Nach seinem Rücktritt in Hannover: Michael Frontzeck im Interview
"Ich habe erkannt, dass es schwer werden würde"

Am Samstag verlor Hannover 96 gegen den FC Bayern, am Montagvormittag trat Michael Frontzeck als Trainer der Niedersachsen zurück. Im kicker-Interview bezieht der Coach Stellung zu den Beweggründen für seine Entscheidung, spricht über das Potenzial der Mannschaft, Abneigungen seiner Person gegenüber und über die Chance für die 96er, in der Bundesliga zu bleiben.


kicker: Herr Frontzeck, war Ihr Rücktritt in Hannover am Montag eine spontane Entscheidung?

Michael Frontzeck: Natürlich habe ich schon seit einiger Zeit reflektiert, wie meine Situation in Hannover war und wie sie sich entwickeln könnte. Man tauscht sich doch ständig aus, mit der Familie, besonders mit meiner Frau und mit Freunden. Diese Gespräche haben nicht erst am Sonntagabend begonnen. Ein Stück weit ist das alles in den letzten Wochen gereift. Und ein bisschen Bauchgefühl war - wie immer bei mir - auch dabei.

kicker: Sie sind also nicht aus Verärgerung über die ominöse Meldung der "Neuen Presse" über Ihre bevorstehende Entlassung zurückgetreten?


Frontzeck: So ärgerlich und schwer verständlich diese Meldung war: Sie hat nicht dazu geführt, dass ich mich so entscheide. Eine Zeitung kann mich nicht persönlich unter Druck setzen. Die Geschichte war bestenfalls noch einmal ein Zeichen, was um mich herum in Hannover los sein würde, wenn es im Januar wieder losgeht.

kicker: Was hätte Sie denn Ihrer Meinung nach dann erwartet?

Frontzeck: Nun, maßgebend für meine Entscheidung waren diese Fragen: Was passiert im Umfeld? Wie startest du am 4. Januar in die Vorbereitung? Und da hatte ich ganz ehrlich den Eindruck, dass das erste Testspiel im Trainingslager gegen Hertha BSC auch schon mein erstes Schicksalsspiel gewesen wäre. Es ist für Hannover 96 in dieser Konstellation elementar wichtig, sauber in die Rückrunde zu starten. Und das dann begleitet von dem mutmaßlichen Rummel um meine Person? Ich habe erkannt, dass es schwer werden würde.

Es ist für Hannover 96 in dieser Konstellation elementar wichtig, sauber in die Rückrunde zu starten.
Michael Frontzeck

kicker: Hannover steuert auf Abstiegskurs. Welche Fehler haben Sie gemacht?

Frontzeck: Darüber kann man sicher hinterher immer diskutieren. Aber alle großen Entscheidungen würde ich wieder so treffen. Eines war ganz sicher nicht verkehrt: Im Sommer nicht der Versuchung zu erliegen, überhastet Geld für Spieler auszugeben, die vielleicht einen großen Namen gehabt, uns aber nicht weitergeholfen hätten. Für diese Haltung habe ich viel Prügel bekommen, doch es war meine Überzeugung, weitere Investitionen in die Mannschaft lieber später mit Ruhe und Verstand zu tätigen.

kicker: Wie sehr spürten Sie ganz persönlich eine Abneigung gegen Sie?

Frontzeck: Da muss ich differenzieren. Es sind Teile der Medien gewesen, mit deren Art und Weise ich nicht einverstanden bin. Andere haben objektiv und fair berichtet. Auch das Publikum im Stadion war stets in Ordnung, ja sogar sensationell, wie bei unserer Rettung im Sommer. Die Unterstützung war phantastisch. Aber bei der Entscheidung ging es mir auch um das engere Umfeld der Vereinsführung. Das war schon sehr negativ besetzt.

kicker: Hatten Sie auch Bedenken aufgrund der direkten Abläufe innerhalb des Klubs?

Frontzeck: Nein. Intern hätten wir es nach meiner Einschätzung hinbekommen. Mit Martin Bader und Christian Möckel hatte ich bis zuletzt ein intaktes Verhältnis. Wir haben gerade an diesem Sonntag noch gute Gespräche geführt. Ich bin auch zu 100 Prozent überzeugt, dass wir den Klassenerhalt gepackt hätten.

kicker: Hat die Mannschaft die Qualität?

Frontzeck: Mit den jetzt anstehenden Verstärkungen erst recht, aber sie hatte auch vorher schon das Zeug. Deshalb habe ich die Spieler auch nie öffentlich in den Senkel gestellt. Sie haben immer alles rausgepresst, erst jetzt wieder gegen Bayern. Und sie haben immer eine Reaktion gezeigt, wenn es Rückschläge gab.

kicker: Welche zum Beispiel?

Frontzeck: Allein die personellen Probleme. Wir haben nie darauf herumgeritten, aber zweimal ist uns ein elementar wichtiger Spieler wie Hiroshi Kiyotake verletzungsbedingt lange ausgefallen. In einer recht guten Phase kamen dann kürzlich auch Spieler im Aufwind wie Artur Sobiech und Uffe Bech dazu. Wenn sie alle funktionieren und die Kräfte nun neu gebündelt werden, wird Hannover 96 die Klasse halten. Man kann jetzt auch unbelastet in die Rückrunde gehen.

kicker: Welche Reaktionen haben Sie nach Ihrem Aus von der Mannschaft erhalten?

Unsere Rettung im letzten Spiel damals am 23. Mai war ein für mich unvergessliches Erlebnis.
Michael Frontzeck

Frontzeck: Die üblichen, viele SMS und so weiter. Aber die Spieler sollen nun ein paar Tage Urlaub machen. Sie sind dann sicher in der Lage, sich schnell auf die neue Situation umzustellen.

kicker: Was bleibt Ihnen aus Ihrer knapp neunmonatigen Tätigkeit in Hannover haften?

Frontzeck: Vor allem, dass es eine komplizierte, aufreibende Zeit war, die ich aber auch nicht missen möchte. Unsere Rettung im letzten Spiel damals am 23. Mai war ein für mich unvergessliches Erlebnis.

kicker: Wie geht es Ihnen gerade und wie geht es für Sie weiter?

Frontzeck: Ich fühle mich den Umständen entsprechend gut, nach einer Trennung ist man logischerweise immer ein bisschen traurig. Ich hatte mich ja grundsätzlich auf die Rückrunde in der Bundesliga und die Arbeit mit der Mannschaft gefreut. Schauen wir mal, wie es weitergeht. Ich bin jedenfalls mit mir im Reinen und jetzt auch nicht so müde, dass ich eine Auszeit bräuchte.


Quelle: www.kicker.de