Ohne Vertrauen keine Ausgliederung

Der Verein steht mal wieder mit dem Rücken zur Wand – und plant die Flucht nach vorn. Aber die Ausgliederung der Profiabteilung in eine Aktiengesellschaft ist höchst umstritten.


Präsident Bernd Wahler (li.) und Sportvorstand Robin Dutt wollen den VfB voranbringen.

Es ist ja nicht so, dass Bernd Wahler die zwei Jahre seiner Amtszeit in einer Art Vorruhestand verbracht hätte. Der Präsident hat fünf Trainerwechsel erlebt, Personal auf allen Ebenen ausgetauscht, den Manager gefeuert und die Betriebsstrukturen verschlankt. Aber das alles hat nicht dazu geführt, dass es dem VfB Stuttgart besser geht als zu seinem Amtsantritt.

Das wirkt sich nicht gut aus auf die Sympathiewerte des ehemaligen Adidas-Managers, dem seine Kritiker so ziemlich alles vor den Latz knallen, was man einem Chef vorwerfen kann: mangelnde Präsenz, zu wenig Fachkenntnis, Schwächen in der inneren Führung. Und es hebt nicht die Stimmung, wenn der Verein an diesem Sonntag (13 Uhr/Porsche-Arena) zur alljährlichen Mitgliederversammlung bittet. Auch deshalb, weil die Führungscrew ihre Mitglieder auf den vielleicht wichtigsten Einschnitt der Vereinsgeschichte einstimmen will: die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine Aktiengesellschaft.

Doch was die VfB-Häuptlinge als Türöffner für dringend benötigte Investoren definieren, erscheint einem Teil der Mitglieder als die letzte Patrone im Colt hilf- und ideenloser Vereinsbosse. Was nicht bedeutet, dass den Kritikern grundsätzlich das Verständnis dafür fehlt, sich mit zeitgemäßen Strukturen und Strategien für den härter werdenden Konkurrenzkampf um Investoren und Sponsoren zu wappnen. Sie misstrauen aber zutiefst den handelnden Personen. Und das nicht ohne Grund.

Seit der Meisterschaft 2007 hat der Verein mehr Geld verbrannt, als auf die berühmte Kuhhaut geht: weit über 100 Millionen Euro. Über die Ausgliederung sollen nun rund 70 Millionen Euro in die Kasse fließen – der ungefähre Preis für 25 Prozent der AG-Anteile. Den aktuellen Vereinswert schätzen Experten auf 250 bis 300 Millionen Euro. Strategische Partner sind im Gespräch – Mercedes-Benz und erfolgreiche Mittelständler aus der Region wie der Reinigungsriese Kärcher, Schrauben-Würth oder Dübel-Fischer. Vor allem an Mercedes-Benz scheiden sich die Geister. Soll sich der Verein auf weitere Jahre vom großen Nachbarn abhängig machen und sich damit womöglich den Einstieg anderer Partner verbauen?

Der Präsident gibt sich schmerzfrei

Und warum um alles in der Welt, fragen sich die Argwöhnischen, sollen wir das frische Geld ausgerechnet jenen Führungskräften anvertrauen, die zu einem gewissen Teil auch die Fehler der Vergangenheit mit verantworten? Bei dieser Gelegenheit stets an erster Stelle genannt: Aufsichtsratschef Joachim Schmid. Knapp dahinter: Präsident Bernd Wahler.

Für Schmid allerdings wäre im Zuge der Neuordnung nach der Umwandlung in eine AG ohnedies kaum mehr Platz im Aufsichtsrat, den naturgemäß die Vertreter der künftigen Investoren beanspruchen. Und ob die neuen Kontrolleure den amtierenden Präsidenten Bernd Wahler dann zum Vorstandsvorsitzenden küren, vermag zurzeit kein Mensch zu sagen. Der Präsident gibt sich schmerzfrei und betont, dass der Verein über allem stehe. „Wenn die Veränderungen dazu führen, dass sich am Ende die Dinge zum Besseren wenden“, pflegt er zu sagen, „dann ist es okay, wenn ich in der Kritik stehe.“

Aber mit ein bisschen Hornhaut auf der Seele ist es nicht getan. Die Ausgliederung erfordert eine Änderung der Satzung. Und dafür ist die Dreiviertelmehrheit einer außerordentlichen Mitgliederversammlung notwendig. Stattfinden soll sie im Juni 2016. Bis dahin geht der VfB mit einer Roadshow auf Tour, die Mitgliedern und Interessierten die Vorzüge einer Ausgliederung präsentieren soll. Das Credo: Nichts ist festgezurrt, alles noch offen. Gute Ideen sind jederzeit willkommen.

Die kann der VfB auf allen Ebenen gebrauchen. Aber die Ideengeber drängeln sich nicht gerade vor der Tür. Der Posten des im Frühsommer zurückgetretenen Aufsichtsrats Hansi Müller bleibt vorerst wohl unbesetzt. Angeblich soll Hermann Ohlicher als kooptiertes Mitglied den sportfachlichen Sachverstand mit einbringen. Zuvor hatten die Ex-Profis Thomas Hitzlsperger und Karl Allgöwer dankend abgelehnt.

Die Bühne in der Porsche-Arena jedenfalls wurde für die Mitgliederversammlung vorsorglich von der Stirnseite an den Hallenrand verlegt. Damit die Redner näher am Publikum sind. Man will sich schließlich gut verstehen.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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