Bundesliga

Mit dem letzten Tropfen Herzblut

Fünf VfB-Profis stammen aus Stuttgart und der Region. Alle tragen sie beim aufregenden Saisonfinale eine besondere Verantwortung. Psychologen meinen: Das muss kein Nachteil sein.


eit der Jugend beim VfB: Christian Gentner (li.) und Daniel Didavi

Angenommen, nur mal angenommen, den VfB ereilte an diesem Samstag das Aus in der Bundesliga, dann würde nicht nur der Verein absteigen. Dann würde, in allen Konsequenzen, die ganze Region absteigen. Zumindest könnte das Selbstwertgefühl all jener, die mit den Roten bangen, die eine oder andere Delle davontragen.
„Für Stuttgart geht es um ein Stück Lebensqualität“

Das weiß auch Robin Dutt. „Für Stuttgart geht es um ein Stück Lebensqualität“, sagt der Sportvorstand mit Blick auf die entscheidende Partie beim SC Paderborn. Dutt hat ein feines Gespür dafür, wie die Fußballfans in der Region ticken: „Ich bin hier aufgewachsen, das gelbe Kehrwochen-Schild mit dem roten Besen darauf ist von Tür zu Tür gewandert, das ist Teil unserer Kultur.“

Und noch etwas gehört zum Wesen der hiesigen Bevölkerung: „Die Schwaben verstehen sich als Schaffer, mit extrem hohem Anspruch, das Bruddeln gehört dazu“, sagt Dutt, „hier wird nicht kritisiert, hier wird gebruddelt.“ Aber nicht nur.

Neulich stand Robin Dutt vor einer roten Ampel. Der Fahrer neben ihm kurbelte das Seitenfenster herunter und sagte kämpferisch: „Gebt nicht auf – wir drücken euch die Daumen.“ Auch das sind Schwaben. In der Not rückt die Region zusammen.

Das macht zunächst mal stark, doch was macht das rasend turbulente Auf und Ab im Tabellenkeller mit den Spielern aus der Region? Mit Christian Gentner (29), Sven Ulreich (26), Daniel Didavi (25), Timo Werner (19) und Timo Baumgartl (19)? Alle sind in und um Stuttgart geboren, alle haben sie in der Region gekickt, alle tragen seit der Jugend das Trikot mit dem Brustring.

„Die Situation belastet alle gleich“, sagt Baumgartl, „wir haben zwar eine engere Bindung zum Verein, aber kein Spieler will, dass der Verein absteigt, egal ob er wie ich aus Maichingen kommt oder von der Elfenbeinküste.“ Wobei es schon Unterschiede gibt – in der Wahrnehmung der Situation und im Umgang mit ihr.

Christian Gentner etwa empfindet das Zittern ums sportliche Überleben als „Einschränkung des Privatlebens“ und sagt: „Meine Familie muss öfter mal meine schlechte Laune ertragen.“ Umgekehrt geht von den nächsten Angehörigen auch viel Energie auf die Profis aus.

„Ich wohne ja noch zu Hause, habe meine Freundin und meine Familie in der Nähe. Es ist gut, dass ich mich so leichter ablenken kann. Das macht die Sache einfacher, als wenn ich im Hotel wohnen würde oder neu im Verein wäre“, sagt Daniel Didavi. Ganz ähnlich sieht es Timo Baumgartl: „Mit meinen Freunden spreche ich nicht so viel über Fußball, deshalb kann ich besser abschalten als die Spieler, deren Freundeskreis weit weg ist.“

„Ich wohne ja noch zu Hause, habe meine Freundin und meine Familie in der Nähe. Es ist gut, dass ich mich so leichter ablenken kann. Das macht die Sache einfacher, als wenn ich im Hotel wohnen würde oder neu im Verein wäre“, sagt Daniel Didavi. Ganz ähnlich sieht es Timo Baumgartl: „Mit meinen Freunden spreche ich nicht so viel über Fußball, deshalb kann ich besser abschalten als die Spieler, deren Freundeskreis weit weg ist.“

Die individuelle Stärke greift in der Regel umso besser in einem leistungsfördernden Umfeld. Weshalb, was das Saisonfinale in Paderborn angeht, die regionale Anbindung einzelner Spieler so wichtig ist wie die mentale Drucksituation, die auf der ganzen Mannschaft liegt. Der VfB kann sich mit einem Sieg retten, der SC oder der Hamburger SV müssen dagegen gewinnen und sind zudem von anderen Ergebnissen abhängig. „Dadurch hat der VfB einen mentalen Vorteil“, sagt Psychologe Zepp, „er kann sich ganz auf sich konzentrieren.“ Die Wissenschaft bezeichnet das als Handlungsorientierung: „Der Spieler muss sich nur darauf fokussieren: Was mache ich im Spiel als Nächstes? Gibt es Freistoß, konzentriert er sich allein auf diesen Freistoß.“ Und dann gibt es, als zusätzliche Hürde, die sogenannte Lageorientierung. „Dabei denkt der Spieler nicht nur an die Ausführung eines Freistoßes oder Elfmeters, sondern auch: Was passiert, wenn das schiefgeht oder wenn ich verschieße? Und, was die Spieler aus Paderborn und Hamburg betrifft: Wie steht es auf den anderen Plätzen?“

Der VfB im Vorteil? Im Prinzip schon. Doch wehe, er gerät in Rückstand. Dann gilt Obiges plötzlich auch für ihn.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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