BVB-Sportdirektor Zorc

„Der VfB Stuttgart ist reif für die Champions League“


Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc macht stille Post – und betont, dass er
sich insgeheim schon auf das nächste Champions-League-Finale freut.

Herr Zorc, Borussia Dortmund hat die letzten vier Heimspiele gegen Stuttgart nicht gewonnen – ist der VfB ein Angstgegner für Sie?
Das mit den vier Spielen hatte ich gar nicht auf dem Schirm – aber dann wollen wir unsere schwarze Serie am Freitag natürlich durchbrechen (lacht).
Auswärts lief es aus Ihrer Sicht zuletzt besser – nach dem 2:1-Sieg in Stuttgart in der vergangenen Saison prangerten Sie aber die angeblich zu harte Gangart des VfB an. Wie sehen Sie die Sache heute?
Das Spiel war damals überhart geführt vom VfB, zu dieser Aussage stehe ich nach wie vor. Wie zum Beispiel Georg Niedermeier damals eingeschritten ist, das ging manchmal schon über die Grenze hinaus. Das hat sich aber in dem Spiel so ergeben, die Emotionen sind hochgekocht, das passiert eben manchmal. Ich würde auch nie behaupten, dass der VfB ein unfaires Team ist – die Sache ist für uns abgehakt.
Der Abstand zwischen dem BVB, der begeisternden Fußball spielt und große Erfolge feiert, und dem VfB ist zurzeit groß – welches Potenzial hat der VfB?
Dass das Team in dieser Saison in der Qualifikation zur Europa League gescheitert ist, hat mich angesichts der hohen Qualität des Kaders überrascht. Momentan sieht es in der Liga so aus, dass drei Mannschaften vorneweg marschieren. Dahinter kommen für Platz vier viele Teams infrage. Dazu zählt mit Sicherheit der VfB. Borussia Mönchengladbach hat es vor zwei Jahren vorgemacht und ist überraschend Vierter geworden.
Wo geht die Reise des VfB langfristig hin?
Ich habe gehört, dass das Gästekontingent am Freitag ausgeschöpft ist und dass 8000 Stuttgarter im Stadion sein werden – das allein zeigt die enorme Stahlkraft des Clubs. Der VfB ist ein Verein mit großer Tradition, und sie beweisen es immer wieder, dass sie wie im Jahr 2007 Titel einfahren können.
Der BVB scheint zurzeit aber meilenweit entfernt zu sein.
Das sehe ich gar nicht so dramatisch. Die Region Stuttgart ist neben Bayern die wirtschaftsstärkste in Deutschland. Da könnte auf lange Sicht noch ungeheures Potenzial für den VfB liegen. Zudem ist der Club bundesweit bekannt für seine tolle Jugendarbeit. Ich denke, dass der VfB auch auf lange Sicht reif für die Champions League ist.
Aus der Königsklasse ist der BVB nach den überragenden Auftritten in der vergangenen Saison kaum noch wegzudenken – muss in dieser Spielzeit nicht der Titel das Ziel sein?
Das würden wir in unserer bescheidenen Art im Ruhrgebiet nie so ausgeben. Aber eines können Sie mir glauben – wenn man einmal im Finale stand und das erlebt hat, möchte man es wieder erleben.
Wo sehen Sie den BVB im europäischen Vergleich?
Klar ist, dass uns die englischen und spanischen Spitzenclubs und auch Bayern München vom Gehaltsniveau her weit voraus sind. In England ist es zum Beispiel so, dass sich fünf oder sechs Clubs vom Rest der Liga mit ihren Gehaltsbudgets weit abgesetzt haben, manche geben sogar mehr als 200 Millionen Euro aus. Andere Vereine zahlen rund 60 Millionen Euro – und das entspricht in etwa unserem Niveau.
Im Vergleich mit dem FC Bayern holen Sie immer mehr auf – Sie haben zuletzt mehr als 300 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftet, die Bayern liegen bei mehr als 400 Millionen, mit der Vertragsverlängerung mit Trainer Jürgen Klopp bis 2018 sorgen Sie zudem für Konstanz. Sehen Sie sich bald auf Augenhöhe?
Die Bayern haben sich über Jahrzehnte hinweg eine wirtschaftliche Ausnahmestellung erarbeitet, damit wollen wir uns gar nicht vergleichen, das ist auch überhaupt nicht unser Ansatz.
Sondern?
Wir haben den Anspruch, in Deutschland dauerhaft oben dabei zu sein, uns jedes Jahr für die Champions League zu qualifizieren – und dann auch in Europa begeisternden Fußball zu spielen.
Das muss sie sein, die westfälische Bescheidenheit.
Wenn Sie das so sehen (lacht). Aber mit dieser Art sind wir ja in den vergangenen Jahren nicht so schlecht gefahren, oder?
Stimmt. Ein Pfund, mit dem Sie dabei seit Jahren wuchern können, ist Ihr Händchen auf dem Transfermarkt. Abgänge wie jene von Shinji Kagawa oder von Mario Götze kompensieren Sie offenbar mühelos.
Na ja, da steckt schon viel Arbeit dahinter. Sportlich muss es natürlich passen – menschlich auch. Wir achten schon darauf, dass unsere Neuen in etwa auf einer Wellenlänge mit unseren anderen Spielern liegen. Das Wichtigste ist aber etwas anderes.
Bitte.
Die Jungs, die schon länger hier sind, ­machen es unseren Neuzugängen sehr leicht. Sie werden in die Truppe integriert, ohne dass wir das von der Sportlichen Leitung her einfordern müssen. Das hängt auch damit zusammen, dass die meisten unserer Spieler in etwa gleich alt sind. Die Struktur in der Mannschaft ist gewachsen, und uns ist es wichtig, dass der Kern zusammenbleibt. Und ich weiß, dass die Burschen nicht nur zusammen Play-Station spielen, sondern auch mal zusammen ausgehen, wenn keine englischen Wochen anstehen. Es sind ja auch noch nicht alle verheiratet (lacht).
Kommen wir zum Abschluss zu einem unerfreulichen Thema – aus dem Dortmunder Block flogen beim Spiel auf Schalke Leuchtraketen und Böller auf den Platz und in andere Blöcke. Welche Konsequenzen ziehen Sie?
Wir werden durchgreifen und mit null Toleranz vorgehen. Das sind Bilder, die wir nie wieder sehen wollen, das hat auch mit Fankultur nichts mehr zu tun. Es ist natürlich schwierig, die jeweiligen Täter ausfindig zu machen, weil viele vermummt waren. Aber wir versuchen es.
Wie weit sind Sie dabei, auch im Austausch mit der Polizei und den Fangruppen, gekommen?
Wir sind dabei und haben uns darauf verständigt, erst etwas dazu zu sagen, wenn die Auswertung abgeschlossen ist. Es bringt in einem solchen Fall nichts, nur scheibchenweise Informationen nach außen zu tragen.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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