20.01.2016 | 10:00 Uhr | Dirk Tietenberg
NP Interview
Hannover 96: „Die Mannschaft saugt alles auf“
Der Kapitän spricht! „Über mich weiß man doch schon alles“, sagt Christian Schulz (32). Aber niemand bei 96 kennt sich besser aus mit Trainer Thomas Schaaf und dem neuen Stürmer Hugo Almeida.

Hannover. Christian Schulz, früher in Bremen, jetzt bei 96: Haben Sie vieles bei Thomas Schaaf wiedererkannt?

Aber ja. So war er auch in Bremen: mit einer klaren Idee, sehr motiviert, sehr zielstrebig und sehr fordernd. Das gilt sowohl für den körperlichen als auch für den spieltaktischen Bereich. Er hat sich nicht großartig verändert.

Schaaf war bekannt als großer Schweiger. War das nur ein Gerücht?

Auf dem Platz war er immer derjenige, der lautstark etwas einfordert. Da war er nie der große Schweiger. Er möchte was bewegen. Die Mannschaft saugt alles auf. Alle sind sehr aufmerksam, wenn Thomas Schaaf etwas erklärt.

Wie bewerten Sie die Neuen? Was hat sich in der Kabine verändert?

96 musste etwas machen. Wir stehen auf Tabellenplatz 17, wenn es so bliebe, wären wir abgestiegen. Das will keiner. Deshalb investiert man ja auch. Bisher habe ich bei jedem neuen Spieler ein gutes Gefühl. Sicher kennt Hugo Almeida die Idee des Trainers ein bisschen mehr.

Warum wollen eigentlich alle ehemaligen Schaaf-Spieler wieder bei Schaaf spielen?

Weil er eine gute Idee von Fußball hat. Er möchte Situationen spielerisch lösen, attraktiven und offensiven Fußball spielen. Wir haben in Bremen auch schon mal vier Dinger kassiert, aber fünf gemacht. Dafür steht der Trainer, fürs Offensive, das macht dann auch mehr Spaß.

In der Hinrunde war wenig von Spaß zu sehen.

Wenn du keinen Erfolg hast, fällt alles schwerer. Alles! Das fängt morgens mit dem Zähneputzen an, die Situation zieht dich immer ein bisschen runter. Der Spaßfaktor ist gering, du kriegst auf die Mütze, hast Angst, Fehler zu machen. Aber das ist kein Grund wegzulaufen. Deshalb ist ein guter Start wichtig, damit wir eine Euphorie reinkriegen. Eine gewisse Aufbruchstimmung ist da, das spürt man.

Wie spielt Darmstadt? Schmutzig?

So in etwa kann man das beschreiben. Sie lösen vielleicht nicht alles spielerisch, aber sie stehen vor uns. Also haben sie es besser gemacht als wir. Den Vorwurf müssen wir uns gefallen lassen. Deshalb müssen wir am Samstag zeigen, dass wir den Spieß umdrehen können.

Ist Almeida der richtige Spieler als positiver Drecksack, der sich nichts gefallen lässt?

Vor neun Jahren war Hugo in Bremen 22 Jahre. Damals sah er schon so aus wie jetzt: ein Schrank vorne drin. Hugo ist auch unbekümmert, er hat das letzte halbe Jahr nicht mitgemacht. Auf den Effekt hoffen wir bei ihm. Wir wollen, dass er für uns wie auch die anderen Stürmer die Tore macht.

Ihr persönliches Erlebnis mit Hugo Almeida?

Eine Szene habe ich vor Augen, gegen Hertha. Es gab einen Freistoß kurz vor dem Sechzehnmeterraum. Ich glaube, der Torwart hat den Ball erst gesehen, als er im Tor war. Hugo hat mit so viel Krawallo abgezogen, der Torwart hat die Hände gar nicht mehr hochbekommen, da war der Ball schon drin. Schade, dass es damals noch keine Messungen gab.

Bedeutet Schaafs Offensive auch mehr Arbeit für Sie?

Nicht, wenn man es hinbekommt, wie der Trainer es möchte. Die Mittelfeldspieler in einer möglichen Raute sind da eher gefordert, sie müssen sehr viele Läufe machen, auch die Außenverteidiger. Es wird aber wohl ein bisschen dauern, bis alle Abläufe auch im Kopf angekommen sind.

Was geht in Ihrem Kopf vor? Ihr Vertrag endet im Sommer mit dem dritten Abstiegskampf in Serie. Reicht Ihnen das langsam?

Nein, Abstiegskampf gehört zur Liga. Ich kann mir ja nicht die Rosinen rauspicken. Wenn ich um die Meisterschaft spielen wollte, müsste ich zu den Bayern gehen. Dafür reichts leider nicht mehr (lacht). Man muss die Situation einfach annehmen. Von daher: Das ist kein Grund für mich, nein zu sagen zu einer Vertragsverlängerung. Ich fühle mich wohl hier.

Täuscht der Eindruck, oder denken Sie gar nicht über Ihr Karriereende nach?

Ich denke nicht daran, nein. Es bringt mir auch nichts. Ich habe mich mal mit dem Thema befasst, einen Trainerschein zu machen. Aber ich habe als Profi und Familienvater keine Zeit dazu. Egal, wie schlecht die Situation ist: Ich könnte mir keinen besseren Job vorstellen. Warum sollte ich die Schuhe an den Nagel hängen?

Weil man als junger Papa aufhört, bevor der Körper einen zwingt?

Diese Entscheidung kann einem keiner abnehmen. Solange ich mich gut fühle und nicht das Gefühl habe, dass ich nach zehn Minuten zusammenbreche, mache ich weiter.

Aber das Papa-Dasein tut Ihnen gut?

Ja, das ist eine schöne Sache. Man lässt dadurch auch ein paar schlechte Emotionen vor der Tür. Und es ist die Zukunft, das muss man auch so sagen.


Quelle: www.neuepresse.de