Raphael Holzhauser

Endlich Vollgas: Holzhauser packt’s an



Man könnte die Situation von Raphael Holzhauser (19) beim VfB vielleicht mit der Schule vergleichen. Da gibt es einen Schüler (Holzhauser), der so ziemlich alles draufhat. Der von Haus aus ein bisschen weniger tun muss, weil er talentierter ist als die anderen. Ein kleines Genie ist dieser junge Mann – das Problem aber ist, dass er bisher ein ziemlich schlampiges war. Er hätte locker eine Eins mit Sternchen absahnen können. Es blieb aber bisher nur bei einer Drei plus. Weil er zu wenig an sich gearbeitet hat. Lehrer verzweifeln oft an solchen Typen, weil sie so viel mehr können, als sie tatsächlich abrufen. Ein bisschen mehr Wille, ein bisschen mehr Biss – und es wären ­Musterschüler, auf die sie stolz wären.

Die Verantwortlichen beim VfB waren in der Vergangenheit nicht stolz auf Raphael Holzhauser. Sie waren zwar nicht maßlos verärgert wegen ihm. Sie dachten auch nicht daran, ihren Mittelfeldmann bei einem anderen Club unterzubringen. Eines aber klang in ihren Botschaften immer durch: Wenn der Bursche nur ein bisschen mehr an sich arbeiten würde. Der hat doch alles drauf. „Raphael hat alle Anlagen – aber Talent ist nur das eine, man muss es auch ausschöpfen“, sagte etwa Manager Fredi Bobic.

In der Bundesliga reichte es nur zu zwei Kurzeinsätzen kurz nach der Winterpause

29 Drittligaspiele machte Holzhauser in der vergangenen Saison. Das Talent aus Österreich war Stammkraft unter Trainer Jürgen Kramny, nachdem er im Sommer 2011 mit einem langfristigen Profivertrag bis 2015 ausgestattet worden war. „Raphael hat letzte Runde aber leider sehr wechselhaft gespielt“, sagt Kramny im Rückblick.

In der Bundesliga reichte es nur zu zwei Kurzeinsätzen kurz nach der Winterpause. Jetzt, in der neuen Saison, ist Holzhauser fester Bestandteil des Bundesligakaders. Wenn man so will, hat er so etwas wie einen großen Sprung gemacht – und doch schwingt die Geschichte mit dem schlampigen Genie irgendwie immer noch mit.

Die großen Fragen lauten: Hat das Genie seine Lektionen gelernt? Und arbeitet es endlich härter an sich? Die gute Nachricht: Beim Mittelfeldmann selbst scheint es klick gemacht zu haben. Er gibt sich im Trainingslager in Donaueschingen lernwillig, motiviert – und ehrgeizig. „Ich will die Bälle mehr fordern, ich muss dynamischer und explosiver werden“, sagt er, „ich will Gas geben und so viele Spiele wie möglich machen. Ich will beim VfB den Durchbruch schaffen.“ Dafür schuftete Holzhauser auch im Urlaub schon ordentlich – auf Ibiza absolvierte er neben den Vorgaben des Trainerstabs noch ein zusätzliches Krafttraining, um körperlich stabiler zu werden.

Endlich Vollgas – Holzhauser packt’s an.

„Kollegen und Gegenspieler müssen mehr Respekt vor ihm bekommen“, sagt Berater Alexander Sperr, „er ist mit 1,93 Metern ja schon sehr groß – jetzt galt es, an Muskelmasse zuzulegen. Raphael muss in den Zweikämpfen noch mehr seinen Mann stehen.“

Auch Sperr weiß um die Problematik mit Holzhausers Arbeitseifer – er sagt, dass sein Schützling die Lektion gelernt habe: „Vom Kopf her hat er zuletzt einen enormen Sprung gemacht. Er weiß jetzt, auf was es ankommt. Jetzt gilt es, körperlich zuzulegen.“ Die Konkurrenz im zentralen Mittelfeld des VfB ist groß. William Kvist, Zdravko Kuzmanovic, Christian Gentner – es wird schwer für Holzhauser, an den gestandenen Profis vorbeizukommen. „Es liegt alles an Raphael“, sagt Sperr, „er muss dem Trainer einfach das Gefühl geben, dass er auf ihn bauen kann, wenn jemand verletzt ausfällt.“

„Wir denken nicht an einen Wechsel und setzen da auch keine Fristen“

Wer Sperr so zuhört, bemerkt schnell, dass die forschen Töne aus dem Frühjahr der Vergangenheit angehören. Damals forderte der Berater mehr Einsatzzeiten für Holzhauser in der Bundesliga und kokettierte mit Angeboten anderer Clubs. Jetzt hört sich das anders an. „Wir haben nicht das Recht, irgendwas zu fordern“, sagt Sperr, „es gibt keinerlei Zeitdruck. Wir denken nicht an einen Wechsel und setzen da auch keine Fristen. Raphael hat alle Zeit der Welt.“

Die wird er zunächst wohl auch noch brauchen – sagt zumindest Co-Trainer Eddy Sözer. „Der Sprung von der dritten in die erste Liga ist gewaltig. Wir geben Raphael alle Zeit, die er braucht. Da geht es oft um Kleinigkeiten. Pressing, Gegenpressing – so etwas muss er verinnerlichen.“ Er sei aber, sagt Sözer, auf einem sehr guten Weg.

Der Mann, der Holzhauser im vergangenen Jahr trainiert hat, traut Holzhauser den großen Wurf zu. „Er hat einen begnadeten linken Fuß, schlägt tolle Pässe, hat ein gutes Kopfballspiel, er kann das Spiel mit seiner Kreativität öffnen“, sagt Jürgen Kramny. Aber, und das sei das Entscheidende: „Raphael muss dauerhaft hart an sich arbeiten – 20 Prozent weniger zu machen als die anderen, das geht nicht mehr.“

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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