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Porth in der kontrollierten Offensive

Daimler-Vorstand Wilfried Porth hat sich in den vergangenen Tagen als Aufsichtsrat des VfB Stuttgart öffentlich klar positioniert. Das hat seine Gründe.


Der Aufsichtsrat des VfB Stuttgart, Wilfried Porth, hat zur Medien-Offensive ausgeholt.

Auf den ersten Blick ist nach dem Rücktritt Jos Luhukay mehr als deutlich, wer beim VfB Stuttgart nun der starke Mann ist. Jan Schindelmeiser hat Transfers durchgedrückt, die den Ex-Trainer am Ende nicht mehr begeisterten, er hat die Trennung mit klaren Worten moderiert und sucht nun einen Chefcoach, der zur eigenen Philosophie passt. Keine Frage: Der erst sei einigen Wochen tätige Sportvorstand bestimmt maßgeblich die Richtung des VfB Stuttgart.

Andererseits ist in den vergangenen Tagen ein anderer Akteur in den Fokus gerückt, der das so im Grunde gar nicht vorhatte. Versteht der aktuelle Aufsichtsrat des VfB seine Aufgabe doch als eine im Hintergrund. Vergangene Woche aber trat Wilfried Porth, der stellvertretender Vorsitzende des Kontrollgremiums mit seinen klaren Ansagen an Luhukay an die Öffentlichkeit, am Sonntagabend folgte ein TV-Auftritt im SWR. So ungewöhnlich diese Ausflüge ins Rampenlicht erscheinen, so notwendig waren sie wohl aus Sicht des Vereins, die Porth am Sonntagabend in einem Satz ganz gut zusammenfasste: „Am Ende hatten wir keine andere Wahl.“


Das öffentliche Feld wird beackert

Der Personalvorstand der Daimler AG bezog diesen Satz auf die Notwendigkeit, der öffentlichen Transferkritik Luhukays einen öffentlichen Rüffel entgegenzusetzen. Intern hatte sich der Coach schon viel zu sehr von seinen Mitstreitern abgekapselt, als dass eine Aussprache Wirkung gezeigt hätte. Porth betont zwar: „Wir haben uns diese Situation nicht gewünscht.“ Andererseits darf man die medienwirksamen Schritte der vergangenen Tage aber als aktuell generelle Marschroute sehen. Ganz nach dem Motto: Bevor andere über uns reden, reden wir lieber selbst.

Der Aufsichtsrat nimmt die Diskussionen in Kauf

Das war im Fall Luhukay so, das ist in Bezug auf die am 9. Oktober anstehende Mitgliederversammlung nicht anders. Dort soll ein neuer VfB-Präsident gewählt werden, der Aufsichtsrat hat sich entschieden, Wolfgang Dietrich als einzigen Kandidatenins Rennen zu schicken – und müht sich nun gemeinsam mit dem 68-jährigen Unternehmer, das Feld für eine erfolgreiche Wahl öffentlichkeitswirksam zu bereiten.

Dass dies nicht ganz einfach ist, liegt an der generellen Vertrauenskrise, die Amtsträger beim VfB mittlerweile begleitet – und an Dietrichs Vergangenheit. Einerseits als Sprecher des umstrittenen Bahn-Projekts Stuttgart 21, andererseits an den unternehmerischen Tätigkeiten des Leonbergers in den vergangenen Jahren. So war Dietrich als Darlehensgeber für verschiedene deutsche Profivereine aktiv, unter anderem sind aktuelle Zweitliga-Konkurrenten des VfB dabei.

Zwar versichert der Präsidentschaftskandidat, sich längst aus dem operativen Geschäft zurückgezogen zu haben. Da sein Sohn Christoph aber nun die Geschicke in einer Reihe der von Wolfgang Dietrich aufgebauten Firmen leitet, beäugen nicht wenige das Ganze kritisch in Bezug auf einen möglichen Interessenskonflikt. Wilfried Porth dagegen sagt: „Uns war klar, dass er im Fußballgeschäft unternehmerisch tätig war. Aber das war ja auch eine unserer Voraussetzungen für die Kandidatur.“


Was laut Porth für Dietrich spricht

Zudem verweist er in Richtung all der Kritiker auf die doch überschaubare Zahl der Mitbewerber. Lediglich ein initiativer Bewerber hätte die formalen Voraussetzungen für eine Kandidatur erfüllt, er habe abgesagt, als klar war, dass der Job künftig ein ehrenamtlicher sein soll. Nicht nur deshalb hat der Aufsichtsrat laut Porth die heftigen und kontroversen Diskussionen rund um den Kandidaten nicht nur vorausgesehen, sondern auch in Kauf genommen, und er sei „weiterhin felsenfest überzeugt“ von Dietrich.

„Wir brauchen jemand, der Ecken und Kanten hat. Wir müssen gewisse Dinge durchsetzen. Das wird nicht funktionieren, wenn einer als Weichspüler in die Runde kommt“, sagt Porth und betont: „Es kann doch nicht sein, dass wir einen Präsidenten aussuchen, der allen gefällt, den Verein aber nicht nach vorne bringt.“ Dass diese Meinung nicht nur seine persönliche ist, sondern auch die im Sinne seines Arbeitgebers – dem VfB-Sponsor Daimler, der bei einer möglichen Ausgliederung der Hauptinvestor wäre – macht Wilfried Porth auch klar: „Ich habe hier ja eine Doppelfunktion.“ Die er, so versichert er, so schnell nicht aufgeben werde, ganz gleich, wie die Präsidentenwahl am 9. Oktober läuft. „Der Daimler steht zum VfB – uneingeschränkt“, sagt Porth. Und: „Wir werden im Aufsichtsrat zu unserer Verantwortung stehen und dafür sorgen, dass der VfB einen neuen Präsidenten bekommt.“ Einen Rücktritt von seinem Amt im Kontrollgremium des Fußball-Zweitligisten hatte der Daimler-Personalvorstand bereits in der vergangenen Woche ausgeschlossen. Mit „gespannter Erwartung“ blickt er nun dem 9. Oktober entgegen.


Der Kandidat verspricht „Maßnahmen“

Das tut auch Wolfgang Dietrich, der zugibt, mit seiner Rolle „im Wartesaal“ nicht ganz glücklich zu sein. Am liebsten, das will er damit sagen, würde er sofort mit der Arbeit loslegen. Der Respekt vor den demokratischen Strukturen des Vereins verbietet dies natürlich, der Tatendrang ist dem 68-Jährigen dennoch anzumerken. Dem Fanausschuss hat er sich in der vergangenen Woche ebenso präsentiert wie einem Wirtschaftskreis, den Mitarbeitern der Geschäftsstelle, dem Ehrenrat, dem Freundeskreis und rund 130 Vorsitzenden von offiziellen VfB-Fanclubs. Überall spüre man, sagt Dietrich, „welche Kraft in diesem Verein steckt“. Nach einer kurzen Auszeit am vergangenen Wochenende setzt er nun seine Wahlkampftour fort und versucht, mit so vielen Menschen rund um den VfB ins Gespräch zu kommen.

Dietrich will „führen, managen, steuern“

„Es ist schon jetzt ein Full-Time-Job“, sagt er und versucht eines bei kritischen Fragen in Bezug auf seine unternehmerischen Tätigkeiten dann immer darzulegen: „Wenn ich die Absicht hätte, mit dem VfB Geschäfte zu machen, gäbe es ganz andere Möglichkeiten.“ Würde er dies im Amt des Präsidenten tun, würde er sich dagegen strafbar machen und müsste gegen allerlei Statuten verstoßen. „Einen Teufel werde ich tun“, sagt Dietrich bestimmt, „das ist mir meine Reputation nicht wert.“ Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) prüft noch die Einvernehmlichkeit von Dietrichs Geschäftsfeldern (eine Minderheitenbeteiligung an der Quattrex AG besteht noch) und dem angestrebten Amt.

Bis zum 9. Oktober will er möglichst viele Zweifel zerstreuen und eine Mehrheit der Mitglieder von sich und seinen Plänen überzeugen. Um dann womöglich den Worten Taten folgen lassen zu können. Seine Überzeugung lautet dabei: „Ein Verein ist dann erfolgreich, wenn ein starker Präsident die täglichen und völlig normalen Konflikte schnell löst und Entscheidungen trifft.“ Statt Power-Point-Präsentationen kündigt er „Maßnahmen“ an und verspricht auf die Vereinspolitik eine Art kontrollierte Offensive: „Ich will den Club führen, managen, steuern.“ An den Mitgliedern liegt es, ob er das darf und der neue starke Mann des VfB Stuttgart sein kann. Und die Herren aus dem Aufsichtsrat dann wieder in den Hintergrund treten können.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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