Bundesliga

„Ein Sieg wäre etwas ganz Besonderes“

Dem VfB Stuttgart steht am Samstag gegen Bayern München ein schweres Spiel bevor. Trainer Jürgen Kramny sagt, sein Team sei „heiß auf dieses Duell“, warnt aber gleichzeitig vor Fehlern.


VfB-Trainer Jürgen Kramny will gegen den FC Bayern München die bestmögliche Leistung zeigen.

Für das Gespräch mit Jürgen Kramny (44) sind eigentlich nur 30 Minuten anberaumt, aber am Ende wird dann fast eine ganze Stunde daraus. Schließlich hat der Trainer des VfB Stuttgart vor der Partie an diesem Samstag gegen den FC Bayern einiges zu erzählen.

Herr Kramny, warum gewinnt der VfB gegen den FC Bayern?
Ob wir gewinnen, weiß ich natürlich nicht. Aber wir nehmen uns auf jeden Fall vor, unsere beste Leistung abzurufen. Wenn wir einen guten Tag erwischen, kann das für einen Punkt reichen – oder sogar für mehr.

Da muss dann an dem guten Tag aber wohl einiges zusammenkommen?
Ich habe mir alle Spiele der Bayern in dieser Saison angeschaut. Bei ihnen hat jeder Spieler die Qualität, eine Partie alleine zu entscheiden. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir kompakt auftreten und dem Gegner immer wieder Aufgaben stellen. Außerdem dürfen wir nicht viele Fehler machen, eigentlich gar keine.

Das ist dem FSV Mainz zuletzt bei seinem 2:1-Sieg in München sehr eindrucksvoll gelungen. Haben Sie sich von dem   dortigen Trainer Martin Schmidt jetzt den ein oder anderen Tipp geholt?
Das nicht, aber die Mainzer sind in der Tat ein gutes Beispiel, an dem wir uns orientieren können. Sie haben gezeigt, wie man sich präsentieren muss und wie es klappen kann. Da muss alles passen. Nicht umsonst haben die Bayern in dieser Saison nur zweimal verloren. Gegen sie muss man in jeder Sekunde hellwach sein und darf sie nie aus den Augen verlieren.

Für die VfB-Fans gibt es kaum etwas Schöneres als Siege gegen Bayern. Gilt das auch für einen VfB-Trainer?
Ein Sieg wäre natürlich auch für mich etwas ganz Besonderes – aber nicht nur für mich, sondern auch für die Spieler. Im Training hat man in dieser Woche gespürt, dass alle heiß sind auf dieses Duell.

Wären die Voraussetzungen für den VfB nicht günstiger gewesen, wenn die Partie zu einem früheren Zeitpunkt in der Rückrunde stattgefunden hätte, als das Team sehr erfolgreich war und viel Selbstvertrauen hatte?
Erstens konnten wir uns den Termin ja nicht aussuchen, und zweitens spielen solche Dinge gegen die Bayern keine Rolle. Wir können jetzt unsere Situation verbessern. Das ist der Anreiz – und nur das zählt.

Nachdem die Mannschaft ihre ersten vier Rückrundenspiele gewonnen hat, gab es in den sieben Partien danach nur noch einen Sieg – beim 5:1 gegen die TSG Hoffenheim. Können Sie erklären, warum?
Insgesamt gehören wir derzeit da hin, wo wir in der Tabelle stehen – auf Rang zwölf. So ehrlich müssen wir sein. Aber das Spiel gegen Hannover war sicher ein Knackpunkt. Da hatten wir einen schlechten Tag, was auch mal passieren kann. Ärgerlich ist aber, dass wir es anschließend nur noch gegen Hoffenheim geschafft haben, eine Führung auszubauen. In anderen Spielen haben wir vielleicht unbewusst etwas in der Konzentration nachgelassen, auch Cleverness hat gefehlt. Insgesamt haben wir uns zwar aus einer schwierigen Situation im Winter befreit, doch nun müssen wir nachlegen. Wir sind noch nicht durch. Momentan geht es mehr um die Ergebnisse als um die Entwicklung.

Wie viele Punkte sind für den Klassenverbleib noch nötig?
Fünf Punkte müssten reichen.

Auffällig ist, dass die Mannschaft immer dann wieder schwächelt, wenn das Gröbste vermeintlich überstanden ist – ist das vielleicht eine Frage der Mentalität, wie es auch intern des Öfteren heißt?
Wenn ich die Trainingsleistungen zum Maßstab nehme, würde ich auf jeden Fall sagen: Nein! Die Elf hat zuletzt viele Rückstände noch gedreht und dann am Ende nicht verloren. Das belegt, dass die Teamarbeit zwar vielleicht nicht fehlerfrei ist, aber zumindest gut. Jetzt geht es darum, das zu Ende zu bringen, was wir auf den Weg gebracht haben, und die Klasse zu halten. Das war unser Auftrag im November.

Was muss in diesem Sommer geschehen, damit der VfB in der nächsten Saison nicht wie in den vergangenen Jahren erneut gegen den Abstieg kämpft?
Mit Kevin Großkreutz haben wir ja schon in der Winterpause einen Spieler verpflichtet, der viel Erfahrung und die richtige Mentalität mitbringt. Dazu haben wir jetzt mit Jean Zimmer aus Kaiserslautern einen Mann geholt, der für Frische und Unbekümmertheit steht. Wir achten auf die Mischung, um die Mannschaft zu festigen und zu formen.

Dafür verlässt Daniel Didavi (nach Wolfsburg) den VfB – und zudem drohen die Abgänge von Martin Harnik und Filip Kostic.
So ist das Geschäft. Wenn ein Spieler geht, versuchen wir, Ersatz zu finden, um mit Feuer in die neue Runde zu starten – ohne jedoch jetzt großartige Ziele zu formulieren. Denn das würde uns nur unnötig unter Druck setzen.

Um wieder bessere Perspektiven zu besitzen, müssen sich die Spieler weiterentwickeln. Klappt das beispielsweise bei Timo Werner?
Er ist erst 20 und inzwischen schon ein absoluter Stammspieler bei uns. Das sagt doch alles. Er bekommt unsere volle Unterstützung. Das bedeutet aber auch, dass wir Timo von seiner Spielweise her variabler machen wollen. Das Ziel ist, dass er nicht nur in der Angriffsmitte spielen kann, sondern auch auf dem Flügel. Das wäre der nächste Schritt, der wichtig für seine Zukunft ist.

Hat Werner die Debatte über einen möglichen Vereinswechsel zuletzt vielleicht etwas vom Fußballspielen abgelenkt?
Von ihm ist dieses Thema ja nicht gekommen, aber klar ist, dass einen jungen Spieler solche Spekulationen beschäftigen. Zu seiner Zukunft ist jedoch alles gesagt. Er ist hier beim VfB sehr gut aufgehoben, und wir tun alles, um ihn fußballerisch weiter zu verbessern. Das Potenzial ist bei ihm vorhanden, aber er hat da auch noch eine weite Strecke vor sich. Dieser Aufgabe muss er sich stellen.

Werner hat zuletzt erklärt, dass er es wohl leichter hätte, wenn neben ihm ein zweiter Stürmer auflaufen würde. Ist der Darmstädter Sandro Wagner ein Kandidat, der schon zwölf Saisontore erzielte und am Samstag beim 2:2 gegen den VfB überzeugte?
Er ist sicher nicht uninteressant, aber wir diskutieren intern gerade über einige Namen. Fakt ist, dass wir vorne einen brauchen, der die Gegenspieler bindet.

Weil überhaupt nicht absehbar ist, wann Daniel Ginczek nach seinem Kreuzbandriss in die Mannschaft zurückkehrt?
Vor dem neuen Jahr können wir mit ihm voraussichtlich leider nicht rechnen – und das müssen wir personell auffangen.
Sie könnten dafür den bisher von Dynamo Kiew nur ausgeliehenen Ukrainer Artem Kravets fest unter Vertrag nehmen.
Stimmt, aber diese Entscheidung ist noch nicht gefallen. Da warten wir die nächsten Wochen ab.

Wenn Sie auf dem Transfermarkt einen Wunsch frei hätten – was würden Sie sagen?
Dass ich gerne dauerhaft einen Linksfuß für die Innenverteidigung hätte – Federico Barba ist ja ebenfalls auf Leihbasis bei uns.

Ein Talent aus den eigenen Reihen drängt sich – egal für welche Position – nicht auf?
Große Fortschritte hat Mart Ristl gemacht. Er wird ein interessanter Mann für die Saisonvorbereitung im Sommer. Auch Max Besuschkow traue ich den Sprung zu – und ein paar anderen, wenn der richtige Augenblick gekommen ist. Denn für junge Spieler ist ein organischer Karriereaufbau sehr wichtig. Wenn sie zu schnell nach oben in die Bundesliga kommen, hilft ihnen das nicht weiter.

Das VfB-Eigengewächs Joshua Kimmich ist ebenfalls ein junger Spieler, der sich bei den Bayern auf Anhieb durchgesetzt hat.
Joshua ist außergewöhnlich – ein Topmann auch von der Spielintelligenz her. Er hätte wohl selbst nicht gedacht, dass er sich in München auf der ungewohnten Position in der Innenverteidigung etabliert. Er hat das Zeug zum Nationalspieler.

Der Bayern-Trainer Pep Guardiola hat Kimmich in die Abwehr gestellt – in Ihren Augen ein mutiges Experiment?
Ich glaube nicht, dass viele Trainer auf die Idee gekommen wären, mit zwei Innenverteidigern zu spielen, die nicht größer als 1,84 Meter sind. Allein das zeigt den Ideenreichtum von Pep Guardiola.

Er verlässt im Sommer die Bayern und die Bundesliga und wechselt nach England zu Manchester City. Welche Impulse hat er dem deutschen Fußball gegeben?
Offensichtlich ist, dass bei ihm immer nach spielerischen Lösungen gesucht wird. Aber das funktioniert auch mit einer Mannschaft, in der ein Torhüter wie Manuel Neuer steht, der den Spielaufbau bereits von ganz hinten einleitet. Zudem zeichnet Pep Guardiola aus, dass er flexibel ist und sich auf verschiedene Spielsituationen einstellen kann. Das ist seine Philosophie. Er wird der Liga fehlen.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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