Stendel-Interview
"Wir wollen uns noch verstärken"
Über mögliche Neuverpflichtungen, Identifikationsfiguren im Verein, das Aus für Kapitän Christian Schulz, die Probleme von Leon Andreasen, die Euphorie der Fans und sich freischwimmenden Nachwuchsspielern spricht Daniel Stendel, Trainer von Hannover 96, im großen HAZ-Interview.

Hallo Herr Stendel. Am Dienstag geht’s wieder los. Haben Sie zum Trainingsstart alles erledigt, was Sie sich vorgenommen hatten?

Es gibt noch einiges zu tun, aber wir sind dran. Der Plan steht, jetzt geht es darum, die Dinge auch umzusetzen.

Wie sieht denn der Plan aus?

Wir haben genaue Vorstellungen, wissen aus der Vergangenheit aber auch, dass sich nicht alles umsetzen lassen kann und nicht alles immer so läuft, wie man sich das wünscht. Wir sind dennoch auf einem guten Weg.
Ein paar neue Spieler werden die Fans beim ersten Training zu sehen bekommen.

Werden bis zum Saisonstart am 5. August noch welche dazukommen?

Das schließe ich nicht aus. Das Ziel ist es, dass wir uns auf ein, zwei Positionen noch verstärken. Das hängt allerdings auch davon ab, welche Spieler noch gehen oder doch bleiben. Es gibt einige, die auf der Kippe stehen. Da müssen wir abwarten, wie sich das entwickelt.

Stören diese Hängepartien wie bei Salif Sane, Andre Hoffmann und Miiko Albornoz, die alle signalisiert haben, dass sie den Club gerne verlassen möchten, nicht ungemein bei den Planungen?

Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass alle Spieler, die bei uns einen gültigen Vertrag haben, auch hier spielen. Bei den Spielern, bei denen wir die Entscheidung nicht in der Hand hatten, hat sich die Situation ja bereits zum größten Teil geklärt. Ein positives Signal hat Manuel Schmiedebach gesetzt. Er hätte wechseln können, hat sich aber für die Mannschaft und den Verein entschieden. Und nur solche Leute können wir auch gebrauchen.

Echte „Rote“ also.

Wir brauchen Spieler, die mit Leistung auf dem Platz vorangehen, die für 96 stehen. Spieler, die sich mit der Aufgabe hier, mit dem Verein und der Stadt identifizieren. Denn das wird enorm wichtig sein, um in der 2. Liga zu bestehen.

Ist Schmiedebach eine Identifikationsfigur?

Das würde ich unterschreiben.

Gibt es noch andere Spieler, die diese Rolle ausfüllen können?

Ich hoffe, dass einige Spieler da weitermachen, wo sie zum Ende der vergangenen Saison aufgehört haben. Und von einigen, von denen wir mehr erwartet haben, erhoffen wir uns einen Leistungsschub.

Da fällt mir als erstes der Name Oliver Sorg ein.

Ich habe lange mit ihm gesprochen und bin optimistisch, dass er in der neuen Saison eine ganz andere Rolle übernehmen wird. Auf, aber auch neben dem Platz. Er hat auch große Bereitschaft signalisiert.

Mit Christian Schulz und Leon Andreasen haben Sie zwei Spieler aussortiert, mit denen sich die Fans viele Jahre identifiziert haben. Warum?

Beides sind sehr verdiente Spieler für den Verein, keine Frage. Ich konnte Christian aber nicht versprechen, dass er in der 2. Liga spielen wird. Und ihn nur als Identifikationsfigur dazuzunehmen, wäre nicht fair gewesen. Wir haben ihm angeboten, sich im Verein zu engagieren, er hat gesagt, dass er noch spielen will. Das ist seine Entscheidung, die Tür bei uns ist jedenfalls noch offen.

Und Andreasen?

Er ist ein Typ, den jede Mannschaft gut gebrauchen kann. Aber er muss spielen können – und das ist nicht absehbar. Er ist zurzeit in Dänemark in der Reha und wird sich melden, wenn er wieder fit ist. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht.

Auf welchen Positionen gibt es noch den größten Handlungsbedarf?

In der zentralen Achse schauen wir intensiv, wie wir uns da noch verstärken können. Wenn wir von Beginn an eine gute Rolle spielen und das Ziel Aufstieg erreichen wollen, müssen wir auch in der Breite gut aufgestellt sein. Da sind wir dabei, das umzusetzen.

Wie sehr schmerzt der Abgang von Hiroshi Kiyotake?

So einen Spieler findet man nicht so leicht, schon gar nicht für die 2. Liga. Wir haben mit Sebastian Maier (Neuzugang vom FC St. Pauli, d.Red.) einen Spieler verpflichtet, der diese Position spielen kann. Von Iver Fossum erwarte ich eine Menge. Er hat in der norwegischen Liga bewiesen, dass er viel Offensivpotenzial hat und auch Tore machen kann.

Anfang April waren Sie noch Trainer der U19, jetzt sollen Sie als Cheftrainer der Profis 96 wieder in die Bundesliga führen. Beschreiben Sie doch mal, wie Sie diese vergangenen Monate erlebt haben?

Die Zeit ist gefühlt so schnell vorbeigegangen (schnipst mit den Fingern, d.Red.). Wenn ich daran denke, was seitdem alles passiert ist, unglaublich. Viel Positives, viel Spaß, viel Neues – das war schon Highspeed. Aber das ist ja auch das, was ich gewollt habe.

Mit dem Satz „Ich habe Bock“ haben Sie bei vielen Fans nach den vielen Enttäuschungen für ein neues, positives 96-Gefühl gesorgt.

Nüchtern betrachtet war das die Ausgangsposition – und daran hat sich nichts verändert. Fußball hat mir schon immer Spaß gemacht, als Kind, als Spieler, als Profi, als Jugend- und jetzt als Profitrainer. Das ist einfach ein toller Sport. Und, ja, ich habe immer noch Bock.

Sie haben mit Ihrem offensiven Fußball auch Erwartungen und Hoffnungen geweckt. Haben Sie manchmal auch Angst, zu versagen?

Grundsätzlich bin ich ein Typ, der eher ein bisschen vorsichtiger ist und versucht, vieles zu durchleuchten. Doch in diesem Fall bin ich davon überzeugt, dass wir unser Ziel erreichen. Sicherheit und Zuversicht geben mir meine Einstellung, ich bin felsenfest von unser Art Fußball zu spielen überzeugt. Da kann ich nicht sagen, wir sind kein Favorit, wir wollen nicht aufsteigen. Wir wollen aufsteigen, ich will aufsteigen, das ganze 96-Umfeld will aufsteigen. Klar ist jedoch auch, dass wir das nicht am ersten Spieltag schaffen werden.

Die Euphorie bei den Fans ist riesengroß, was man auch an den 18.500 verkauften Dauerkarten sieht.

Ein schönes Gefühl, dass die Fans gerade auch in schwierigen Zeiten hinter uns stehen. Diese Stimmung wollen wir aber auch am Leben halten. Wir wollen die Leute mit unserem offensiven und aktiven Fußball mitnehmen, wieder mehr auf die Fans zugehen und Identifikation schaffen.

Das ist zuletzt auch durch den Einsatz von jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs gelungen. Bleiben Sie sich da auch in Zukunft treu?

Natürlich müssen wir die richtige Mischung finden, wir können ja nicht mit elf 20-Jährigen über den Platz laufen. Ich war von den jungen Spielern überzeugt und habe ihnen die Chance gegeben. Freischwimmen mussten sie sich selbst. Und wenn sie das nicht zeigen, was ich in ihnen sehe, dann spielen sie auch nicht.

Ein Bonus gibt es für die jungen Spieler also nicht?

Das wäre ja Wahnsinn, wenn ich nicht nur nach Leistung aufstellen würde. Das würde die Konkurrenzsituation ja außer Kraft setzen. Wenn die Spieler das Gefühl haben, es geht nicht nach Leistung, dann machst Du als Trainer etwas nicht richtig. Ich mache nur keinen Unterschied zwischen einem 20-Jährigen und einem 30-Jährigen. Das Kriterium für mich ist Leistung. Wenn ich spüre, dass der Spieler bereit ist, das zu bringen, was ich von ihm erwarte, dann hat er schon mal einen ganz großen Vorteil.


Quelle: www.haz.de