Hannover 96 Ist selbst anständig absteigen zu viel verlangt?

Nach dem 0:3 gegen den Hamburger SV am Sonnabend ist Hannover 96 auf Abschiedstour. Die Fans der "Roten" sind nicht mal mehr richtig wütend – sie scheinen, genau wie die Mannschaft, längst resigniert zu haben. Als die Profis nach Spielende in Richtung Kabine trotteten, gab es für sie „Auf Wiedersehen“-Rufe.

Hannover. Es waren noch zehn Minuten zu spielen im Bundesliga-Nordderby zwischen Hannover 96 und dem Hamburger SV, als aus der Nordkurve ein Fußballlied erklang, das im Stadion zu den seligen Europa-League-Tagen ein Hit und häufiger zu hören war. „Oh, wie ist das schön“, sangen 96-Fans in der Kurve, überall auf den Tribünen stimmten Menschen mit roten Trikots ein.

Zu diesem Zeitpunkt lag 96 bereits mit 0:3 hinten, und die Hannoveraner unter den 49.000 Fans in der ausverkauften HDI-Arena reagierten sehr unterschiedlich. Viele verließen nach dem dritten Gegentor fluchtartig ihre Plätze und machten sich auf den Heimweg, andere blieben bis lange nach dem Abpfiff niedergeschlagen und wortlos sitzen – oder sangen eben hämisch, wie schön es bei 96-Spielen ist, obwohl schon seit Wochen nichts mehr schön ist.

„So was hat man lange nicht gesehen, so schön, so schön.“ So geht der Liedtext weiter, und zumindest das war falsch: So etwas wie in der Schlussphase gegen die lange Zeit bei der Pannenproduktion ähnlich fleißigen Hamburger gab es bei 96 in fast jedem Heimspiel zu sehen. Wie so oft nach einem Gegentor ließen die Spieler nach dem 0:1 durch Cleber (61. Minute) kollektiv die Köpfe hängen, stellten den Widerstand sofort ein und bemühten sich erfolgreich darum, die Hamburger Ivo Ilicevic (73.) und Nicolai Müller (75.) bei den weiteren Treffern nicht zu stören.

Es gibt Teams, die wehren sich gegen Rückschläge und Niederlagen mit Wut und Trotz und Willen. Und es gibt Hannover 96, eine Mannschaft, für die das Wort Resignation erfunden wurde.

Die „Roten“ haben mehr Probleme als Punkte, jedes für sich ist eines zu viel, um auch nur den Hauch einer Chance auf den Klassenerhalt zu haben. Das größte Problem aber ist: Diese nicht erstligataugliche Mannschaft ist den meisten Menschen lange vor dem Saisonende egal geworden. Bereits in der ersten Halbzeit, als 96 gewiss nicht schlechter spielte als der HSV und zumindest ein Bemühen nicht abzusprechen war, herrschte eine fast gespenstische Atmosphäre im vollbesetzten Stadion.

Ja, es gab Applaus, wenn der fleißige Hiroki Sakai über den Rasen grätschte, und es war ein Raunen zu hören, als Hugo Almeida mal knapp vorbeischoss. Das alles aber wirkte eher pflichtschuldig, genau wie in der Schlussphase, als alles verloren war.

Es gab ein paar Pfiffe, es wurde etwas rumgebrüllt oder daran erinnert, dass bis auf Torwarttrainer Jörg Sievers alle gehen können; auch die „Kind-muss-weg“-Rufe durften nicht fehlen. Aber sich so richtig ärgern, empören, wütend sein, alles das, was man als Fan halt so macht, wenn man von seiner großen Fußballliebe bitter enttäuscht wird, das fehlte.

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Auch 2014 und 2015 war 96 in den Abstiegskampf geraten, aber mit jedem Spiel weniger wuchs im Laufe der Saison der Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Publikum. In dieser Saison ist es umgekehrt: Mit jeder Niederlage und jeder weiteren Enttäuschung hat man sich voneinander entfernt, nach dem 0:3 gegen den HSV wünschen sich die meisten Menschen in Hannover nur noch, dass es endlich vorbei ist. Doch noch sind es sechs Spiele, drei davon zu Hause.

96 ist auf Abschiedstour aus der 
1. Liga. Über einen möglichen Klassenerhalt redet niemand mehr. Man müsse sich als Mannschaft schon fragen, „ob wir die letzten sechs Spiele einfach so weitermachen wollen“, sagte Torwart Ron-Robert Zieler. „Es geht auch darum, sich anständig aus der Liga zu verabschieden.“ Anstand, den einige 96-Fans den Spielern nicht mehr zutrauen. Schon vor dem Spiel gab es Plakate, in denen sie als „Versager“ oder „Legionäre“ bezeichnet wurden. Als die Profis nach Spielende in Richtung Kabine trotteten, gab es für sie „Auf Wiedersehen“-Rufe.

Auf Wiedersehen aus der 1. Liga.


Quelle: www.haz.de