Bundesliga

Alles ein bisschen besser, aber noch nicht gut genug


VfB-Trainer Huub Stevens entdeckt Fortschritte im Spiel seiner Mannschaft

Die Menschen kennen viele nützliche Tipps im Umgang mit einer Niederlage. Etwa die, wonach sie aus einem schmerzlichen Erlebnis weit mehr Erkenntnisse ziehen als aus einem Sieg. Wie vorsichtig solche Rezepturen aus dem Labor der Gelegenheits-Psychologen anzuwenden sind, lehren allerdings seit Jahren die Berufsfußballer des VfB Stuttgart. Denn hätte sie jede ihrer Niederlagen ein Stück weiter auf den Pfad der Weisheit geführt, zählten sie längst zu den hellsten Lampen im Leuchter der ­Liga. So aber reichte den Gladbachern eine kurze Spannungsschwankung in der VfB-Leitung, um der vom Abstieg bedrohten Mannschaft das Licht auszuknipsen.

Das war schon deshalb ein großes Ärgernis, weil bis dahin wenig darauf hingedeutet hatte, dass die Akteure in den weiß-roten Hemdchen das imaginäre Warnschild missachten könnten, das der Trainer fest in ihren Köpfen verankert hatte: „Wir dürfen ihnen keine Gelegenheit zum Konter geben!“ Dass es nach 71 Minuten trotzdem passierte, hatte ein wenig damit zu tun, dass Kapitän Christian Gentner weit vorn den Ball verlor. Ein wenig mehr damit, dass sich dahinter weit und breit niemand fand, der unmittelbar hätte eingreifen können. Und ziemlich viel damit, dass die hoch stehende VfB-Abwehr das versäumte, was die Fachwelt in solchen Fällen seit Menschengedanken rät: Die Absicherung des eigenen Tores durch die Staffelung der Abwehrspieler. So hatte Patrick Herrmann leichtes Spiel.

Da Treffer des Gegners nie ganz auszuschließen sind, musste auch zu diesem Zeitpunkt noch niemand die Mercedes-Benz-Arena zum Katastrophengebiet erklären. Und weil die Gladbacher Borussen auch nicht gerade so auftraten, als sei ihnen jede Schwäche fremd, bot sich dem VfB noch die eine oder andere Gelegenheit. Dass es trotz allem nicht mehr zum Ausgleich reichte, passte exakt ins Bild, das die Mannschaft nach der Rückkehr aus einer arbeitsintensiven Winterpause bot: Es war vieles ein bisschen besser, aber immer noch nicht gut genug. Was Huub Stevens mit der unwidersprochenen Erkenntnis erklärte: „Die stehen da oben, wir da unten.“

Was sich auch daran manifestierte, dass der verbissen kämpfende Georg Niedermeier den unfreiwilligen Beweis dafür antrat, dass es eben noch immer einen Unterschied macht, ob jemand ein Abwehrspieler ist oder ein Stürmer. Jedenfalls vergab der gelernte Innenverteidiger die zwei dicksten Chancen auf Seiten des VfB. Einmal schoss er fünf Meter vor dem Tor fünfzehn drüber, einmal zitterte die Querlatte. „Was willst du machen“, stöhnte Huub Stevens, „uns fehlte auch ein Quäntchen Glück.“ Das Problem mit dem Glück ist nur, dass es immer die nicht haben, die es am nötigsten brauchen. Weshalb Sportvorstand Robin Dutt dazu riet, sich über die Mächte des Schicksals erst gar nicht zu grämen: „Es ist im Kampf gegen den Abstieg wichtig, nicht zu hadern. Wir müssen jetzt die Köpfe hochnehmen und weitermachen.“

Am Sonntagmorgen wurden sie erst einmal gewaschen: Mittels Videoanalyse erläuterte Stevens seinen Helden, was gut lief gegen den Tabellendritten und was nicht. Mit dem Kopf unterm Arm musste den Schulungsraum trotzdem niemand verlassen. Zwar überwog die Enttäuschung über den missratenen Start in die zweite Hälfte der Spielzeit, wie sich seine Mannschaft aber nach der ersten halben Stunde zurück ins Spiel gekämpft hatte, fand den Gefallen des Fußball-Lehrers, der auch dem Freischütz Niedermeier keine großen Vorwürfe machen wollte. „Wichtig ist erst mal, dass wir überhaupt Torchancen haben.“ Und als sei es das einzig brauchbare Rezept gegen die wachsende Verzweiflung, verordnete Stevens seinen Zuhörern einen tiefergehenden Blick auf die Lage der Dinge. „Das sind doch positive Zeichen – auch im Vergleich zu dem, was wir in der Vorrunde gesehen habe.“

Weil das vielleicht ein bisschen zu schwach ist, um unbeirrt an die Wende zum Guten zu glauben, bleibt die sportliche Leitung bis zum Schluss der Transferliste an diesem Montag auf der Pirsch nach einem Spieler, „der tendenziell auch in der Lage ist, die jungen Spieler mit zu führen“ (Robin Dutt). Gegen Gladbach jedenfalls hätte so ein Spieler tendenziell ganz bestimmt nicht schaden können.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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