12.04.2016 | 21:45 Uhr
NP-Interview
Hannover: So tickt Stendel - seine Arbeit in Bildern
Daniel Stendel trainiert die 96-Profis nur bis zum Saisonende. Schade eigentlich, denn innerhalb kurzer Zeit bewegt der frühere Stürmer viel in der Mannschaft. In der Bildergalerie können Sie beobachten, wie der Trainer tickt. Im Interview mit der NP erklärt der die Philisophie seiner Arbeit.

Hannover. Stendel setzte sich auf die Trainerbank zum Interview. Am Freitagabend gegen Mönchengladbach wird er dort zum ersten Mal in einem Heimspiel als Bundesligatrainer sitzen. Wobei: Er wird meistens stehen und die Mannschaft "pushen", wie er sagt. „Toller Gegner, fast volles Haus, Flutlicht, geil“, sagte er. Stendel erklärte später, wie wichtig er Manuel Schmiedebach als Typen für 96 einschätzt. „Er ist eine Identitätsfigur, davon haben wir nicht viele“. Dann erläuterte er seine Arbeit.

In unserer Bildergalerie können Sie den die Arbeit des 42-Jährigen noch besser kennenlernen. Er führt neue witzige Spielformen ein: Hochhalten im Strafraum mit einem Kopfballabschluss an die Latte. „Salif, mach vor!“ sagte er zu Sané, weil der wieder herumkasperte. Aber Stendel nutzte die Situation, an der alle Spaß hatten. Sané traf prompt die Latte, fast allen 96-Profis gelang das ebenfalls im ersten Durchgang. Geschrei, Jubel, ein Feuerwerk herumfliegender Bälle – so viel Spaß gabs lange nicht.

Stendel führte auch das Fußballtennis-Match unter Trainern spontan wieder ein. Netze und Spielfeld waren bereits abgebaut, Stendel baute es wieder auf. Gemeinsam mit Colt Sievers kämpfte er gegen Mike Barten und Christoph Dabwoski um Punkte. „Ich will allen zeigen, dass ich dabei bin“, sagt Stendel. Das gelingt ihm überzeugend gut.
Das Interview führte NP-Redakteur Dirk Tietenberg.

Daniel Stendel, Sie betreiben einen großen Aufwand, haben noch Co-Trainer Mike Barten dazugeholt, die Sportpsychologin Frauke Wilhelm. Glauben Sie noch an das Wunder?
Das wird schon schwierig. Wir können jetzt nicht sagen, wir gewinnen gegen jeden. Das Ziel sollte sein, dass wir vom Platz gehen und sagen: Wir haben das Optimale rausgeholt. Wenn es für einen Sieg reicht? Super. Aber es soll uns keiner vorwerfen, dass wir nicht alles investiert haben.
Warum holen Sie eine Sportpsychologin dazu?
Es geht um Trainingsreflexion, um Körpersprache und das Drumherum. Es geht um die letzten Prozent, die man am Ende braucht, um alles leisten zu können. Im NLZ nehmen viele das Angebot wahr. Im Profifußball kommt einem ein weiblicher Psychologe neu vor. Ist es aber nicht. Es geht um den Umgang mit Fehlern und darum, das Selbstbewusstsein zu stärken. Wir wollten den Jungs jetzt die Chance eröffnen. Wenn sie es nutzen: ist gut. Wenn nicht: auch völlig in Ordnung.
Die Mannschaft geht gemeinsam auf den Platz und geht gemeinsam in die Kabine. Warum?
Die Jungs hatten kaum Erfolgserlebnisse. Vieles ist negativ. In so einer Situation müssen wir zusammenstehen und können nicht durcheinanderlaufen. Das sind so kleine Sachen, die ich normal finde.
Wie bereiten Sie Ihre Kabinenansprache vor?
Der Grundsatz ist: Wir wollen das Heft in die Hand nehmen. Es geht um Mut, Leidenschaft und den Willen, sich durchzusetzen, dass wir nie aufgeben. Das versuche ich zu verpacken – und da gibt es immer wieder neue Ideen.
Suchen Sie den Knopf, um den Eintritt in die Seele der Spieler zu finden?
Ich brauche Emotionalität, auch vom Spieler. Es muss keiner was für mich machen. Aber es muss erkennbar sein, dass er Bock hat, auf dem Platz zu stehen, wenn hier 50 000 Zuschauer sind. Dass er Bock hat, Fußball zu spielen, weil das einfach ein geiler Job ist. Ich lebe das vor, ich pushe, ich werde auch laut, aber am Ende will ich erreichen, dass man sich hier nicht als Einzelsportler sieht. Die Spieler sollen auch im Blick haben, was hier alles um sie herum ist.
Sie müssen auch neue Dinge im Blick haben. Den vierten Offiziellen, der Sie schreien hört, die Mikrofone, in die Sie sprechen. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe in Berlin genauso viel reingerufen wie sonst. Bei der Jugend weiß ich, die Spieler kriegen schon mit, wenn ich was hereinrufe. In Berlin habe ich gemerkt: Ich mache das eigentlich nur für mich, mich hört sowieso keiner. Aber es gibt mir ein gutes Gefühl. Und auch die Körpersprache dabei ist wichtig. Ich will den Jungs schon zeigen, dass ich mit dabei bin. Als A-Jugendtrainer hat man ja nicht so viele Interviews. Wenn, dann habe ich mir tausendmal überlegt, wie das rüberkommt. Aber hier habe ich es tatsächlich so gehalten: Ich habe das gesagt, was ich denke. Ich versuche, ehrlich zu sein. Dabei fühle ich mich am wohlsten.
Worauf wird es ankommen, wenn man die Mannschaft für die zweite Liga zusammenstellt?
Man sollte extrem Richtung Mentalität gucken. Beispiele sind Manuel Schmiedebach oder Leon Andreasen, die auf dem Platz vorangehen. Der Verein braucht Identifikation. Der Hauptpunkt ist, wir brauchen Charaktere, die alles auf dem Platz tun. Wir haben richtig gute Kicker hier. Wenn man füreinander da ist, nicht aufgibt, dann kann man viel bewegen. Genau das haben die Jungs in Berlin probiert.
Haben Sie einen Glücksbringer oder einen Talisman?
Ja. Aber ich verrate nicht, was. Ich hatte eine Zeitlang einen Pullover, den hab ich jetzt nicht mehr. Am Ende gehts um das gute Gefühl.
Was hätten Sie gemacht, wenn Sie nach der Karriere nicht Fußball-Lehrer geworden wären?
Ich habe eine kaufmännische Ausbildung gemacht. Das war aber eher so nach dem Motto „Junge, du musst was Vernünftiges machen“. Aber es gab auch mal eine Zeit, da wollte ich Lehrer werden.


Quelle: www.neuepresse.de