UEFA Europa League

Erinnerungen an frühere Achtelfinals



Sechs ehemalige VfB Spieler und Trainer erzählen von gefrorenen Böden, Klopapierrollen zum Abdichten und gegnerischen Weltklassetorhütern – die Zeitzeugen-Protokolle.

Achtelfinale in einem internationalen Wettbewerb, das klingt nicht nur gut, das ist auch gut. Mit Lazio Rom trifft der VfB am Donnerstag in der Mercedes-Benz Arena (19.00 Uhr) und sieben Tage später in Italien (21.05 Uhr) zudem auf einen interessanten Gegner.

Seit den 70er Jahren nahm der VfB elf Mal an einer internationalen Runde der letzten 16 teil. Darunter fallen zwei Achtelfinals in der Champions League und eines im Europapokal der Pokalsieger.

Da es sich bei den Spielen gegen Rom nun um Europa-League-Partien handelt, möchten wir hier auf die bisherigen Achtelfinals des Klubs mit dem roten Brustring seit 1970 in diesem Wettbewerb zurückblicken und befragten daher ehemalige VfB Akteure. Sie berichten über ihre Erfahrungen oder Erinnerungslücken und blicken außerdem auf die Spiele gegen Lazio voraus.

Saison 73/74
27. November 1973: Dynamo Kiew – VfB 2:0
12. Dezember 1973: VfB – Dynamo Kiew 3:0 (im folgenden Bild: das 3:0 durch Bernd Martin)
Roland Mall: "Daran habe ich gute Erinnerungen. Erstens, weil wir weitergekommen sind, zweitens, weil die Reise mit sehr viel Aufwand und großen Strapazen verbunden war. Es war zu der Zeit sehr kalt. In Moskau sind wir zwischengelandet und hatten erst einmal ein paar Stunden Aufenthalt, weil wir wegen des Schnees nicht weiterfliegen konnten. Die Flügel wurden dann enteist, aber ich glaube, dass da in Deutschland keine Maschine abgehoben wäre. Wir hatten die Hosen dementsprechend voll. Wir sind dann mitten in der Nacht in Kiew angekommen und hatten zwar ein tolles Hotel, aber es war eiskalt. Ich war damals mit dem Buffy Ettmayer auf dem Zimmer und bin bei ihm auf die Schulter gestiegen, um die Fenster im Zimmer mit Klopapier abzudichten. Außerdem haben wir alles an Kleidung angezogen, was wir dabei hatten. Die Temperaturen haben sich auch beim Spiel am nächsten Tag nicht geändert und wir waren wieder dick eingepackt. Das Stadion war aber voll und wir waren genau drei Mal in der Hälfte des Gegners – immer nach dem Anspiel. Wir haben sogar direkt nach dem Anspiel aufs Tor geschossen. Letztlich haben wir dann mit 0:2 verloren und keiner hat gedacht, dass wir weiterkommen würden, weil Kiew damals das Nonplusultra war. Wir haben beim Rückspiel unser Bestes versucht und tatsächlich zwei Tore geschossen. Es deutete alles auf die Verlängerung hin, aber dann kam Bernd Martin ins Spiel und hat noch das dritte Tor für uns gemacht. Es war eine bombastische Stimmung, ein sensationelles Erlebnis und für den VfB eine große Leistung."



Saison 78/79
22. November 1978: VfB – Dukla Prag 4:1 (im folgenden Bild: Walter Kelchs und Dieter Hoeneß beim Ball)
06. Dezember 1978: Dukla Prag – VfB 4:0
Jürgen Sundermann: "Das Spiel in Prag werde ich nie vergessen. Es war unheimlich kalt und eisig. Die haben dann sogar noch Wasser auf den Platz geschüttet, damit es noch eisiger wurde. Außerdem haben sie ihre Stollen angespitzt. Ich habe den Schiedsrichter darauf angesprochen, aber er hat nichts gemacht. Wir hatten im Spiel keinen Halt auf dem Boden und die Prager waren uns überlegen, wir hatten keine Chance. Wir hatten das Hinspiel zwar 4:1 gewonnen, aber weil wir in Prag 0:4 verloren, waren wir dennoch ausgeschieden. Das war umso deprimierender, weil sehr viele ostdeutsche Zuschauer nach Prag gereist waren, um uns zu sehen – und dann gehen wir so unter, das war fürchterlich. Die Ostdeutschen waren unheimlich freundlich und sind genauso optimistisch wie wir angereist. Umso trauriger und demoralisierter waren wir nach dem Ausscheiden. Als ich später bei Sparta Prag Trainer war, haben sich die Leute noch an das Spiel erinnert und ich wurde immer wieder darauf angesprochen. Die Partie ist mir außerdem im Kopf geblieben, weil ich meine Spieler immer mit kurzer Hose habe trainieren lassen, egal wie kalt es war. Während die Journalisten und Zuschauer am Tag vor der Partie am Spielfeldrang gezittert haben, mussten die Jungs also mit kurzen Hosen ran."

Saison 79/80
28. November: Grashoppers Zürich – VfB 0:2
12. Dezember 1979: VfB – Grashoppers Zürich 3:0
Hermann Ohlicher: "Ich kann mich insofern an die Begegnungen erinnern, weil ich im Hinspiel meine zweite gelbe Karte bekommen habe und daher für das Rückspiel gesperrt war. Wir haben diesbezüglich aber Protest eingelegt, weil die erste Verwarnung in dem Wettbewerb eigentlich Roland Hattenberger bekommen hatte, ich aber fälschlicherweise auf dem Spielberichtsbogen stand. Doch es war nichts zu machen und ich musste zuschauen. Sportlich war es aber relativ eindeutig und wird sind weitergekommen."



Saison 80/81
26. November 1980: VfB – 1. FC Köln 3:1
10. Dezember 1980 1. FC Köln – VfB 4:1 n.V.
Hansi Müller: "Wir haben zu Hause ein super Spiel gemacht und gewonnen und mit dem gleichen Ergebnis dann in Köln verloren. In der Verlängerung haben wir es dann aber leider vergeigt. Nach dem Hinspiel sind wir natürlich zuversichtlich nach Köln gefahren, aber die hatten damals auch eine tolle Mannschaft, mit einem Weltklassekeeper Toni Schumacher im Tor. Er hatte schon im Hinspiel Bälle von der Linie gekratzt, die wir bereits drin gesehen haben. Er konnte Spiele entscheiden und das war in diesem Fall so. Wenn er nicht dabei gewesen wäre, dann hätten wir das Viertelfinale bestimmt erreicht."

Saison 88/89
23. November 1988: FC Groningen – VfB 1:3
07. Dezember 1988: VfB – FC Groningen 2:0
Saison 89/90
22. November 1989: Royal Antwerpen – VfB 1:0
06. Dezember 1989: VfB – Royal Antwerpen 1:1
Günther Schäfer: "Das Spiel in Groningen werde ich sicherlich nie vergessen. Es war sehr zweikampfbetont, die haben uns alles abverlangt. Die Schlagzahl war sehr hoch, es ging sehr aggressiv zur Sache, gab viele Unterbrechungen, Foulspiele und Nickligkeiten. Das kam mir ja eigentlich entgegen. Dennoch war die Partie unangenehm, nicht nur von der körperlichen Belastung, sondern auch vom Kopf her. Ich sage immer: das war koi Spässle. Mir bleiben nur außergewöhnliche Spiele in Erinnerung, und an dieses in dem kleinen Stadion in Groningen kann ich mich noch gut erinnern. Von dem Rückspiel weiß ich nichts mehr und die Partien gegen Antwerpen haben wir bestimmt verloren, daher habe ich sie verdrängt. Es blieb wenig haften, wenn wir verloren haben. So bin ich."



Saison 00/01
15. Februar 2001: VfB – Celta Vigo 0:0 (im obigen Bild: Sean Dundee)
22. Februar 2001: Celta Vigo – VfB 2:1
Saison 02/03
20. Februar 2003: Celtic Glasgow – VfB 3:1 (im folgenden Bild: Timo Hildebrand und Steffen Dangelmayr)
27. Februar 2003: VfB – Celtic Glasgow 3:2
Heiko Gerber: "Das Hinspiel gegen Vigo war nicht so prickelnd, ein eher langweiliges 0:0. Wobei das zu Hause nicht unbedingt ein Nachteil ist, schließlich hat der Gegner damit kein Auswärtstor erzielt. Daher ist die Ausgangslage für das Rückspiel eigentlich ordentlich. In Vigo war ich dann gar nicht dabei, weil ich verletzt war. Die Partie in Glasgow zwei Jahre später war ein Riesenhighlight. Wir hatten uns viel vorgenommen und sind dann auch gut gestartet. Doch eine frühe rote Karte hat uns etwas zurückgeworfen. Wir sind zwar in Führung gegangen, Celtic hat den Druck jedoch erhöht und am Ende verdient gewonnen. Aber durch den Auswärtstreffer haben wir den Ausgang offen gehalten. In Stuttgart ist Celtic dann gut ins Spiel gekommen und hat schnell mit 2:0 geführt. Damit war das Duell eigentlich entscheiden, aber wir haben eine Riesenmoral gezeigt und das Spiel noch gedreht. Dabei hatten wir sogar noch Chancen für weitere Tore, daher wurde die Stimmung im Verlauf der Partie immer besser. Am Anfang waren die Zuschauer enttäuscht, aber hinten raus herrschte große Euphorie bei den Besuchern und es waren einige im Stadion."

Knapp 51.000 Zuschauer waren es damals. Mal schauen, wie viele am Donnerstag gegen Lazio Rom in die Mercedes-Benz Arena pilgern. Die Mannschaft von Bruno Labbadia kann die Unterstützung jedenfalls gebrauchen und freut sich über jeden, der von 19.00 Uhr an den Klub mit dem roten Brustring verbal nach vorne peitscht.



Die Ansichten der Ehemaligen zu den Spielen gegen Lazio Rom

Es ist die neunte Teilnahme des VfB an der Runde der letzten 16 in der Europa League, bislang überstand der Klub mit dem roten Brustring drei Achtelfinals, die restlichen fünf Male war er nach den beiden Partien ausgeschieden, einmal ging es dabei in die Verlängerung. Interessanterweise fällt das Torverhältnis allerdings mit 34:32 zugunsten des VfB aus. Wir haben die ehemaligen VfB Spieler und Trainer auch zu den Aussichten für das Duell mit Lazio Rom befragt.

Hermann Ohlicher: "Wir machen gerade ein Wechselbad der Gefühle durch. Wenn die Mannschaft gut drauf ist, dann kann sie sensationell spielen, wie zum Beispiel in Bukarest. Wir haben aber auch Partien wie die zu Hause gegen Molde gesehen, die nicht so toll waren. Daher ist eine Einschätzung schwierig. In zwei Spielen kann man aber immer weiterkommen und wenn die Mannschaft ihre Stärke zeigt, dann kann auch etwas gehen. Rom ist jedoch oberer internationaler Standard, daher sollten auch wir dieses Niveau zeigen."

Roland Mall: "Internationale Spiele haben immer eine andere Qualität. Wenn man mal so weit gekommen ist wie die Mannschaft jetzt, dann ist das für einen Fußballer etwas Besonderes. Es ist allerdings doof, dass in Rom keine Zuschauer zugelassen sind, darunter leidet die ganze Sache. Für mich ist der VfB leicht der Außenseiter, die Mannschaft ist aber keinesfalls chancenlos. Es wäre sensationell, wenn sie weiterkommen würde, dann wären nur noch große Teams dabei und der Wettbewerb fast so etwas wie eine kleine Champions League. Der VfB muss sich jedenfalls nicht verstecken, da ist etwas zu machen. Er sollte allerdings daheim schon das eine oder andere Tor vorlegen."

Heiko Gerber: "In jeder Runde, die man jetzt weiterkommt, steigen das Interesse und die Begeisterung der Fans, aber auch des Teams. Die Vorrunde ist etwas träge, aber eigentlich wird es schon im Achtelfinale interessanter. Das ist für jeden Fußballer etwas Besonderes, das Prickeln ist da. Mit dem VfB und Lazio treffen zwei Mannschaften auf Augenhöhe aufeinander. Wahrscheinlich wird das Team gewinnen, das die beiden Partien besser annimmt und besser in die Spiele hineinkommt. Ich bin überzeugt, dass der VfB das hinkriegen kann. Lazio ist zwar gut, aber schlagbar."

Günther Schäfer: "Ein Achtelfinale ist eine Riesenchance für einen Spieler sich zu präsentieren. Sowohl für den Klub als auch für die Spieler ist das jetzt eine gute Chance. Ich bin überzeugt, dass der VfB das schaffen kann. Auch weil Lazio in der italienischen Liga noch um die Teilnahme an der Champions League kämpft. Da haben sie jetzt gegen einen direkten Konkurrenten verloren und spielen am kommenden Wochenende gegen den nächsten. Sie stufen auch die Europe League bestimmt hoch ein, aber ich denke, dass sie vielleicht schon an das nächste Spiel gegen Florenz denken. Bei uns wird die Stabilität in der Defensive wichtig sein und dann sollten wir versuchen mit dem einen oder anderen Angriff zum Torerfolg zu kommen. Lazio ist zwar eine gute Mannschaft, aber ich sehe den VfB nicht unbedingt als Außenseiter. Auch wir werden unsere Möglichkeiten bekommen. Ich denke, dass keine Mannschaft in der Favoritenrolle ist und wünsche mir ein Spiel auf Augenhöhe – und natürlich, dass wir weiter kommen. Die Tatsache, dass in Rom keine Fans sein werden, ist darüber hinaus für beide ungewohnt und wird vor allem eine Kopfsache sein. Auch das ist nicht unbedingt ein Nachteil für uns."

Jürgen Sundermann: "Es sind auf jeden Fall zwei Teams auf Augenhöhe. Ich hoffe natürlich, dass der VfB weiterkommt. Aber es wird schwierig, weil das zweite Spiel in Rom ist – auch wenn keine Zuschauer zugelassen sind."

Hansi Müller: "Es ist bitter, dass uns in Rom ein Geisterspiel erwartet. Sportlich gesehen ist das aber eher ein Vorteil für den VfB. Schließlich fällt im Rückspiel die Entscheidung und wenn es eng zur Sache geht, dann kann das Publikum den Ausschlag geben. Beim Elfmeterschießen würden beispielsweise die VfB Spieler von allen ausgepfiffen werden, da schießt man sicherlich nicht so locker, als wenn man den Präsidenten von der Tribüne aus schreien hört. Insgesamt ist das jedenfalls ein Duell auf Augenhöhe, Lazio hat in den vergangenen Spielen zudem keine so guten Ergebnisse erzielt. Es wäre wichtig, in Stuttgart kein Gegentor zu bekommen. Das wäre die halbe Miete, weil der VfB auswärts immer für ein Tor gut ist."

Quelle: vfb.de


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