Interview mit VfB-Torhüter Ron-Robert Zieler

„Warum nicht in Leipzig was holen?“

Ron-Robert Zieler hat seine Rolle beim VfB Stuttgart schnell gefunden. „Die Mannschaft soll das Gefühl haben: Auf unseren Keeper können wir uns verlassen“, sagt der 28-jährige Weltmeister-Torwart.

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Lautstarkes Dirigieren gehört für Ron-Robert Zieler zum Jobverständnis.

Sicher und souverän im Strafraum, aber auch selbstbewusst außerhalb des Platzes – Ron-Robert Zieler hat seine Rolle beim VfB Stuttgart schnell gefunden. „Die Mannschaft soll das Gefühl haben: Auf unseren Keeper können wir uns verlassen“, sagt der 28-jährige Weltmeister vor dem Bundesligaspiel an diesem Samstag (15.30 Uhr) bei RB Leipzig.

Herr Zieler, Sie sind mittlerweile die klare Nummer eins im VfB-Tor. Wie wichtig ist es Ihnen nun, auch die Rückennummer eins zu tragen?
Als Torwart die Nummer eins auf dem Trikot zu haben ist sicher schön, aber zweitrangig. Viel wichtiger ist es zu spielen.

Dennoch haben Sie geäußert, in Zukunft die Nummer eins tragen zu wollen.
Das stimmt, aber ich muss erst mit den ­Vereinsverantwortlichen über meinen Wunsch sprechen. Bisher klopfe ich jedenfalls nicht täglich an die Bürotür von Michael Reschke. Das Ganze ist für mich gar nicht so ein heißes Thema, da stehen andere Dinge deutlich mehr im Vordergrund.

Worum geht es Ihnen bei der Nummer eins?
Weder um Status noch um Aberglaube, wie man vielleicht vermuten könnte. Nach dem Weggang von Mitch Langerak ist sie einfach frei – und da bietet es sich für mich an, danach zu fragen. Ich habe zum Beispiel meine ersten Bundesligaspiele mit der Nummer 20 für Hannover 96 absolviert. Damals bin sehr gut damit reingekommen. Und auch jetzt beim VfB hat es mit der Nummer 16 bestens geklappt.

Warum bleiben Sie nicht bei der Nummer 16 und machen diese zur Größe beim VfB?
Jetzt da Sie es sagen, überlege ich mir das vielleicht noch mal (schmunzelt).

Spielt Aberglaube überhaupt eine Rolle für Sie im Fußball?
Nein, ich versuche mich von derlei Dingen frei zu machen. Ich bereite mich professionell auf ein Spiel vor und vertraue der Truppe sowie meinen persönlichen Qualitäten. Ich höre vor den Spielen immer nur ein wenig Musik, aber nichts Spezielles. So komme ich in den Wettkampfmodus, und dann geht’s los.

Und was sagt Ihnen Ihr Gefühl heute, wenn am Samstag in Leipzig angepfiffen wird?
Dass es sehr wichtig war, zuvor gegen den 1. FC Köln zu gewinnen. Einfach um die Ruhe und Sicherheit im Vorfeld des Spiels zu haben. Die benötigen wir auch, um dort etwas holen zu können, denn RB Leipzig gehört für mich zu den besten Bundesligamannschaften. Sie spielen ein starkes Pressing, schalten nach vorne unwahrscheinlich schnell um und haben eine ganze Reihe von Spielern mit hoher Qualität.

Klingt da außer Respekt auch Angst durch?
Nein. Man kann doch durchaus mal anerkennen, dass die Leipziger eine enorme Entwicklung genommen haben. Ich kann mich nämlich noch erinnern, wie ich vor sieben, acht Jahren dort gespielt habe, damals mit der zweiten Mannschaft von Hannover 96 in der Regionalliga. Am Dienstagabend habe ich mir dann das Champions-League-Spiel der Leipziger gegen den FC Porto im Fernsehen angeschaut und gedacht: Respekt vor dieser Leistung.

Das Team von Ralph Hasenhüttl tritt nun gestärkt durch zwei bemerkenswerte Siege an: erst bei Borussia Dortmund, anschließend gegen den FC Porto.
Das stimmt, und man kann nicht wirklich davon ausgehen, dass die Leipziger ein paar Körner zu viel gelassen haben. Sie wirken extrem fit. Dennoch: Warum sollten wir nicht in Leipzig was holen?

Weil der VfB in bisher vier Auswärtspartien noch keinen Zähler eingefahren hat.
Auch das stimmt. Deshalb wird es ja Zeit, dass wir damit anfangen. Wir gehen nach dem Sieg gegen die Kölner ebenfalls mit Selbstvertrauen in die Begegnung und können für eine Überraschung sorgen.

Der Erfolg gegen den 1. FC Köln war zweifellos wichtig für die Mannschaft, aber auch nicht unbedeutend für Sie als Torwart.
Das ist in der Außenwahrnehmung wahrscheinlich auch deshalb so, weil ich die eine oder andere wichtige Parade zum „richtigen“ Zeitpunkt zeigen konnte. Eine davon unmittelbar vor dem Schlusspfiff. Das behalten viele Leute im Kopf. Ich denke aber, dass ich zuvor auch schon gut und verlässlich gespielt habe.

Braucht es so ein Spiel für einen neuen Torhüter, um seine Position zu stärken?
Ich brauche das eigentlich weniger, aber natürlich freue ich mich über so einen „big save“, wie die Engländer sagen. Das gibt Selbstvertrauen, gerade nach meinem durchaus schwierigen Jahr bei Leicester City. Zudem hatte ich dadurch wie die komplette Mannschaft ein richtig schönes Wochenende. Grundsätzlich wichtig ist für mich aber, über eine gewisse Strecke konstant gut zu spielen. Die Mannschaft soll das Gefühl haben: Auf unseren Keeper können wir uns verlassen.

Definieren Sie Ihr Torwartspiel dabei über sogenannte Glanztaten?
Nicht nur. Aber Paraden bilden mit die Basics. Wie Fangsicherheit und die weiteren Torwarttechniken. Darüber hinaus spielen Eigenschaften wie Ausstrahlung und das Antizipieren eine große Rolle. Ich interpretiere mein Spiel nicht spektakulär, sondern ruhig und unaufgeregt. Ich versuche, viele Situationen frühzeitig zu erkennen und durch Stellungsspiel oder Dirigieren zu lösen. Das ist meine Spielweise.

Sportlich wie persönlich haben Sie Ihre Rolle beim VfB schnell gefunden. Trainer Hannes Wolf zählt Sie nach kurzer Zeit zu den Spielern, die Verantwortung tragen sollen.
Wir haben eine Reihe von Spielern, die Verantwortung übernehmen: Christian Gentner, Holger Badstuber, Simon Terodde, Dennis Aogo, Andreas Beck. Um kritische Phasen zu überstehen, ist es gut, wenn sich die jüngeren an uns erfahreneren Spielern orientieren können. Ich laufe dabei aber nicht wie ein Oberlehrer herum und verteile Ratschläge.

Beim letzten Auswärtsauftritt in Frankfurt waren Sie aber auffällig aufgebracht.
Das war speziell. Ich bin tatsächlich schon vor dem Gegentor zum 1:2 in der Nachspielzeit aus der Haut gefahren. Obwohl ich normalerweise auf dem Platz nicht dazu neige, groß mit den Armen herumzufuchteln, nur um ein Zeichen nach außen zu setzen. Im Spiel gegen die Eintracht war ich jedoch extrem angefressen, weil ich gespürt habe, wie wir das Spiel aus der Hand geben. Solche Fehler wie in dieser Schlussphase dürfen wir uns in der Bundesliga nicht erlauben.

Wirkt die bittere Niederlage noch nach?
Nein, unser Last-Minute-Sieg gegen Köln hat dem entgegengewirkt. Das 2:1 war sehr wichtig – sowohl für das Punktekonto als auch für unser Selbstbewusstsein. Ein Unentschieden oder gar eine Niederlage hätte sicher an uns genagt.

Woran hat es dem VfB auswärts bisher gemangelt?
Das Quäntchen Glück, das wir gegen Köln hatten, hat uns zum einen gefehlt. Zum anderen hat es uns aber auch an Cleverness gemangelt. Wir haben in spielentscheidenden Situationen die falschen Entscheidungen getroffen oder waren unkonzentriert. Das wird brutal bestraft, das muss uns ständig klar sein.

Wie sehen Sie die Entwicklung der VfB-Mannschaft?
Wir haben eine gute Mischung mit jungen Spielern, die richtig Gas geben wollen, sowie erfahrenen Spielern, die nach wie vor Bock auf Erfolg haben. Insgesamt ergibt das eine Mannschaft, die noch zusammenwachsen muss, die aber auch sehr zielstrebig und sehr wissbegierig ist. Wenn wir also aus unseren Fehlern lernen, dann werden wir auch noch einige Auswärtspunkte holen.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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