Wahler:

„Kramny hat unser Vertrauen“ ...diese Aussage treffen Präsidenten immer rund 24 Stunden bevor man dem hochgelobten Trainer Sonntag morgens um 10 Uhr den Stuhl vor die Tür stellt... (Anm. d. Paten)

Ein gesicherter Mittelfeldplatz war das Saisonziel, vier Spiele vor dem Ende kämpft der VfB wieder ums sportliche Überleben in der Bundesliga. „Jetzt muss ein Ruck durch die Mannschaft gehen“, sagt Präsident Bernd Wahler.


Sorge um die sportliche Zukunft: VfB-Präsident Bernd Wahler

Herr Wahler, der VfB hat diese Woche die Bundesligalizenz für die kommende Saison erhalten. Mit Verlaub: Auch für die zweite Liga?
Wir haben die Lizenz für beide Ligen bekommen, und beide Male ohne Auflagen und Bedingungen. Die Deutsche Fußball-Liga fordert von allen gefährdeten Vereinen, auch eine Lizenz für die zweite Liga zu beantragen. Davon dürften in dieses Saison einige Clubs mehr betroffen gewesen sein als in anderen Jahren.

Was lässt Sie hoffen, dass der VfB auch diesmal nicht Plan B aus der Schublade ziehen muss?
Wir liegen zwei Punkte vor dem Relegationsplatz, die Situation ist eine etwas andere als vergangene Saison, als wir die letzten drei Spiele auf Teufel-komm-raus gewinnen mussten. Da gab es nur Entweder-oder. Das war brutal, was die jetzige Situation aber nicht einfacher macht.

Worauf kommt es diesmal an?
Der Auftritt in Augsburg war indiskutabel, keine Frage. Damit haben wir uns aktiv auseinandergesetzt, auch mittels zahlreicher Gespräche der Spieler untereinander. Wenn die Mannschaft selbst etwas erarbeitet, ist das immer besser, als wenn nur der Trainer oder die Vereinsführung etwas vorgibt. Entscheidend wird sein, dass ein Ruck durch die Mannschaft geht. Sie muss jetzt auf dem Platz Akzente setzen, ungeachtet unseres Pechs mit Verletzungen oder Grippefällen.

Wie groß ist die Gefahr, dass das als Ausrede herangezogen wird?
Es nützt nichts zu jammern. Die Situation ist, wie sie ist. Natürlich können schon ein paar Kleinigkeiten den Unterschied zwischen den Plätzen zehn und 18 ausmachen. Unser Kader ist aber gut genug, um trotz der Ausfälle den Klassenverbleib zu schaffen.

Er sollte sogar so gut sein, um einen gesicherten Mittelfeldplatz zu erreichen. So lautete das Ziel vor der Saison. Verzweifeln Sie nicht langsam an diesem Kader?
Der Kader war ja auch für die guten Phasen in dieser Saison verantwortlich. Ich vergleiche das immer mit einem Mobile. Wenn da ein Teil wackelt, dann wackelt das ganze System. Bei unserer Siegesserie zum Rückrundenbeginn stand immer nahezu die gleiche Elf auf dem Platz. Das ist jetzt anders, aber wie gesagt: Lamentieren hilft nicht.

Jeder Trainer muss sich nach nur einem Sieg aus neun Spielen Gedanken um seinen Job machen. Gilt das auch für Jürgen Kramny?
Wir sehen jeden Tag, wie er arbeitet. Wenn man nur die Tabelle während seiner Amtszeit nimmt, stehen wir auf Platz sieben. Deshalb klipp und klar: Wir wollen keine Trainerdiskussion, und wir haben auch keine.

Gilt das auch bezüglich der nächsten Saison?
Jürgen Kramny hat unser Vertrauen. Wir sind überzeugt, dass er der Richtige für den VfB ist. Wir wollen mit ihm etwas aufbauen.

Der Vertrauensverlust bei den Fans ist schon länger spürbar, das Stadion war diese Saison erst einmal ausverkauft. Verstehen Sie die Fans?
Ich spüre, wie nervös die Menschen auch im Umfeld des Vereins sind. Davon müssen wir uns befreien. Am besten, indem die Spieler in ihren Köpfen jetzt in einen positiven Modus schalten und an vergangene Erfolgserlebnisse anknüpfen. Sie haben doch schon gezeigt, dass sie es können.

Aber immer nur in kurzen Phasen, dann begann die alte Leier.
Ich sehe in unserem Verein in vielen Bereichen Entwicklungen, die in die richtige Richtung gehen. Ich verstehe aber auch jene Fans, die Sorgen und Ängste haben und sich fragen: Was hat sich denn verbessert? Wir müssen aus dieser Abwärtsspirale raus und den Teufelskreis durchbrechen.

Wie soll das gelingen?
Wir hatten in den vergangenen Jahren auf der Trainerseite viele Veränderungen, aber wir stecken immer noch in der Spirale. Wir müssen weiter an der Mentalität der Mannschaft arbeiten. Die Mentalität muss sich im ganzen Verein noch mehr verändern. Das haben wir uns auf die Fahne geschrieben.

Was meinen Sie genau?
Ich habe nach unserer Niederlage gegen Bayern München Fans getroffen, die sagten: Der VfB hat doch gut gespielt und sich wacker geschlagen. Da sage ich: Leute, das kann nicht wahr sein! Wir haben verloren, da darf doch keine Genügsamkeit oder Selbstzufriedenheit aufkommen. Das meine ich mit der Mentalität, die generell anders werden muss. Das fängt im Verein an, und wir müssen das nach außen verkörpern.

Also, klarer Fall: Gegen Borussia Dortmund stellt Sie nur ein Sieg zufrieden?
Wir treten gewiss nicht an, um nur gut auszusehen. Gegen den BVB soll etwas Zählbares herausspringen.

Serey Dié hat sich zur gleichen Zeit, als der VfB in Augsburg verlor, bei seinem Ex-Club FC Sion feiern lassen. Das ist sicher nicht die Mentalität, die Sie meinen?
Serey ist als Typ für die Mentalität der Mannschaft ganz wichtig. Es war abgesprochen, dass er an dem Tag in seine zweite Heimat geht. Aber dann hat er es übertrieben.

Enttäuscht Sie das nicht maßlos? Dié ist ein gestandener Profi!
Wir haben unser Befremden klar adressiert. Damit ist die Sache erledigt.

Sportvorstand Robin Dutt hat sich nach dem Spiel in Augsburg unglücklich geäußert, als er sagte, die Niederlage sollen die Spieler selbst erklären. Das wirkte wie eine Absetzbewegung von der Mannschaft – auf Sie auch?
Robin Dutt hat auch Emotionen. Ich habe das als klare Ansage verstanden, dass er die Mannschaft in die Pflicht nimmt. Wie ein Abrücken habe ich es nicht empfunden. Und diese Woche haben wir gemeinsam Gespräche geführt und Maßnahmen getroffen, um den Fokus auf den Endspurt zu legen.

Welche Lehre ziehen Sie aus der Tatsache, dass der VfB dauerhaft gegen den Abstieg spielt?
Das macht nur noch deutlicher, wie wichtig die Ausgliederung für den VfB ist.

Darüber entscheidet die Mitgliederversammlung am 17. Juli. Wie kommen Sie bei Ihrer Überzeugungsarbeit voran?
Viele Mitglieder können inzwischen nachvollziehen, dass es keine Schwarz-Weiß-Entscheidung ist und wir nicht die Seele des Vereins verkaufen.

Sie kalkulieren mit Einnahmen von 60 bis 70 Millionen Euro, rund 40 Prozent davon wollen Sie in die Mannschaft investieren. Steht das Geld schon zur neuen Saison zur Verfügung, falls die Ausgliederung im Juli durchgeht?
Ein klares Ja. Aber die Ausgliederung bietet auch mittelfristig Vorteile. Mit einem größeren Finanzrahmen kann der Verein ganz anders in Gespräche mit Banken und Sponsoren gehen, er kann auf dem Transfermarkt früher handeln und ist mit einer besseren finanziellen Basis viel flexibler.

Kann der VfB dann endlich Spieler wie Daniel Didavi oder Antonio Rüdiger halten?
Das ist ein Hintergedanke bei der Sache. Das gilt im übrigen auch für das Team Marktwert, das wir gemeinsam mit fünf anderen Bundesligisten angestoßen haben, um neue Kriterien bei der Verteilung der Fernsehgelder vorzuschlagen. Dabei geht es um deutlich weniger Geld. Aber für den VfB machen ein paar Millionen mehr oder weniger vielleicht den Unterschied, ob wir einen Spieler wie Daniel Didavi halten können oder nicht.

Mancher Fan fürchtet, das frische Geld könne ähnlich verpuffen wie die 80 Millionen Euro, die durch Transfers von Mario Gomez und anderen reinkamen. Was entgegnen Sie da?
Natürlich ist qualitativ gute Arbeit erforderlich. Aber die jetzige Vereinsführung hat bewiesen, dass sie verantwortungsbewusst handelt. Das sollte man bewerten – und nicht daran, was vor Jahren geschehen ist.

Kommt die Ausgliederung in jedem Fall – auch bei einem möglichen Abstieg?
Dieses Szenario diskutieren wir zum jetzigen Zeitpunkt ganz bewusst nicht rauf und runter. Sollte dieser Fall eintreten, ist immer noch Zeit, darüber zu sprechen. Wir gehen vom Klassenverbleib aus. Darauf arbeiten wir mit all unseren Kräften hin.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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