17.06.2015

Im Historieninterview erzählt Linda Aiken, die ehemalige Frau vom inzwischen verstorbenen George Sagna, dem ersten farbigen Spieler bei 96, über ihre gemeinsame Zeit mit dem Stürmer und ihre Erfahrungen mit Rassismus Ende der 70er Jahre.

Linda, wann und wo hast Du George kennengelernt? Sicherlich erinnerst Du Dich noch genau daran, oder?

Linda Aiken: "Und ob! Ich erinnere mich sehr genau. Es war in der Discothek "Flair" in Hannover. Leider weiß ich nicht mehr genau, wo die war. Ich glaube, ich war mit einer Freundin da. George kam an unseren Tisch und forderte mich zum Tanzen auf. Er war ein guter Tänzer, dazu noch sehr charmant, intelligent und sehr sprachbegabt. In Frankreich hatte George bereits ein Sprachstudium absolviert. Das imponierte mir."

Wusstest Du, dass George als Profifußballer bei Hannover 96 sein Geld verdiente?

Linda Aiken: "Nein, überhaupt nicht. Ich hatte keine Ahnung. Das hat er mir erzählt, als wir das erste Mal richtig verabredet waren. Wir trafen uns in einem Café und plauderten über alles Mögliche. Dabei erwähnte er es beiläufig. Ich war ehrlich gesagt auch nicht sonderlich beeindruckt davon."




Dann kann ich davon ausgehen, dass Dich Fußball nicht sonderlich interessierte?

Linda Aiken: "So ist es. Ich habe erst durch George angefangen, mich für Fußball zu interessieren."

Ich kann mich daran erinnern, dass es damals in den hannoverschen Discotheken, sei es die "Heck-Meck-Gasse", das "Bella (Wuppdich)", die Röhre oder "Mr. Dinks Beerhouse", immer Kontrollen gab, bei denen Ausländer und besonders Farbige häufig draußen bleiben mussten. Habt Ihr damals diese Erfahrung auch gemacht?

Linda Aiken: "Und ob wir diese Erfahrungen gemacht haben. Häufig hieß es dann von den Türstehern auf mich deutend: "Du darfst rein, er nicht". Wir haben das auch mal erlebt, als wir mit einigen anderen 96-Spielern unterwegs waren. Am Eingang der Diskothek gab es wieder die leidige Diskussion um George. Man wollte ihn nicht rein lassen. Ich weiß noch, dass Charly Mrosko mit den Türstehern verhandelte. Als uns dann nach langem Hin und Her der Einlass gewährt werden sollte, hatten wir die Lust verloren und zogen ab."

Wie hat eigentlich Dein persönliches Umfeld, in erster Linie Familie und Freunde auf George reagiert? Gab es blöde oder gar rassistische Kommentare?

Linda Aiken: "Meine Familie hat sehr positiv reagiert. Meine Eltern, ja sogar meine Großeltern, waren sehr tolerant. Meine Mutter sagte nur: "So lange Du nicht mit ihm nach Afrika gehst, haben wir nichts dagegen". Leider gab es aber auch die andere Seite. Arbeitskollegen tuschelten hinter meinem Rücken, so etwas wie "die mit ihrem Schwarzen", was noch einer der harmloseren Sprüche war."

Gab es damals auch schon den heute verwendeten Begriff Spielerfrau? Und wie bist Du mit den Frauen der anderen Spieler ausgekommen? Gab es Kontakte oder gar Freundschaften?

Linda Aiken: "Nein, diesen Begriff im heutigen Sinne gab es nicht - oder zumindest war er mir nicht geläufig. Einige der Spielerfrauen waren recht eingebildet, behandelten mich von oben herab. Ich wurde fast ausnahmslos gemieden, was in erster Linie mit meinem Kontakt zu George zusammenhing. Wie schon erwähnt, Charly Mrosko war so ziemlich der Einzige, der sich auch um George und mich kümmerte. Ach ja: Und Dieter Schatzschneider! Da waren wir zum Polterabend eingeladen. Das war sehr nett, daran habe ich gute Erinnerungen."

Als George im Sommer 1981 zum VfB Oldenburg in die Amateuroberliga- Nord wechselte, habt Ihr drei komplett Euren Wohnort nach Oldenburg verlegt? Gab es außer Eurer Tochter Rodena noch weiteren Nachwuchs?

Linda Aiken: "Aus einer früheren Beziehung hatte ich bereits meine kleine Tochter Jasmin mitgebracht, die George dann als sein Kind annahm. Wir zogen mit unseren zwei Mädchen nach Oldenburg. George spielte Fußball beim VfB und ich schmiss den Haushalt, was mit zwei kleinen Kindern recht stressig war. Im September 1982 kam dann unser zweites gemeinsames Kind Michél Leon zur Welt."




Aber es lief später nicht alles rund, weder sportlich noch privat. Wie ging es dann weiter? Ihr habt Euch getrennt.

Linda Aiken: "Ja leider, es gab Probleme in unserer Ehe, die kaum mehr zu kitten waren. 1984 wurden wir dann geschieden. George verließ danach fast umgehend Deutschland. Der Kontakt riss ab, ich habe ihn nie wiedergesehen. Ich habe 1987 erneut geheiratet und bis 2011 in den USA gelebt."

Was machen Eure beiden Kinder heute und hast Du schon Enkel, die sich auch für Fußball interessieren?

Linda Aiken: "Rodena und Michél Leon leben heute in den USA. Rodena ist Krankenpflegerin und mein Sohn ist Dekan an einer Universität. Jasmin lebt in Hannover. Sie ist Physiotherapeutin. Alle Kinder sind recht sportlich, mein Sohn hat in der Tat in den USA Fußball gespielt."

Du warst neulich beim letzten Spiel der Saison gegen den SC Freiburg, hast hautnah den Nichtabstieg miterlebt. Wirst Du jetzt häufiger wieder ins Stadion gehen oder war das eine einmalige Sache? Glück hast Du Hannover 96 ja gebracht...

Linda Aiken: "Ich komme wieder, keine Frage. Beim nächsten Mal werde ich auch meinen Enkel mitbringen, der sich leider kurz vor dem Spiel gegen Freiburg den Arm gebrochen hatte. Er ist sieben Jahre alt und ein großer 96-Fan. Er sollte eigentlich Hannover 96 Glück bringen, aber dann hab ich das kurzerhand mal übernommen und er macht es dann beim nächsten Mal (lacht)."

Vielen Dank für das Gespräch!

Dsa Interview führte Hans-Heinrich Kellner.

Vita George Sagna

Als im November 2013 die Nachricht vom Tod George Sagnas in Hannover die Runde machte, verlor der Fußball in der Landeshauptstadt, insbesondere der von Hannover 96, eine Figur, die zuvor Geschichte geschrieben hatte. Bereits in der Vergangenheit gehörten zwar immer wieder ausländische Spieler zum hannoverschen Kader, doch die Verpflichtung Sagnas war etwas Besonderes. Erstmals hatten die Roten beim obligatorischen Fototermin des Mannschaftsfotos im Sommer 1978 einen dunkelhäutiger Spieler mit in ihren Reihen. Der aus dem Senegal stammende Stürmer kam damals über den FC Sochaux und einen Pariser Vorortverein zu den Roten. Sagna, der hannoverschen Fußballexperten völlig unbekannt war, hatte im Vorfeld der Saison 1978/79 ein Probetraining bei Hannover 96 absolviert, um das er sich selbst gekümmert hatte. Damaliger Trainer in Hannover war kein geringerer als "Fiffi" Kronsbein, welcher der Verpflichtung des Westafrikaners nach bereits wenigen Trainingseindrücken zugestimmt hatte.

Sein Pflichtspieldebüt in der 2. Bundesliga für Hannover 96 feierte Sagna am 12. August 1978 gegen Rot-Weiß Essen, als er in der 57. Minute für den ebenfalls zur Saison neu verpflichteten Klaus Grässle auf den Platz kam. Ein richtiges Ausrufezeichen setzte der Senegalese am 36. Spieltag, als sich an einem Freitagabend lediglich 2.900 Zuschauer im weiten Rund des Niedersachsenstadions gegen den Wuppertaler SV eingefunden hatten. Peter Hayduk, der ehemalige Angreifer der 96er, hatte den Wuppertaler SV in Führung gebracht, doch innerhalb von 15 Minuten hatte Sagna mit zwei Treffern den 0:2-Rückstand noch zu einem 2:2-Unentschieden gewandelt. Am Ende der Saison reichte es für ihn zu 17 Einsätzen, in denen er fünf Tore erzielte.

In der darauffolgenden Saison setzte er nicht nur seinen sportlichen Erfolg fort. Auch privat fand Sagna sein Glück in Hannover, lernte seine spätere Frau Sieglinde (Linda) in einer damals bekannten Diskothek kennen und lieben. Aus der Ehe entstammen zwei Kindern.


Quelle: www.hannover96.de