Dennis Aogo

„Ich muss niemandem etwas beweisen“

VfB-Linksverteidiger Dennis Aogo lässt viele Aufgeregtheiten des Fußballgeschäfts an sich abprallen – gegen anonyme Hetze im Internet setzt er sich aber entschieden zur Wehr.

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Dennis Aogo beim Testspiel gegen den FC Ingolstadt.

VfB-Linksverteidiger Dennis Aogo spricht im Interview über Hetze im Internet, über seine Zeit im Verein und warum sein Jugendtrainer Christian Streich fast an ihm verzweifelt wäre.

Herr Aogo, am Sonntag spielen Sie in Schalke – allerdings nicht in einem blauen, sondern in einem roten Trikot. Eine Konstellation, mit der Sie bis vor kurzem wohl selbst nicht gerechnet hätten.
Es war relativ bald klar, dass ich den Verein wechseln würde. Aber dass es so früh in der Saison zu einer Rückkehr kommt, macht das Spiel für mich schon zu etwas Besonderem. Ich war vier Jahre auf Schalke und kenne dort noch fast jeden.

Und jetzt wollen Sie es Ihren alten Kollegen zeigen.
Ich will und muss niemandem etwas beweisen. Was sollte mir das bringen? Mit Domenico Tedesco ist ja jetzt auch ein neuer Trainer da. Mein Fokus liegt darauf, das Spiel erfolgreich für den VfB zu gestalten.

Ihr Vertrag wurde im Sommer nicht verlängert. Wie hat es sich angefühlt, mit 30 plötzlich ohne Verein dazustehen?
Es war keine besonders schöne Zeit. Vor allem das Training mit der Mannschaft fehlt einem schon. Ich musste mich individuell fithalten.

Zukunftssorgen?
Sorgen nicht, ich wusste schon, dass es irgendwie weitergeht. Es ist eher die Ungewissheit, die einen plagt. Wo geht es weiter? In welchem Club, in welchem Land? Als Familienvater macht man sich da mehr Gedanken als früher.

Dann rief Michael Reschke an – und Sie mussten nicht lange überlegen.
Ich war mir sofort sicher: Das passt. Ein großer Verein mit einer Mannschaft mit Perspektive und einem begeisterungsfähigen Umfeld. Letztlich war es eine Bauch- und keine Kopfentscheidung.

Hamburg, Schalke, Stuttgart – krisenerprobte Clubs scheinen Sie anzuziehen.
Natürlich gab es bei meinen letzten Stationen viele knifflige Situationen. Ich hatte aber sowohl in Hamburg als auch auf Schalke sehr erfolgreiche Zeiten – mit dem HSV in der Europa League, mit Schalke in der Champions League. Das darf man nicht vergessen.

Trotzdem war es immer turbulent. Was stimmt Sie zuversichtlich, dass die Zeit beim VfB eine unaufgeregtere wird?
Das weiß man vorher nie. Am Ende steht und fällt alles mit der Leistung auf dem Platz. Ich denke, wir haben eine gute Mischung aus hungrigen und erfahrenen Spielern – das stimmt mich zuversichtlich.

Inwieweit helfen Ihnen die Erfahrungen aus Hamburg und Schalke? Sportchef Michael Reschke meint, Sie könne im Kampf gegen den Abstieg nichts mehr aus der Ruhe bringen?
Wenn er das sagt (lacht) . . . Tatsächlich bin ich gar kein Experte in Sachen Abstiegskampf. Beim HSV war es mal kurz kritisch, abgestiegen bin ich aber nur einmal: Als 17-Jähriger in meiner ersten Saison beim SC Freiburg. Als Neuling nimmt einen das emotional aber noch nicht so mit.

Reschke hat Sie in den höchsten Tönen gelobt – und zugleich auf die Fans geschimpft, die Ihre Verpflichtung zuvor kritisiert hatten.
Was soll ich dazu sagen?

Ob es Ihnen zu schaffen macht, dass Sie bei den Fans einen schweren Stand haben? Sie gelten bei vielen als vergeudetes Talent.
Ich spiele seit 13 Jahren Bundesliga. Wenn man erwartet hatte, dass ich die Weltspitze erobere, dann mag diese Einschätzung zutreffen. Aber wer kann das beurteilen?

Sie selbst?
Ich bin mit dem bisher Erreichten durchaus zufrieden.

Ist Ihnen egal, was andere über Sie sagen und schreiben?
Egal ist einem das nie. Was in der Anonymität des Internets teilweise verbreitet wird, ist schon heftig. Diese Leute bedenken nicht, wie das einem Spieler zusetzen kann. Und ich kenne einige, bei denen das so ist.

Wie geht man damit um?
Ganz unterschiedlich. Die Einen blenden es völlig aus, andere tragen die Hetze und beleidigende Kommentare schwer mit sich herum. Ich für mich kann gut damit umgehen. Das persönliche Umfeld ist dabei sehr hilfreich.

Hat sich die Stimmungsmache und Emotionalität der digitalen Welt auch auf die Ränge übertragen?
Das glaube ich nicht. Wenn Du schlecht spielst, wirst Du beschimpft, bei Erfolgen gefeiert. Das war noch nie anders. Ich finde, im Stadion darf auch jeder seinen Unmut äußern – das ist okay.

Stimmt eigentlich die Geschichte aus Freiburg, dass Ihr früherer Jugendtrainer Christian Streich einst an Ihnen verzweifelt ist?
Kann schon sein, ja.

Er soll mit Ihnen am Tisch gesessen haben, in Tränen ausgebrochen sein und gesagt haben: Dennis, es geht nicht weiter.
Wir haben damals alle geheult, meine Eltern, die Betreuer und ich (schmunzelt). Es ist ja kein Geheimnis, dass ich zu der Zeit viel Quatsch gemacht habe. Ich bin mit 13 von zu Hause weg und war in meiner Persönlichkeit nicht immer stabil. Christian Streich war einer meiner wichtigsten Weggefährten, er hat immer an mir festgehalten.

Sie haben die Kurve gekriegt: Über 200 Bundesligaspiele, zwölf Länderspiele, 2010 mit der Nationalelf WM-Dritter. Trotzdem haben Sie sich in diesem Sommer dazu entschlossen, nochmal ein paar Dinge grundlegend zu verändern. Warum?
Das zielte vor allem auf die Ernährung und das individuelle Training. Man wird ja nicht jünger. Also muss man mehr in seinen Körper investieren. Das ist meine Erkenntnis dieses Sommers. Die etwas längere Pause war also auch für etwas gut (lacht).

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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