Fast wie im Krieg – dabei ging es um Fussball




Die Reise nach Gelsenkirchen war für die FCB-Fans eine frustrierende Angelegenheit – nicht nur wegen des Resultats. Die Fans wurden vor dem Spiel von den Sicherheitskräften schikaniert. Eine BaZ-Leserin berichtet.



Mein erstes grosses Auswärtsspiel so weit weg vom heimischen St. Jakob-Park. Die Euphorie war gross, denn es ging ja schliesslich um viel. Nach einer langen Fahrt und anschliessendem friedlichen Zusammentreffen mit Schalkefans auf dem Weihnachtsmarkt, ging es gespannt zur Veltins Arena.

Schon der Shuttlebus wurde von einem Polizeiwagen begleitet. Beim Aussteigen machte sich ein mulmiges Gefühl breit. Nebel, Wasserwerfer, Unmengen an Polizei, ein weisses Zelt und eine riesige Menschenmasse, die sich auch nach längerem Anstehen nur um Zentimeter bewegte. Viele Fans standen schon über eine Stunde in der Kälte. Immer wieder wurde per Lautsprecher ausgerufen: Man solle doch Ruhe bewahren.

Zusammengepfercht wie Tiere

Doch die Stimmung wurde hitziger, denn der Anpfiff nahte. Es wurde enger und enger, die Rufe lauter. Vor dem Zelt wurden die Menschen zwischen Gittern zusammengepfercht wie Tiere. Was genau drinnen geschah, wusste niemand. Ich wurde von den Füssen gehoben, konnte teilweise nicht mehr selbst gehen, wurde hin und her gedrückt und obwohl ich gross bin, bekam ich langsam Panik. Meinen Vater hatte ich schon längst aus den Augen verloren. Riesige Scheinwerfer beleuchteten das Durcheinander und stachen wie grosse Augen aus dem immer dichter werdenden Nebel.

Da von hinten immer heftiger geschoben und gestossen wurde, begannen die Sicherheitskräfte am Eingang dagegen zu drücken, was die Lage aber nicht gerade verbesserte. Schliesslich wurde ich von einem Mann in Leuchtweste ins Zelt gezogen, wahrscheinlich aufgrund meines verzweifelten Gesichtsausdrucks. Im Inneren herrschte ein ziemliches Chaos.

Nicht konsequent

Die Kabinen, welche eigentlich zur «Ganzkörperkontrolle» gedacht waren, blieben leer. Die meisten wurden mehr oder weniger durchgewinkt. Kontrolliert wurde schon gar nicht mehr richtig, nur die zuvor verteilten Fähnchen wurden uns zum Teil weggenommen – mit der Begründung, Plastik sei im Stadion nicht erlaubt, wegen der Brandgefahr. Auf die Frage meines Vaters, ob er jetzt seinen Plastiksack auch abgeben müsse hiess es nur: «Ne, die Tüte kannst du behalten!» Von Konsequenz oder irgendeinem Konzept, keine Spur.

Kurz vor Anpfiff erreichten wir unsere Plätze, doch sehr viele Sitze im Gästesektor waren noch leer. Es herrschte eine aggressive Stimmung, welche hauptsächlich durch die diskriminierende Behandlung am Eingang verursacht wurde. Nicht einmal der Einmarsch der Spieler oder gar die Champions-League-Hymne konnten mir meine anfängliche Freude zurückgeben. Natürlich gaben die Basler Fans gesanglich alles und standen der grossen Überzahl an Schalkener in nichts nach – doch die Stimmung war bei vielen auf Null.

Rache für die Behandlung in Basel

Über das Spiel muss gar nicht viel gesagt werden, dass das 2:0 kein reguläres Tor war, wissen alle. Aber der FC Schalke hat besser gespielt und verdient gewonnen. Nach dem Abpfiff, verliessen viele das Stadion schnell, natürlich in Geleit der Gelsenkirchener Polizei oder vielleicht gar allen Einsatzkräften von Nordrhein-Westfalen. Die Verhaftung eines Basler Fans, der von drei Polizisten mit roher Gewalt zu Boden gedückt wurde, kommentierte ein Mann in Leuchtweste mit den Worten: «Die Schalke Fans sind in Basel auch mit Gummischrot beschossen worden».

Der Weg zum Bus und danach aus der Stadt hinaus, wurde von noch mehr Polizei gesäumt. Alle Geschütze wurden aufgefahren, von der Kavallerie bis hin zu Panzerwagen. Auf der Rückfahrt war die Enttäuschung und die Wut gross. Ich verstehe, dass Sicherheit vorgeht und ich weiss, es gibt Fans in den Basler Reihen, welche durch ihr Verhalten bei der Polizei sicher besser aufgehoben sind. Aber diese Szenen und das Gefühl der Hilflosigkeit und die Ablehung, welche ich dort erlebt habe, werde ich nie vergessen. Das war vorest mein letztes Auswärtsspiel.

https://bazonline.ch/sport/fussball/Fast-wie-im-Krieg--dabei-ging-es-um-Fussball/story/28788485


FCB-Fan kasch nid wärde, FCB-Fan das muesch syy