96-Kapitän Christian Schulz im Interview "Hier ist niemand, der Ansprüchen nicht gerecht wird"

Hannover 96 startet in die Rückrunde: Im Spiel gegen Darmstadt steht viel auf dem Spiel – vor allem das neue Selbstvertrauen, dass sich das Team um Trainer Thomas Schaaf in den vergangenen Wochen erarbeitet hat. Christian Schulz spricht im Interview über die Stimmung im Team, seinen Eindruck vom neuen Coach – und den Respekt vor Hugo Almeida.

Hallo Herr Schulz, wann haben Sie zum letzten Mal in der Kabine oder beim Training so richtig herzhaft gelacht?

Habe ich nicht gerade erst in der Kabine herzhaft gelacht? Kann aber kein richtiger Brüller gewesen sein, sonst würde ich mich erinnern (lacht).
In den vergangenen Wochen und Monaten ist die Mannschaft oft kritisiert worden, zuletzt wurde viel über die Wintertransfers gemeckert. Sind Sie genervt von der ewigen Nörgelei?

Man muss verstehen, wie so etwas läuft. Ein 20-Jähriger kann das vielleicht noch nicht, aber wenn man wie ich länger dabei ist, dann weiß man, wie das funktioniert. Stehst du unten, ist fast alles schlecht, dann wird viel genörgelt. Das gehört zum Geschäft, man lernt irgendwann, damit umzugehen und es richtig einzuordnen. Das gilt natürlich auch für Phasen, wo alles gut läuft. Und was die Neuen betrifft: Alle, die bei 96 unter Vertrag stehen, haben eine Berechtigung, hier zu sein, weil sie schon ihr Potenzial gezeigt haben. Hier ist niemand dabei, der den Ansprüchen nicht gerecht wird.
Dann lassen sie uns zur Abwechslung über Positives reden. Sie sind der Kapitän, was gibt es Positives zu berichten von der Mannschaft kurz vor dem Rückrundenstart?

Es ist deutlich zu spüren, dass ein guter Geist in der Mannschaft ist. Deshalb sehe auch ich der ganzen Sache positiv entgegen.
Und wie macht sich der neue Trainer?

Thomas Schaaf trägt auch seinen Teil dazu bei. Es sind viele neue Sachen auf die Mannschaft zugekommen, aber man merkt, dass die Fragezeichen, die immer auftauchen, wenn einer mit neuen Ideen kommt, von Tag zu Tag weniger werden.
In den Testspielen im Trainingslager in Belek wirkte die Mannschaft so, als sei sie noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Gab es in den letzten Tagen Fortschritte?

Man konnte in diesen Spielen sehen, was für eine Spielidee der Trainer hat, und dass wir noch nicht in der Lage waren, sie vollständig umzusetzen. Beim Training in dieser Woche haben viele Dinge schon viel besser geklappt. Gegen Darmstadt wird dennoch nicht alles hundertprozentig funktionieren. Wir schauen, dass wir das so gut es geht hinkriegen und das Spiel gewinnen. Darauf wollen wir dann in den nächsten Wochen aufbauen.
Darmstadt bereitet vielen Bundesligisten Probleme. Was macht dieses Team so gefährlich?

Dass sie nichts zu verlieren haben. Jeden Punkt, den sie holen, feiern sie, als wenn sie schon den Klassenerhalt geschafft hätten. Sie spielen halt wie ein Aufsteiger und setzen ihre Mittel gut ein.
Und was hat 96 zu verlieren?

Deutlich mehr als Darmstadt. Wir sind jetzt seit 14 Jahren ein Teil der Bundesliga, da hat man mehr zu verlieren als ein Aufsteiger, der noch vor zwei Jahren in der 3. Liga gespielt hat.

Wie steht’s mit dem Selbstvertrauen? Das ist enorm wichtig, lässt sich aber dummerweise nicht trainieren.

Das muss sich jeder selbst aus guten Aktionen und guten Trainingseinheiten holen. Dass in der momentanen Situation nicht jeder mit riesigem Selbstvertrauen durch die Gegend läuft, ist klar. Dennoch wird jeder gegen Darmstadt mit einer breiten Brust auflaufen und sagen: „Das Spiel gewinnen wir.“
„Ich werde die Mannschaft am Wochenende zutexten“, hat Trainer Schaaf gesagt. Kriegt man das beim Spiel überhaupt mit?

Klar. Schwierig wird es nur bei Anweisungen für die gegenüberliegende Seite. Da geht manchmal etwas verloren, so wie wenn man "Stille Post" spielt. Aber die meisten Hinweise und Ansagen gibt es ja im Training. Und da helfen sie uns zurzeit sehr.
Sie haben unter Schaaf schon in Bremen gespielt. Hat er sich verändert?

Eigentlich nicht, die Idee vom Fußball ist immer noch die gleiche. Warum sollte er sich auch ändern? Er hat in Bremen ja sehr viel Erfolg gehabt.
Viele vermissen in der Mannschaft einen Führungsspieler, der die anderen mitreißt. Wer könnte die Rolle übernehmen? Vielleicht ein erfahrener Profi Hugo Almeida?

Jeder kann noch ein bisschen mehr aus sich rausholen, sonst wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. Hugo ist ein Spieler, der mit seiner Statur und auch seiner Vita auf den Gegner wirkt. Wenn man als Verteidiger weiß, dass da einer kommt, der etwas auf dem Kerbholz hat und seine Stärken im körperlichen Bereich besitzt, das macht schon Eindruck.
Und welcher Stürmer hat Sie am meisten beeindruckt?

Wenn man weiß, dass Aubameyang auf einen zukommt, das wirkt schon. Da bereitet man sich schon ein bisschen anders darauf vor.
Im Vergleich zu den vielen anderen Teams, die um den Klassenerhalt spielen, weiß 96 wie Abstiegskampf geht. Ein Vorteil?

Es kommt darauf an, wie die anderen Teams mit der Situation umgehen. Ich denke nicht, dass sich eine Mannschaft, die auf Platz 12 steht, sagen kann, dass sie schon raus ist. Da unten ist es so eng, da kann viel passieren. Wir wissen, dass es so nicht bleiben darf, weil wir sonst abgestiegen wären. Andere Mannschaften sagen sich vielleicht: „Och, sieht doch nicht schlecht aus, da sind noch sechs Teams hinter uns, da können wir es ein bisschen ruhiger angehen lassen.“ Das ist der falsche Weg, diese Erfahrung haben wir selbst in der vergangenen Saison gemacht. Denn wenn’s kritisch wird, dann musst du den Hebel erst einmal umgelegt bekommen.


Quelle: www.haz.de