VfB-Manager Michael Reschke

„Platz 15 würde ich unterschreiben“

Michael Reschke spricht ausführlich über seine Arbeit als VfB-Sportchef und darüber, warum ihn vor dem Spiel gegen den 1. FC Köln am Freitag Bauchschmerzen plagen.

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Reschke zeigt an, wo er mit dem VfB wieder hin möchte: Nach oben.

Über zwei Stunden verweilt Michael Reschke in unserer Redaktion. Zeit genug, um die Lage beim VfB und der Welt des Fußballs zu besprechen. „In zwei bis drei Jahren werden wohl auch wir 20 Millionen Euro für einen Spieler ausgeben“, sagt Reschke.

Herr Reschke, seit 64 Tagen sind Sie nun im Amt – inwieweit sind Sie denn schon angekommen in Stuttgart?
In meinem neuen Job, der mich schon extrem gefangen genommen hat, total. Der VfB ist beim einschlafen und wach werden in meinen Gedanken präsent. In München war dies gefühlt etwas weniger intensiv.

Und persönlich? Wie kommt der Rheinländer in Schwaben zurecht?
Es gibt keinerlei Probleme. Ganz im Gegenteil, ich bin beim VfB prima aufgenommen worden. Von der Stadt selbst habe ich noch nicht so viel gesehen. Allerdings war ich zweimal auf dem Wasen und dies hat Spaß gemacht. Aber entscheidend ist ja: Ich bin zum Arbeiten hier.

Was sind die größten Unterschiede in Ihrer jetzigen Tätigkeit im Vergleich zu Ihren Jobs bei Bayer Leverkusen und Bayer München?
In Leverkusen habe ich in den 35 Jahren im sportlichen Bereich so ziemlich jede Tätigkeit bekleidet, insofern fällt dieser Vergleich schwer. In München hatte ich ein deutlich kleineres Arbeitsumfeld, allerdings mit extrem hoher sportlicher und wirtschaftlicher Verantwortung, denn dies bringt die Kaderplanung dort mit sich. Beim VfB bin ich als Sportvorstand wichtiger Ansprechpartner für viele Mitarbeiter. Der größte Unterschied ist sicher meine öffentliche Rolle. Bislang war ich ja stets eher unsichtbar. Dies ist jetzt völlig anders. Ich habe den Eindruck, dass ich in Stuttgart nach zwei Monaten schon bekannter bin als nach 35 Jahren in Leverkusen (lacht).

Ein weiterer Unterschied ist das vergleichsweise bescheidene Budget, das Sie in Stuttgart zur Verfügung haben.
Die wirtschaftlichen Möglichkeiten lassen im Moment keine Träumereien zu. Die Champions League ist in den kommenden Jahren kein Thema, aber vielleicht irgendwann mal wieder. Den VfB auf das höchstmögliche Niveau zu heben, ist unsere Herausforderung.

Und das wäre?
Zum Ende dieser Saison würde ich Platz 15 sofort unterschrieben. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns mit unserem Etat auf einem Niveau von Mainz 05 und dem SC Freiburg bewegen. In den kommenden Jahren wollen wir uns dann wieder Richtung einstelliger Tabellenplatz orientieren.

Der Abstand zu den Größen der Liga scheint dennoch unaufholbar. Wird Ihnen bei den aktuellen Summen auf dem Transfermarkt nicht schwindelig?
Ich habe vor zwei Jahren schon prophezeit, dass die 100-Millionen-Euro-Grenze fallen wird. Damals wurde ich teilweise dafür noch belächelt. Mich überrascht diese Entwicklung deshalb keineswegs.

Die 222 Millionen Euro für Neymar . . .
. . . sind astronomisch! Man darf aber eines nicht vergessen: Ein Neymar oder Mbappé (von Monaco zu Paris St. Germain für 180 Millionen Euro; d. Red.) sind die absolute Ausnahmen. Und das wird auch so bleiben. Aber Ablösesummen von 70 bis 120 Millionen werden wir häufiger erleben.

Christian Streich vom SC Freiburg warnt: Der Gott des Geldes wird alles verschlingen.
Er, Jochen Saier und Clemens Hartenbach beweisen regelmäßig, wie man mit seriöser Arbeit guten Sport bieten kann. Auch ohne das ganz große Geld. In der Bundesliga gibt es zwei, drei Clubs, die finanziell richtig bollern können, flächendeckend betrachtet ist der Markt für die richtig teuren Spieler aber endlich. Die Vereine in Deutschland agieren allesamt top seriös und wirtschaftlich. Insofern sehe ich die Entwicklung auf dem Transfermarkt nicht so negativ.

Wann legt der VfB das erste Mal 20 Millionen für einen Spieler hin?
In zwei bis drei Jahren kann das der Fall sein. Muss es wahrscheinlich auch.

Der bisherige Transferrekord liegt bei acht Millionen Euro für Santiago Ascacibar.
Die Summe, die Sie nennen, mag stimmen. Aber nicht die Währung. Wir haben das Angebot in Dollar rausgeschickt, und das war im Nachhinein nicht zu unserem Nachteil (lacht). Aber natürlich gilt: Die Mischung macht’s. Ideal ist der Mix von jungen, hungrigen, entwicklungsfähigen Spielern gepaart mit leistungsbereiten und erfahrenen Cracks.

An Erfahrung kann es nicht gelegen haben, dass die Mannschaft in Frankfurt zuletzt wichtige Punkte liegen ließ.
Die Niederlage war total bitter. Wenigstens ein Punkt hätte uns gut getan.

Denn jetzt kommt Köln, der Angstgegner.
Das Thema Angstgegner interessiert mich nicht. Aber ganz ehrlich: Ich habe in den letzten Jahren vor einem Spiel nicht ansatzweise solche Bauchschmerzen gehabt wie vor dem FC-Spiel, weil die Bedeutung für beide Klubs außergewöhnlich hoch ist.

Das klingt nicht gut.
Wenn wir verlieren, ist der FC wieder an uns dran. Das müssen wir mit aller Kraft vermeiden.
Bei einer Niederlage . . .
. . . wir werden gewinnen! Natürlich kommen aber auch danach noch viele wichtige Spiele. Der Kampf um den Klassenerhalt erfordert einen langen Atem. Die Clubs, die mit Rückschlägen nicht umgehen können, werden am Ende die größten Probleme bekommen.

Glauben Sie, dass Hannes Wolf diesem Druck gewachsen sein wird?
Ich verstehe die Frage nicht. Er ist mit der Niederlage in Frankfurt total professionell umgegangen.

Wie sehr sind Sie bei Ihrem jungen Trainer als Ratgeber gefordert?
Unser Austausch ist sehr gut. Ich sehe mich als Dialogpartner für den Coach, wie ich es auch in Leverkusen gehandhabt habe. Klar ist, dass der Umgang mit Jupp Heynckes ein ganz anderer war, als mit den seinerzeit ebenfalls jungen Sascha Lewandowski und Sami Hyypiä.

Apropos Heynckes: Wie beurteilen Sie seine Rückkehr zu Ihrem anderen Ex-Club?
Absolut nachvollziehbar. Der Verein hat dadurch Zeit gewonnen, sich für die kommende Saison neu aufzustellen. Und der Jupp sieht das nicht nur als Freundschaftsdienst – die Aufgabe reizt ihn richtig.

Zurück zu Ihrem aktuellen Arbeitgeber: Wo rangiert der VfB, was zeitgemäße Strukturen in Scouting und Jugend angeht?
Der Club war in den 80er und 90er Jahren in puncto Infrastruktur und Innovationen führend, speziell im Juniorenbereich. Ich war immer fasziniert, wenn ich hierher kam. In Leverkusen haben wir zu der Zeit mit der Jugend noch auf Asche gespielt. Diesen Vorsprung hat der Club eingebüßt, was ein Stück weit aber auch normal ist.

Das müssen Sie erklären.
Solch einen Wettbewerbsvorteil kannst Du heute gar nicht mehr erzielen, weil mittlerweile alle Klubs professioneller arbeiten. Es ist nicht mehr entscheidend mit der A-Jugend Deutscher Meister zu werden. Viel wichtiger ist es, die größten Talente bestmöglich zu fördern. Da sind wir schon auf einem guten Weg , müssen aber noch besser werden – mit individuellen Förderungsmaßnahmen und durch den Einsatz von technischen Hilfsmitteln.

Wann kickt das nächste VfB-Talent in der Bundesliga?
Es gibt ein paar richtig talentierte Jungs in der U17 und U19. Aber die brauchen noch Zeit und es gilt Sie optimal zu begleiten. Unser Ziel muss es sein, jedes Jahr mindestens einen Spieler in den Profikader zu integrieren – und diese Jungs dann auch möglichst lange zu behalten.

Kritiker sagen, für Dennis Aogo oder Andreas Beck braucht es kein Scouting.
Da gebe ich ihnen teilweise Recht. Aber Scouting bedeutet ja nicht immer nur unbekannte Spieler zu entdecken. Sondern auch, unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten die bestmögliche Lösung aus einer Auswahl an Spielern zu finden. Und da hat unsere Scouting-Abteilung in der Schlussphase der Transferperiode einen sehr guten Job gemacht.

Wie frei sind Sie in Ihren Entscheidungen als Sportvorstand?
Alle Entscheidungen werden im Team vorbereitet, aber am Ende trage ich natürlich die Verantwortung.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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