2. Liga

Ist der VfB bereit für den Wiederaufstieg?

Mit dem Heimspiel am Montag gegen den FC St. Pauli (20.15 Uhr/Sport 1) beginnt der VfB das Unternehmen Wiederaufstieg. In welchen Bereichen steht die Ampel mit Blick auf die erste Liga auf grün – und wo gibt es noch Verbesserungspotenzial?


Ist der VfB bereit für den Wiederaufstieg in die Bundesligaa? Trainer Jos Luhukay gibt die Richtung vor.

Mit dem Heimspiel zum Saisonauftakt am Montag gegen den FC St. Pauli (20.15 Uhr/Sport 1) beginnen die zweitklassigen Stuttgarter das Unternehmen Wiederaufstieg. In welchen Bereichen steht die Ampel mit Blick auf die erste Liga auf grün – und wo gibt es noch Verbesserungspotenzial? Eine Analyse.


Die Sponsoren

Das Signal vom wichtigsten Finanzpartner des VfB kam bereits vor dem letzten Spieltag der vergangenen Bundesliga-Saison: „Die Daimler AG bekennt sich zum VfB“ lautete die Überschrift der frohen Botschaft, nach der die Stuttgarter Autobauer den Club auch in der zweiten Liga unterstützen. Bis ins Jahr 2019 reicht der neue Vertrag; dabei wird die Verbindung noch intensiviert: Die Mercedes-Benz-Bank ist als Hauptsponsor künftig nicht nur auf den Trikots der Profis, sondern auch auf denen aller Jugendmannschaften zu sehen.

Insgesamt lässt sich die Daimler AG ihr Engagement, das auch die Marke Mercedes-Benz als einen der vier Exklusivpartner einschließt, dem Vernehmen nach acht bis neun Millionen Euro jährlich kosten. Das ist erstligareif: Lagen nach einem Bericht des Branchenmagazins „Sponsors“ die durchschnittlichen Einnahmen der 18 Erstligisten in der Vorsaison doch bei 7,4 Millionen Euro. Mit Puma, Coca-Cola oder Krombacher hat der VfB weitere starke Partner an seiner Seite – und er ist mit Sponsoren wie Würth, Fischer, Breuninger, Lotto Baden-Württemberg oder der EnBW zudem regional gut vernetzt. Allerdings machen nicht alle Partner in Liga zwei zu den gleichen Konditionen weiter.


Die Stammelf

Die Spieler Daniel Didavi, Filip Kostic, Martin Harnik, Daniel Schwaab, Lukas Rupp, Serey Dié, Przemyslaw Tyton, Georg Niedermeier, Federico Barba, Arianit Ferati und Artem Kravets sind weg – in Timo Werner verließ zudem wie Didavi ein Eigengewächs mit VfB-DNA den Club. Alles in allem ging also viel individuelles Potenzial verloren. Andererseits sind diese Profis eben die Gesichter des zweiten Abstiegs der Vereinsgeschichte nach dem von 1975, weil es nicht gelang, aus ihnen ein Kollektiv zu formen.

Das muss nun – auch aufgrund des Substanzverlustes – unter der Regie des Trainers Jos Luhukay anders werden. Dabei hat die Stammelf durchaus Format: Mit dem Ex-Bochumer Simon Terodde, dem Zweitligatorschützenkönig des Vorjahres (25 Tore), mit dem Kapitän Christian Gentner, dem Spielmacher Alexandru Maxim und dem Japaner Hajime Hosogai im Mittelfeld, mit dem hoch veranlagten Innenverteidiger Timo Baumgartl und dem Torhüter Mitch Langerak steht eine Achse, die sich durch Emiliano Insua, Jean Zimmer oder Kevin Großkreutz verfeinern lässt. Der Ex-Augsburger Tobias Werner dürfte zudem die linke Außenposition beleben. Fazit: Mit seiner Stammelf wird der VfB den Aufstiegsambitionen gerecht.


Der zweite Anzug

Soll es ein nur einjähriges Gastspiel in der zweiten Liga geben, reicht eine starke erste Elf allein nicht aus – auch der zweite Anzug sollte sitzen. Hier muss der VfB dringend nachbessern, denn die Reservebank besteht bisher aus weitgehend namenlosen Spielern. Profis wie Boris Tashchy, Marvin Wanitzek, Mart Ristl, Max Besuschkow, Anto Grgic, Stephen Sama oder der lange im Abseits schmorende Philip Heise müssen erst noch beweisen, ob sie höheren Ansprüchen in der zweiten Liga gewachsen sind. Als größte Baustelle gilt die Offensive, wo der Zeitpunkt der Rückkehr des Stürmer Daniel Ginczek fraglich ist. In der Bringschuld ist hier vor allem der Manager und Sportvorstand Jan Schindelmeiser, der nach einem Monat im Amt mit bisher lediglich nicht von ihm eingefädelten Transfers von Hosogai und Werner nun zügig liefern sollte.


Der Trainer

In Sachen Erstliga-Aufstieg macht Jos Luhukay so schnell keiner etwas vor - da ist er mit vier erfolgreichen Missionen (nur 2010 scheiterte er mit dem FC Augsburg in den Relegationsspielen am 1. FC Nürnberg) ein ausgewiesener Fachmann. 2008 führte der 53-Jährige Borussia Mönchengladbach, 2011 im zweiten Anlauf den FCA und 2013 die Hertha aus Berlin als Cheftrainer aus der zweiten Fußball-Bundesliga ins Oberhaus. 2003 nahm er als Co-Trainer von Friedhelm Funkel mit dem 1. FC Köln Kurs auf Liga eins. Nun soll der Niederländer mit dem VfB zum fünften Mal zuschlagen, denn der sofortige Wiederaufstieg ist das alleinige Saisonziel des Traditionsvereins von 1893.

Die Gefahren und Eigenheiten der zweiten Liga kennt Luhukay also aus dem Effeff, was ja auch ein Hauptgrund für seine Verpflichtung war. Zudem steht „der kleine General“, der gerne aus einer stabilen Defensive heraus agiert, in dem Ruf, auch in puncto Fleiß und Disziplin fordernd zu sein. Tugenden, die beim VfB mit Blick auf die vergangene Spielzeit durchaus gefragt sind. Bleibt die Frage, ob Jos Luhukay auch erste Liga kann? Mit einer durchschnittlichen Ausbeute von exakt einem Punkt pro Spiel weist ihn die Statistik hier als drittschlechtesten Trainer der Bundesliga-Geschichte aus. Aber man soll ja den zweiten Schritt bekanntlich nicht vor dem ersten gehen.


Die Fans

Erstmals in seiner Historie hat der VfB mehr als 47 000 Mitglieder. Eine Marke, die dank der 1500 Neuzugänge erreicht wurde, die sich nach dem Abstieg für den Club mit dem Brustring entschieden haben. Obendrein wurden 25 000 Dauerkarten verkauft – das sind fast so viele wie im Vorjahr. Auf ihre Fans können die Stuttgarter also zählen - trotz des Abstiegs, oder gerade deshalb. Für das Saison-Auftaktspiel am Montag gegen den FC St. Pauli haben die Roten bereits ein Ausrufezeichen in der Liga gesetzt: Mehr als 52 000 Tickets wurden schon jetzt verkauft.

Auch auf den Rückhalt der Ultras vom Commando Cannstatt kann der Club setzen. Wie bereits in den Vorjahren werden die Fans zum ersten Saisonspiel in weißer Kleidung mit rotem Brustring im Stadion erscheinen. Danach entscheidet allerdings allein der sportliche Erfolg über Wohl und Wehe der Saison. Liegt der VfB, neben Hannover 96 der Topfavorit der Liga, früh auf Aufstiegskurs, wird sich das Publikum auch die dann einmaligen Auftritte gegen Clubs wie Heidenheim, Sandhausen oder Aue nicht entgehen lassen wollen. Im anderen Fall könnte die Stimmung recht schnell umschlagen – doch bisher herrscht im Fanlager eine echte Aufbruchsstimmung vor.


Die Vereinsstruktur

Nach dem Rücktritt von Bernd Wahler vom Amt des Präsidenten am 15. Mai, also einen Tag nach dem Abstieg, ist die wichtigste Position im Verein vakant. An der Spitze des VfB klafft neben den drei Vorständen Jan Schindelmeiser (Sport), Jochen Röttgermann (Marketing) und Stefan Heim (Finanzen) also eine große Lücke. Für die Zukunftsperspektiven des Clubs ist die Besetzung des Präsidenten-Amtes eminent wichtig. Denn er ist nicht nur der höchste Repräsentant des Vereins, sondern ist auch für die strategische Ausrichtung des VfB, seine Zukunftsentwicklung, verantwortlich.

So gesehen muss auf der Mitgliederversammlung am 9. Oktober schnellstens verlorener Boden gut gemacht werden. Denn der erste Vorstoß in Sachen Ausgliederung der Profiabteilung, ein Schritt, der frisches Kapital brächte, er endete im Fiasko. Um langfristig erfolgreich zu sein, ist die Ausgliederung ein Muss. Doch dieser Schritt setzt Vertrauen in die Clubspitze unter Führung des VfB-Präsidenten voraus. Als Favorit wird der 67-jährige Wolfgang Dietrich aus dem Remstal gehandelt, ein einstiger IT-Experte und Unternehmer im Bereich des Sport-Marketings. Ist er der richtige Mann? Nachdem die Ex-Präsidenten Wahler, Gerd Mäuser und Erwin Staudt hauptamtlich tätig waren, könnte es diesmal auf ein ehrenamtliches Mandat hinaus laufen.


Das Stadion

Nach der Münchner Allianz-Arena (75 000 Plätze), der Heimspielstätte des TSV 1860 München, besitzt der VfB mit der Mercedes-Benz-Arena und ihrem Fassungsvermögen von 60 449 Zuschauern das zweitgrößte Stadion der zweiten Liga. Auch optisch ist das 1929 erbaute Stadion, das 1950 Schauplatz des ersten Fußball-Länderspiels nach dem zweiten Weltkrieg vor 103 000 Fans gegen die Schweiz war, nach diversen Umbauten ein Hingucker. Anders als die Löwen werden die Roten daher ihre Heimspiele kaum vor überwiegend leeren Rängen austragen. Die Kulisse ist also schon jetzt erstligareif.

Zu schlagen gilt es am Neckarufer daher vielmehr den Zweitliga-Rekord des 1. FC Köln aus der Spielzeit 2007/2008, als im Schnitt 44 200 Fans zu den 17 Heimspielen der Geißböcke mit ihrem Co-Trainer Jos Luhukay kamen. Die Besucherbestmarke für ein einzelnes Spiel halten bisher noch immer der TSV 1860 und der VfB: Im Frühjahr 1977 sahen im Münchner Olympiastadion 77 573 Fans ein 0:0. Damals war die zweite Liga noch zweigleisig – und die Stuttgarter stiegen am Saisonende als Meister der Süd-Staffel direkt in die erste Liga auf.


Die Stadt

Als sechstgrößte Stadt Deutschlands im Fußball nicht erstklassig zu sein, das schmerzt auch die Stuttgarter Lokalpolitik. Sah man in Stuttgart doch einst die nationale Sporthauptstadt. Doch der Glanz, den der VfB der Stadt neben anderen Höhepunkten wie der Leichtathletik-WM von 1993 oder die Fußball-WM 2006 mit dem deutschen Spiel um Platz drei gegen Portugal einbrachte, er ist längst verblasst. Zur Erinnerung: Noch 2007 feierten 250 000 Stuttgarter rund um den Schlossplatz die fünfte deutsche Meisterschaft des Clubs. In der Champions League begrüßte man VfB-Gegner wie Manchester United, den FC Sevilla, Olympique Lyon oder den FC Barcelona. Das ist längst vorbei, der Brustring hat als nationales Markenzeichen an Wert eingebüßt.

Nun erwartet die Stadt Stuttgart, der das Stadion über die Neckarpark GmbH & Co.KG zu 60 Prozent gehört, in der zweiten Liga auch die Fans der Würzburger Kickers, aus dem Erzgebirge oder aus Sandhausen. Von den anderen städtischen Marken wie Porsche, Mercedes oder Bosch ist man da anderes gewohnt.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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