2. Liga

„Es gibt keine Laufkundschaft“

Von den Möglichkeiten her kann der 1. FC Nürnberg mit dem VfB derzeit nicht konkurrieren, sagt Club-Coach Alois Schwartz – und erklärt, warum er im Spiel in Stuttgart dennoch eine Siegchance sieht.


Hat mit dem 1. FC Nürnberg inzwischen die Erfolgsspur gefunden: Trainer Alois Schwartz, einst Profi bei den Stuttgarter Kickers

Herr Schwartz, zu Saisonbeginn blieb der Club sechs Spiele ohne Sieg, zuletzt sieben Spiele ohne Niederlage. Was beschreibt den wahren 1. FC Nürnberg?
Zunächst einmal kam es nicht ganz überraschend, dass solch ein Saisonstart würde passieren können.

Warum?
Ich wusste, dass der Club ein Verein mit einem sprichwörtlich kleinen Geldbeutel ist. Dann haben uns einige wichtige Spieler aus dem Offensivbereich verlassen. . .

. . . zum Beispiel Niclas Füllkrug in Richtung Hannover .  .  .
. . .insgesamt sind so 28 Tore und 18 Assists verloren gegangen. Dennoch gab es nach Platz drei in der vergangenen Saison einerseits zwar eine große Enttäuschung wegen des in der Relegation knapp verpassten Aufstiegs. In Fürth oder Karlsruhe war das ja einst ähnlich. Andererseits gab es aber extern trotz der Abgänge und geringer finanzieller Möglichkeiten auch eine große Erwartungshaltung. Wichtig ist aber, ass intern alle eine realistische Einschätzung haben. Ich kam ja auch mit dem Auftrag hierher, nach und nach junge Spieler einzubauen. Das erfordert Geduld.

Die vermutlich nicht die große Stärke des Nürnberger Umfelds ist.
Zu Saisonbeginn war sie jedenfalls nicht sehr ausgeprägt. Nach zwei Unentschieden wurde schon Vieles infrage gestellt.

Auch innerhalb des Vereins?
Nein, innerhalb des Clubs ist viel Realismus vorhanden. Und es ist ja auch klar, dass die Fans eines Traditionsvereins gerne wieder in die erste Liga aufsteigen würden.

Sie haben sich dieses Umfeld ausgesucht nach drei Jahren im eher beschaulichen ­Sandhausen.
Das stimmt. Aber nach drei Jahren war für mich einfach der Zeitpunkt gekommen, etwas Neues zu machen. So kann sich der SVS weiterentwickeln – und ich kann das auch. Nun bin ich bei einem Verein mit anderen Voraussetzungen, aber auch mit einer anderen Erwartungshaltung und einer anderen Begleitung durch die Medien – und diese Arbeit reizt mich jeden Tag aufs Neue. Wir wollen hier Ruhe reinbringen, aber auch eine Gier nach gemeinsamen Erfolgen.

Wie Sie schon gesagt haben: Die Fans gieren nach dem Aufstieg.
Aber das ist eben nicht so einfach. Dafür braucht es neben der Geduld auch Zusammenhalt und viel harte Arbeit.

Die scheint sich zuletzt ausgezahlt zu haben.
Ich habe die Mannschaft kennengelernt, die Mannschaft hat mich kennengelernt – so haben wir uns gesteigert und zuletzt gute Ergebnisse erreicht. Aber klar ist: In dieser zweiten Liga gibt es keine Laufkundschaft, jedes Spiel ist schwierig.

Am Montag spielen Sie in Stuttgart.
Da gilt meine These erst Recht. Ich habe den VfB zuletzt gegen Bielefeld gesehen. 56 000 Zuschauer waren im Stadion, der Club hat sich nach dem Abstieg finanziell gestreckt, viele Spieler gehalten, hat den letztjährigen Torschützenkönig geholt, hat EM-Teilnehmer, Weltmeister und deutsche Meister im Kader – im Gegensatz zu uns herrschen da ganz andere Voraussetzungen.

So ähnliche Voraussetzungen hatte der Club nach dem Abstieg 2014 auch.
Ja, das ist ja immer mal wieder so. Man steigt ab, hält das Budget beisammen, schafft es dann aber nicht, wieder aufzusteigen. Im zweiten Jahr gibt’s mit erneut großem Budget noch einen Versuch. Wenn man es dann wieder nicht schafft, fällt man irgendwann vielleicht in ein Loch.

Ist der 1. FC Nürnberg insofern auch ein warnendes Beispiel für den VfB – was passieren kann, wenn die Rückkehr nicht schnell genug gelingt?
Womöglich. Wobei man schon berücksichtigen muss, dass der Club seit dem Abstieg auch große Umbrüche im Kader wechstecken musste. Klar ist jedenfalls: Irgendwann muss sich auch ein ehemaliger langjähriger Bundesligist ganz anders orientieren – außer, es gibt jemanden, der Defizite immer wieder ausgleicht.

Und was bedeutet all das nun für das Duell am Montag?
Nochmal: Der VfB und Hannover 96 haben die am besten besetzten Kader – aber man hat anhand der ersten 13 Spieltage auch gesehen, wie eng es in dieser zweiten Liga zugeht.

Sie haben Hannover 96 2:0 geschlagen .  .  .
. . . ja, aber dafür musst du 90 Minuten lang all die kleinen Dinge richtig machen. Die Mannschaft muss kompakt stehen, laufstark sein und diese Leistung dann konstant abrufen. Über die Dauer eines Spiels, und – wenn man oben dabeisein will – eben auch über mehrere Spiele hinweg. Eine enge Partie erwarte ich auch am Montag in Stuttgart, wir wollen einfach ehrliche Arbeit abliefern.

Diese Arbeit unter erschwerten Bedingungen, die Kunst, aus wenig viel zu machen – ist das eigentich eine Aufgabe, die ihnen besonders gut liegt?
Natürlich wünscht man sich das eine oder andere Mal auch mal ein bisschen mehr Möglichkeiten. Aber das Leben ist nunmal kein Wunschkonzert. Erfurt, Sandhausen oder jetzt Nürnberg – das waren immer schwierige Aufgaben. Aber eben auch sehr reizvolle Herausforderungen, die ich aktuell mit viel Spaß und Leidenschaft versuche zu meistern.

In Stuttgart kennt man Sie vor allem als erfolgreichen Spieler der Stuttgarter Kickers. Mit dem VfB hatten Sie nie Berührungspunkte?
1990 war es, oder 1991, da hatte ich eine sehr gute Zweitligasaison gespielt, und es gab das Interesse des VfB. Aber die damaligen Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder und Axel Dünnwald-Metzler haben dann entschieden: Jetzt geht erstmal keiner mehr von Degerloch nach Cannstatt. So bin ich bei den Blauen geblieben, mit denen ich zwischen 1983 und 1993 einfach alles erlebt habe.

Entsprechend traurig wird Sie aktuell der Blick auf die Regionalligatabelle stimmen.
Für mich als einen, der die guten Zeiten bei den Kickers mitgemacht hat, ist das sehr traurig. Ich schaue immer noch regelmäßig nach meinem Heimatverein, aber ab und zu tut das schon weh.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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