23.09.2015, 23:30
Kommentar von kicker-Redakteur Thiemo Müller
Frontzeck und das Prinzip Hoffnung

Hannover, Gladbach, Stuttgart: Drei Krisenklubs, drei unterschiedliche Gemütslagen. Nach dem 6. Spieltag befinden sich vor allem die 96er in einer Negativspirale. Angesichts der Fehlerliste und Versäumnisse, bleibt scheinbar nur eines: das Prinzip Hoffnung.


Für den Paukenschlag vor diesem sechsten Spieltag hatte Gladbachs Ex-Trainer Lucien Favre mit seinem überraschenden Rücktritt gesorgt. Dieser Schritt wirkte übereilt und wurde vor allem deshalb zu Recht stark kritisiert, weil er nicht mit den Vereinsverantwortlichen abgestimmt war. Dass Favre zumindest aus seiner subjektiven Sicht im Klubinteresse handeln wollte, darf ihm dennoch abgenommen werden.


Und die Reaktion seiner einstigen Schützlinge, die gegen Augsburg loslegten wie von einer Zentnerlast befreit, gibt dem Fußballlehrer zumindest bei kurzfristiger Betrachtung Recht. Der neue Impuls durch Interimstrainer André Schubert genügte, um das brachliegende Potenzial der Borussia endlich wieder einmal zu entfalten. Wenigstens punktuell.

Ein ganz anderer Typ als der impulsive, sprunghafte Favre ist sein Mönchengladbacher Vorgänger Michael Frontzeck. Der ist nach der verdienten Niederlage im Kellerduell gegen Stuttgart jetzt mit Hannover 96 am Tabellenende angekommen - folgerichtiger Tiefpunkt einer seit Wochen absehbaren Entwicklung.
In Hannover regiert die Angst - Frontzeck gibt sich furchtlos

Schon seit der Vorbereitung spielen die Niedersachsen fast durchgehend wie ein sicherer Absteiger. Von einer (vermeintlichen) Kurzschlussreaktion à la Favre scheint Frontzeck dabei weit entfernt. Ganz im Gegenteil: Während sich im und um den Klub nackte Angst breitmacht, strahlt der noch Ende vergangener Saison als Retter gefeierte Coach weiterhin Seelenruhe aus.

Gebetsmühlenartig beschwört Frontzeck Geduld mit seiner Mannschaft. Obwohl sich die Anzeichen mehren, dass dieses Ensemble in der Bundesliga über die Saison gesehen kaum wettbewerbsfähig sein wird. Sich weiterhin vor seine Profis zu stellen, mag einer ehrenwerten Haltung entspringen - indes erntet Frontzeck bisher von seinem Team keinerlei Gegenleistung in Form von Leidenschaft, Geschlossenheit oder gar spielerischer Sicherheit.

Die Antwort auf die Frage, ob ein anderer Trainer momentan mehr herausholen würde, ist hypothetisch. Doch Frontzeck tut derzeit nichts, um seine Position zu stärken. Sein häufig wiederholter Hinweis, erst nach etwa zehn Spieltagen sei ein seriöses Urteil über grundlegende Entwicklungen zu treffen, wirkt im knallharten Tagesgeschäft Profifußball weltfremd.
Dufners Erbe

Hannover, so scheint es, ist nicht nur tabellarisch am Ende. Schuld trägt daran ganz gewiss nicht nur Frontzeck. Sondern noch mehr die Transferpolitik von Ex-Manager Dirk Dufner. Warum dieser überhaupt noch mit dem Umbruch des Kaders betraut worden war, bleibt unterdessen das Geheimnis von Klubchef Martin Kind. Derweil trägt Frontzeck die Verantwortung dafür, Ende August noch mögliche Verstärkungen abgelehnt zu haben.
Stuttgart: ein Konzept als Ruhe-Basis

Für den VfB Stuttgart könnte der Erfolg am Mittwochabend nach fünf Niederlagen in Folge dagegen der ersehnte Befreiungsschlag sein. Die Mannschaft von Alex Zorniger hatte schließlich schon vorher selten wie ein Abstiegskandidat gespielt, sondern trat des Öfteren besser auf als ihr jeweiliger Besieger, etwa beim 2:3 in Hamburg oder beim jüngsten 0:1 gegen Schalke. Zorniger hat bewiesen, seiner Mannschaft auch in relativ kurzer Zeit ein Konzept vermitteln zu können.


Die Geduld, die beim VfB aufgebracht wurde und wird, fußt daher auf einer klar erkennbaren Basis. In Hannover dagegen regiert einzig und allein das Prinzip Hoffnung. Wenn überhaupt.


Quelle: www.kicker.de