Fußball Bundesliga Das denken die HAZ-Leser über 96

Sind die „Roten“ noch zu retten? Die Hoffnung der Fans von Hannover 96 auf den Klassenerhalt schwindet von Spieltag zu Spieltag. HAZ-Leser diskutieren über die Abstiegsgefahr – einige der Leserbriefe haben wir hier zusammengestellt.

Noch ist nichts verloren

Wer war vor einem Jahr nach dem 19.  Spieltag Tabellenletzter? Wo stand diese Mannschaft am Ende der Spielzeit? Und wie haben sich Verein und Fans verhalten? Könnte die HAZ etwas Zivilcourage aufbringen und die 96-Mannschaft mitsamt Trainern und Betreuern unterstützen? Von einer schlimmen Leistung schreiben, kann jeder. Sich über Martin Kind streiten, kann man ja später. Noch ist nichts verloren! Als Mirko Slomka die Mannschaft vor dem Abstieg gerettet hat, ging die Siegesserie erst ungefähr fünf Spieltage vor Schluss los. Also: Denkt an den BVB, die Mannschaft, die vor einem Jahr Tabellenletzter war!
Manfred Wassmann (Hannover)

Besser machen im Unterhaus

Ich sehe das mit der 2. Liga gar nicht so negativ. Die Fehler der Vergangenheit lassen sich in der Bundesliga nicht beheben – also lasst es die „Roten“ im Unterhaus richtig machen.
Christian Hofmann (Hannover)
Zu viel Inkompetenz

Nach überaus schwacher Leistung eines – von der Qualität her – bestenfalls Zweitligateams hat wohl der Letzte festgestellt, dass der erste Kandidat für den Abstieg Hannover 96 heißt. Martin Kind trägt durch katastrophale Personalentscheidungen die Hauptschuld an dieser Misere. Hoffentlich tritt er endlich zurück; mit ihm an der Spitze wird es erst einmal keinen Weg zurück in die Bundesliga geben. Von Vorteil wäre es für 96, wenn die Herren Martin Bader und Christian Möckel ebenfalls sofort verschwinden. Sämtliche Spielereinkäufe in der Winterpause sind ein Griff ins Klo! In der gegenwärtigen Situation Perspektivspieler einzukaufen, ist ja wohl Schwachsinn. Gefordert waren Spieler, die 96 sofort helfen können. Aber was will man von Bader erwarten, der ständig mit Abstieg aus der Bundesliga zu tun hatte? Da hätte man auch Dirk Dufner behalten können. Es tut weh, wenn man sieht, wie viele inkompetente Führungskräfte und schlechte Spieler in diesem Verein tätig sind. 2. Liga – wir kommen.
Helmut Herbst (Quickborn)
Planlos wie ein angeschlagener Boxer

Ich bin mir sicher: In diesem Jahr schließt sich ein Kreis. Als ich 1996 aus Braunschweig (!) nach Hannover umzog, war 96 drittklassig und spielte erstklassig. Eine Mannschaft, die damals „alles auf dem Platz ließ“ (eine Formulierung, bei der mir heute das Frühstückstoast im Hals stecken bleibt), belegte am Ende einer eindrucksvollen Spielzeit den ersten Platz der damaligen Regionalliga Nord. Auch wenn der Aufstieg in die 2. Liga misslang: Die Relegationsspiele gegen Energie Cottbus sind noch heute jedem Fan der „Roten“ in guter Erinnerung. Da waren Spannung, Spiel und Begeisterung für Spieler, die sich mit dem Verein identifizierten, und eine Identifikation der Fans mit einer Mannschaft, die mehr war als ein willkürlich zusammengewürfelter Haufen beliebiger Fußballspieler.

Heute – 20 Jahre später – ist Hannover 96 erstklassig und spielt drittklassig. Der Weg der „Roten“ wird am Ende der Saison in die 2. Bundesliga führen. Und ehrlich gesagt: In der jetzigen Zusammensetzung und mit den aktuellen Leistungen hat 96 wirklich nichts in der Beletage des deutschen Fußballs zu suchen. Zu groß ist der leistungsmäßige Unterschied zu taktisch klug und engagiert aufspielenden „Underdogs“ wie Darmstadt oder Ingolstadt. Die anderen machen etwas aus ihren bescheidenen Möglichkeiten. 96 dagegen gelingt es, bei hervorragenden Rahmenbedingungen ein Team zu formen, das nach zwei Jahren im steten Abstiegskampf nun wie ein angeschlagener Boxer plan- und ziellos in Richtung Unterklassigkeit torkelt.

Fünf Gründe sind aus meiner Sicht für den Misserfolg entscheidend:
1. Mit der Trennung vom herausragenden Sportdirektor Jörg Schmadtke leitete 96 den Anfang vom Ende ein. Auch bei Schmadtke war nicht jeder Transfer Gold, aber die Verpflichtungen von Pogatetz, Abdellaue, Ya Konan, Diouf, Stindl und Zieler gehen auf seine Kappe. Allesamt Spieler, mit denen heute die „Mission Klassenerhalt“ gelingen könnte. Bei der Entscheidung Slomka versus Schmadtke hat 96 sich verzockt – mag es medialer Druck zugunsten von Slomka oder das Gefühl gewesen sein, mit dem als kompliziert geltenden Schmadtke die 96-Zukunft nicht in Ruhe gestalten zu können.

2. Die Verpflichtung von Dirk Dufner als Sportdirektor war nicht annähernd ein gleichwertiger Ersatz. Dufner stellte in den von ihm verantworteten Spielzeiten eindrucksvoll sein fehlendes Händchen bei der Kaderzusammenstellung unter Beweis. Mit den von ihm verpflichteten Spielern arbeitete sich 96 zielstrebig an die Abstiegsregionen heran.

3. Dufner durfte „weiterwursteln“, obwohl nach zwei erfolglosen Spielzeiten, in denen 96 mit Ach und Krach die Klasse hielt, auch der Letzte bei 96 bemerkte, dass mit dessen Spielerverpflichtungen wenig zu gewinnen war. In anderen Vereinen folgt daraus die zwingende Trennung vom Sportdirektor. 96 aber hatte bessere Ideen: Warum nicht den Mann, dessen Abschied beschlossen war, auch noch den Kader für die Saison 2015/2016 zusammenstellen lassen? Warum sollte das, was in den beiden Jahren davor misslungen war, nun nicht endgültig schiefgehen?

4. Michael Frontzeck darf nach dem Klassenerhalt weiter als Cheftrainer ran, obwohl seine sportliche Bilanz wenig Gutes verheißen ließ. Wir danken ihm dafür, dass er fünf Spieltage vor dem Saisonende Ruhe und Gelassenheit vermittelte, einige wertvolle Umstellungen innerhalb der Mannschaft vornahm und sie zum glücklichen Klassenerhalt führte. Eine kluge Entscheidung wäre es dann gewesen, den „Retter“ mit viel Applaus zu verabschieden. Stattdessen stattete 96 Frontzeck mit einem Cheftrainervertrag auch für die aktuelle Saison aus – das sollte sich böse rächen. Die Mannschaft spielte schlecht wie nie und verfügte über kein sportliches Konzept.

5. Völlig misslungene Transfers in der Winterpause: Gut, 96 hat Schaaf geholt. Was der Trainer hier allerdings vorfindet, muss seine kühnsten Albträume übertroffen haben. Ein neuer Sportdirektor, der ein ebenso wenig glückliches Händchen hat wie sein Vorgänger, Spieler, die in der Kabine aufeinander losgehen, und ein vogelwild zusammengewürfelter Haufen, der charakterlich ungeeignet scheint, sich im Abstiegskampf wenigstens nicht vollends zu blamieren. „Gestandene Spieler“ sollten der Mannschaft „sofort weiterhelfen“: Ausgehend von diesem Anforderungsprofil verpflichtete Martin Bader einen Yamaguchi aus der 2. Japanischen Liga, einen Fossum und einen Wolf aus der 2. Liga, einen Szalai und einen Almeida („Ich bin erst bei 50 bis 60 Prozent“). Wie passt das alles in das aufgestellte Anforderungsprofil? Wo ist der unbekannte Kracher, der unerwartete Leistungsverstärker? Mit ambitionierten Nachwuchstalenten mag ein Neuaufbau in Liga 2 gelingen – für den Klassenerhalt genügt dies nicht.

Was bleibt? Die Hoffnung ist geschwunden, bei den Fans, bei der Mannschaft und – erkennbar – auch beim Sportdirektor. 96 ist auf Abschiedstour durch die Stadien der Bundesliga. Eine Erkenntnis, die nicht nur traurig machen muss: wenn die Verantwortlichen den sportlichen GAU als Chance nutzen, Hannover neu aufzubauen. Wie damals, 1996.
Prof. Dr. Florian Heinze (Hannover)


Quelle: www.haz.de