Bundesliga

Gibt es noch Hoffnung für den VfB?

Die Mannschaft dezimiert, überfordert und verunsichert, der Manager ratlos, die Stimmung der Fans im Keller: Der VfB benötigt fast schon ein mittleres Wunder, um noch den Abstieg zu verhindern. Was macht den Fans noch Hoffnung?


6:2 für Bremen – ein Ergebnis, das in Stuttgart viel verändert hat

Die übliche Krise ist, wenn am Morgen nach einer VfB-Niederlage wieder einmal mehr Reporter als Fans beim Auslaufen der Profis am Spielfeldrand stehen. Wenn sich aber auch Karl Allgöwer höchstpersönlich unter die Zuschauer mischt, dann kann man sicher sein: Jetzt ist das Stadium der gemeinen Krise endgültig überschritten – jetzt ist im Kampf gegen den Abstieg die letzte Eskalationsstufe erreicht.

Herbeigeeilt ist Allgöwer am Tag nach dem niederschmetternden 2:6-Untergang am Montagabendin Bremen und sitzt nun hinterm Tor auf einer Bank neben Robin Dutt. Als Berater, der intern wirken und sich extern nicht äußern soll, ist der VfB-Rekordtorschütze und Held der 80er Jahre Anfang Januar vom Aufsichtsrat verpflichtet worden. Allerdings weiß keiner so genau, worin eigentlich seine konkrete Aufgabe besteht – schon gar nicht Dutt, dem der frühere Querkopf aus den alten Mayer-Vorfelder-Zeiten suspekt geblieben ist. Doch ist die Not auf dem Wasen inzwischen so groß, dass der VfB-Manager nun sagt: „Wir sind gut beraten, solchen Leuten gut zuzuhören. Mit jedem Wort von ihnen ist uns geholfen.“

Irgendwo muss sie in diesen düsteren Tagen schließlich herkommen, die Hoffnung darauf, auch in der neuen Saison in der Bundesliga mitspielen zu dürfen. Denn ansonsten ist zwei Spieltage vor Schluss nicht mehr viel übrig geblieben. Dafür gibt es jede Menge Gründe, die einen fürchten lassen, dass es dieses Jahr nicht noch einmal gut geht. Der VfB steht unmittelbar vor dem Abgrund. Eine Spurensuche.


Was sagt der Trend?

Fünf der letzten sechs Spiele hat der VfB verloren. Dem 0:1 in Augsburg folgte zuletzt das 0:3 gegen Dortmund, bei dem die Spieler frühzeitig die Gegenwehr einstellten. Und nun also dieses 2:6 in Bremen, die ultimative Bankrotterklärung, „ein Keulenschlag“, wie Robin Dutt meint. Genau darin liegt der entscheidende Unterschied zum Vorjahr, als die Situation noch hoffnungsloser schien: Damals wurde die Mannschaft im Saisonfinale immer besser, jetzt wird sie immer schlechter – kein Ende in Sicht. „Es steht nirgends geschrieben, dass wir es nicht schaffen können, diesen Trend zu durchbrechen“, sagt Dutt, der ewige Krisenmoderator. Allerdings fällt es ganz offensichtlich auch ihm zunehmend schwer, an das zu glauben, was er selbst vorgibt. Die Mannschaft, sagt er, müsse in den letzten beiden Spielen nicht nur „Berge versetzen“, nein, es gehe sogar darum, „das Unmögliche zu schaffen“. Fazit: Wo soll sie plötzlich herkommen, die nötige Trendwende? Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt.


Wie steht es um die Mentalität?

Bis nach Mallorca war der VfB geflogen, um die Kräfte zu bündeln, in Ruhe arbeiten zu können und sich Mut zu machen für dieses fundamental wichtige Kellerduell in Bremen. Und dann? Zeigte nur der Gegner, der sich in Verden/Aller in der niedersächsischen Provinz vorbereitet hatte, worauf es im Abstiegskampf ankommt: auf bedingungslosen Einsatz von der ersten Minute an. Das Spiel sei „eine Schande“ gewesen, sagte Daniel Didavi, das Zweikampfverhalten „ein Witz“. Es gehe nicht nur um Fußball, sondern auch um Arbeitsplätze, fuhr er fort und schloss: „Man sieht, das etwas nicht stimmt.“ Eine beängstigende Analyse – doch wundert man sich inzwischen über nichts mehr. Nicht über das Luxuscamp im Mittelmeer – und auch nicht darüber, mit wie wenig Einsatz manche Spieler selbst in einem solchen Spiel zu Werke gehen. Die Mentalitätsfrage stellt sich seit Jahren, ohne dass es bislang die passende Antwort gegeben hätte.

Fazit: Auch nach jahrelangem Kampf gegen den Abstieg scheint der Ernst der Lage nicht jedem VfB-Spieler bewusst zu sein. Andere scheinen des Kämpfens müde zu sein.


Was ist mit der Personalonot?

Lange hat es sich Robin Dutt verkniffen, er wollte keine Alibis liefern – nach dem Spiel in Bremen aber brach es aus ihm heraus: „Irgendwann ist die Mannschaft nicht mehr in der Lage, die vielen Ausfälle aufzufangen. Wir sind Nullkommanull eingespielt.“

Knüppeldick trifft es den VfB, dass Serey Dié, Daniel Ginczek und Kevin Großkreutz seit Wochen fehlen; in Bremen meldete sich auch noch Christian Gentner (Oberschenkelzerrung) verletzt ab, Daniel Didavi (Beckenprellung) musste noch vor der Pause raus, Federico Barba (Muskelfaserriss) danach. „Wir müssen jetzt alles dafür tun, die verbleibenden Spieler in die Verfassung zu versetzen, die nötigen Punkte zu holen“, sagt Dutt. Während für Dié, Ginczek und Barba die Saison gelaufen ist, soll Großkreutz gegen Mainz zurückkehren. Auch Didavi wird wohl wieder spielen können, bei Gentner gibt es zumindest Hoffnung. Ob das reicht? „Wir sind jetzt in einer Position, in der wir nichts mehr zu verlieren haben“, sagt Dutt: „Jetzt können wir nur gewinnen.“

Fazit: Etwas Hoffnung gibt es nur, wenn sich das Lazarett ein wenig lichtet.


Bekommt die Abwehr noch die Kurve?

Der Fußball ist eine Unterhaltungsbranche geworden, die vom VfB nach Kräften bereichert wird. Slapstickartig war es wieder einmal, wie Federico Barba beim 1:2 über Przemyslav Tyton hinwegköpfte und der Torhüter den Ball bei seinem verzweifelten Rettungsversuch ins eigene Netz boxte. Es war das siebte Eigentor in dieser Saison und nicht der einzige Beweis dafür, dass die VfB-Abwehr nicht bundesligatauglich ist. Auch Barbas Nebenmann Georg Niedermeier leistete freundliche Hilfestellungen bei den Gegentoren Nummer 63 bis 69.

In aller Brutalität wurde den Verantwortlichen vor Augen geführt, was seit langer Zeit bekannt ist: Dem VfB fehlen gute Innenverteidiger, ohne die man nicht bestehen kann. Zur Abhilfe wurde nicht nur Barba verpflichtet, sondern auch Toni Sunjic, der in Bremen auch dann auf der Bank blieb, als der Italiener verletzt raus musste. Stattdessen kam der Nachwuchsmittelfeldspieler Mart Ristl – und leitete gleich das 2:4 ein.

Fazit: Schwer vorstellbar, dass die Abwehr ausgerechet in den entscheidenden letzten beiden Spielen keine Fehler mehr macht.


Wie ist die Stimmung in Stuttgart?

Von fliegenden Bierbechern und wüsten Verwünschungen, aber auch von völliger Resignation wird aus den Kneipen berichtet, in denen die VfB-Fans das Debakel in Bremen verfolgten. Es passt ins allgemeine Stimmungsbild: Anders als im Vorjahr, als in Stuttgart am Ende eine regelrechte Nichtabstiegseuphorie ausbrach, sind weite Teile des Anhangs nun den ewigen Klassenkampf leid und haben keine Lust mehr, diese Mannschaft zu unterstützen, von der sie regelmäßig so bitter enttäuscht werden. „Die Situation zehrt an allen Beteiligten“, sagt Robin Dutt und versteht die Wut der Fans. Andererseits aber setzt der Manager fest darauf, dass der Anhang im letzten Heimspiel gegen Mainz noch einmal alle Kräfte mobilisiert – so wie es am Montag auf beeindruckende Weise das Bremer Publikum getan hat. „Wir brauchen den totalen Schulterschluss“, sagt Dutt, „wir haben nur eine Chance, wenn die Fans bedingungslos hinter uns stehen.“

Fazit: Das VfB-Team muss gegen Mainz in Vorleistung gehen, wenn es sich den nötigen Rückhalt erwerben will – dann aber, das lehrt die Vergangenheit, ist er möglich.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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