13.07.2016 | 09:25 Uhr | Dirk Tietenberg
NP-INTERVIEW
Hannover 96: Anton will in den Mannschaftsrat
Vom Jugend- zum Führungsspieler: Die Entwicklung von Waldemar Anton ist rasant. Der 19-Jährige übernimmt Verantwortung für andere junge Spieler.
NORDERNEY. Den Charakterzug haben ihm seine Eltern Olga und Alexander (ein früherer Leistungsschwimmer) mitgegeben. Er ist als Innenverteidiger gesetzt.

Vom Mühlenberger SV zum Profi, wie fühlt sich das eigentlich an?
Sehr gut, weil das schon immer mein Traum war, in der Bundesliga zu spielen. Ich wollte auch meinen Freunden zeigen, dass ich es schaffe, weil sie immer an mich geglaubt haben.

Sind Sie wirklich in Usbekistan geboren? Einige Quellen nennen Engen als Geburtsort.
Ich bin in Usbekistan in Almalyk geboren. Dort kommt auch meine Familie her. Ich weiß auch nicht, warum überall Engen stand.

Welche Sprache sprechen Sie zu Hause? Usbekisch?
Das ist so ein bisschen wie Türkisch. Meine Großeltern sprechen usbekisch, meine Eltern sprechen russisch. Ich kann auch Russisch.

Was, wenn die russische Nationalmannschaft Sie fragt?
Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Aber wenn man die Möglichkeit bekommt, warum nicht?

Gegen Frankfurt hat Thomas Schaaf Sie gebracht, das war von Ihnen weniger gut. Dann schießen Sie das Tor gegen Gladbach. Wie kam es dazu?
Vom Frankfurt-Spiel habe ich mich früh erholt. Ich wusste, ich muss weitermachen, und wusste aus der Jugend, dass das belohnt wird. Gegen Gladbach kam dann die Belohnung.

Haben Sie sich bei dem Jubelfoto von sich erschrocken?
Ehrlich gesagt schon. Aber ich glaube, jeder, der sein erstes Tor gemacht hat, hat sich genauso gefreut und sah dabei genauso blöd aus auf dem Bild wie ich.

Sie haben Fynn Arkenberg auf dem Platz geholfen, als er sein Debüt gab. Entspricht das Ihrem Naturell?
Als ich zum ersten Mal eingewechselt wurde, haben mir alle anderen auch geholfen. Ich wollte dasselbe für Fynn tun, damit er nicht so ein Spiel macht wie ich gegen Frankfurt. Hat ja auch geklappt.

Per Mertesacker hat auch sein erstes Spiel verhunzt und wurde ein Weltklasseverteidiger. Hilft Ihnen das?
Das haben meine Freunde mir auch gesagt, dass Mertesacker genauso schlecht gespielt hat wie ich. Und jetzt wissen wir alle, was er alles erreicht hat.

Welche Spieler haben Sie als Vorbild?
Als ich noch Stürmer in Mühlenberg war, habe ich mich an Roy Makaay orientiert. Als ich zu 96 in der U 14 kam, bin ich immer mehr nach hinten gerutscht und wurde Sechser oder Verteidiger. Mir gefällt Piqué. Er hat ein Super-Passspiel und ein Super Stellungsspiel.

Wie wichtig ist Trainer Daniel Stendel für Sie?
Der Trainer kennt mich, und ich kenne den Trainer. Ich war in der Jugend unter ihm Kapitän. Es war schön für mich, dass ich unter ihm die ersten Spiele von Beginn an bekommen habe.

Hat sich Stendel als Profitrainer verändert?
Nein. Er ist genauso wie im Jugendbereich. Er ist sehr emotional im Training und im Spiel. Das ist ein starker Charakterpunkt.

Sie sind jetzt als Innenverteidiger oder Sechser gesetzt. Wird man da anders wahrgenommen?
Mir war wichtig, dass man in der Mannschaft nicht nur als junger Spieler abgestempelt wird. Das hat gut funktioniert. Nach den ersten Spielen fühlt man sich sicherer, kann auch mal was sagen.

Es gibt viele junge Spieler bei 96. Am Ende könnten alle Jungen Sie in den Mannschaftsrat wählen. Können Sie sich die Rolle vorstellen?
Ich würde jetzt nicht Nein sagen dazu. Wenn ein junger Spieler ein Gespräch sucht, sich vielleicht nicht traut, mit den Älteren zu sprechen, kann es vorteilhaft sein, wenn man einen jungen Spieler im Mannschaftsrat hat. Das entscheidet natürlich die Mannschaft. Aber ich würde mir das zutrauen.

Woher kommt dieser Sinn für Verantwortung?
Das liegt an der Erziehung. Ich musste früh viele Aufgaben übernehmen, die sonst die Eltern machen. Abwaschen, aufräumen oder Papiere erledigen, weil ich gut Deutsch konnte.

Ziel von 96 ist der Aufstieg?
Das Ziel hat jeder. Aber wir dürfen uns nicht verrückt machen, müssen von Spiel zu Spiel denken. Wenn man sich unter Druck setzt, fehlen ein paar Prozente. Aber klar möchte man aufsteigen, jedem zeigen, dass man es schafft.

Wem?
Denen, die uns abgeschrieben haben. Und meinen Freunden, die auch ab und zu in der Kurve stehen.


Quelle: www.neuepresse.de