20 oder 30 Millionen Franken in die Hand zu nehmen und das Gefühl zu haben, wir wären nun gleich stark wie Bayern München.

Was passiert mit der Mannschaft? Kann der FCB Juwelen wie Xherdan Shaqiri oder Valentin Stocker halten?
Das ist in der Tat die dringende Frage für einen Schweizer Club, der in der Champions League spielt und dort sein Niveau steigern will. Das ist eine grosse Aufgabe; wir müssen schauen, dass wir diese Spieler halten können.

Wie soll das funktionieren?
Wir wollen einem Xherdan Shaqiri zeigen, dass es sich lohnt, für den FCB zu spielen. Wir zeigen ihm den richtigen Weg auf; ich denke, er hat es nicht bereut, dass er letzten Sommer in Basel geblieben ist – wenn man den Quervergleich mit anderen Schweizer Supertalenten zieht. Aber: Wenn er gehen will und der Moment da ist, ist das der normale Weg – dann wird er in einer grossen Liga Europas spielen.

Ist das frustrierend?
Nein. Sehen Sie, der FCB spielt seit acht Jahren ständig im Europacup. Darüber müssen wir doch auch stolz sein. Wenn man frustriert ist, macht man Fehler. Deshalb sollten wir uns lieber darauf konzentrieren, aus den eigenen Reihen den nächsten Xherdan Shaqiri zu holen. Daran arbeiten wir.

Der FCB hat in der Champions League bislang knapp 15 Millionen Franken netto eingenommen. Was passiert mit diesem Geld?
2008 haben wir von unserem besten Vereinsjahr der Geschichte geredet. Im Gegensatz dazu haben wir nun in diesem Jahr keine zusätzlichen Transfereinnahmen generiert. Deshalb bleibt nur ein kleiner Betrag hängen; wir werden einen kleinen Gewinn ausweisen. Aber wir werden 2010 nicht reich.

Angenommen, der FCB wird 2011 erneut Meister und spielt in der Champions League – erwarten Sie dann im sportlichen Bereich persönlich mehr von dieser Mannschaft als Platz 3?
Erwarten oder erhoffen muss man immer mehr. Auch dieses Jahr wäre der Sprung in die Achtelfinals ja fast möglich gewesen. 2011 wäre die Ausgangslage tatsächlich hochinteressant; zum ersten Mal wüsste man vor Beginn der Transferperiode, ob der FCB in der Champions League ist oder nicht – dies ergäbe eine ganz andere Verhandlungsbasis mit den vereinseigenen Spielern sowie jenen, an denen man interessiert ist.

Zurück in die Gegenwart, Herr Heusler. Mit welchen Vorstellungen steigen Sie denn im Februar in die Sechzehntelfinals der Europa League?
Zuerst bin ich mal auf den Gegner gespannt … Nach dem Match am Mittwoch in München habe ich mir gedacht, dass wir mit vielen Teams in Europa mithalten können. Überdies kommen wir – erstmals in der Ära Fink – in eine K.-o.-Phase, auch das wird spannend zu beobachten. Ich freue mich auf die Spiele.

Hätten Sie lieber einen grossen Gegner, der das Stadion füllt – oder eher ein namenloser Verein, den man vielleicht leichter aus dem Weg räumen könnte?
Keine Ahnung. Auf die theoretischen Chancen gebe ich nicht viel; nehmen Sie an, wir spielen gegen einen Club aus Osteuropa. Dann heisst es, wir müssen weiterkommen, so oder so. Ich denke einfach: Jede Mannschaft, die schon so weit gekommen ist, hat Potenzial. Deshalb hätte ich persönlich lieber einen attraktiven Gegner.

Was möchten Sie sonst noch loswerden zum Thema Europacup?
Ein Gedanke zu unseren tollen Fans, die zu Tausenden nach München gekommen sind: Sie wurden am Bahnhof gefilzt, sie wurden vor dem Stadion gefilzt, das Polizeiaufgebot war riesig – und in der Allianz-Arena war dann trotzdem wieder Pyrofeuerwerk zu sehen. Wir hören in der Schweiz immer den Vorwurf, dass die Vereine zu wenig streng kontrollieren. Ich denke, diese These wurde am Mittwoch ad absurdum geführt.

Am Sonntag steht in Zürich das 18. und letzte Vorrundenspiel der Super League an. Haben Sie vor der Aufgabe gegen die Grasshoppers Grund zum Meckern, was die Meisterschaft betrifft?
Nein, habe ich nicht. Ich freue mich irrsinnig über den aktuellen zweiten Tabellenplatz. Ich hoffe einfach, dass wir endlich auch mal GC schlagen können. Gelingt uns dies auch noch, haben wir wirklich eine hervorragende Kampagne gespielt. Und selbst wenn wir am Sonntag verlieren, ist die Ausgangslage für den Frühling immer noch sehr gut.

Hatten Sie grosse Bedenken im Sommer, dass der FCB den Spagat nicht schaffen könnte?
Wie soll ich sagen: Die Gedanken, dass die Mannschaft im Herbst einbrechen könnte, waren schon da, das wurde auch von aussen ständig suggeriert. Aber dies war nicht der Fall. Wir hatten relativ wenig Verletzte, davon haben wir profitiert. Und dass der Trainer häufig rotiert hat, kommt uns jetzt ebenfalls entgegen; in München haben wir gesehen, dass die Spieler noch frisch sind.

Somit stellen Sie Thorsten Fink und seiner Crew das beste Zeugnis aus …
Ich bin kein Freund von Eigenlob – und das wäre es indirekt, wenn man dem Trainer ein gutes Zeugnis ausstellt. Er macht einen guten Job, wir machen alle unsere Arbeit, wir machen Fehler. Gesamthaft gesehen müssen wir im Club zufrieden und glücklich sein mit dem Jahr 2010. Double, Champions League, Gruppendritter und nun in der Liga wieder vorne dabei – viel besser könnte es nicht sein.

baz.ch


FCB-Fan kasch nid wärde, FCB-Fan das muesch syy