Kommentar zum VfB Stuttgart

Der VfB muss liefern

Eigentlich hat der VfB Stuttgart alles, was er zum sofortigen Wiederaufstieg braucht. „Aber Wunder sollte niemand erwarten“, kommentiert StN-Autor Gunter Barner, „niemand kann sagen, wie lange die Mannschaft braucht, um sich an die Luftveränderung zu gewöhnen.“


Der VfB muss in der zweiten Liga liefern.

Auf dem Papier ist alles geregelt: Der VfB Stuttgart verfügt über Tradition, treue Sponsoren, mehr Geld als viele andere, einen Trainer, der offenbar weiß, wie es geht, und Fans, die eisern an das Gute glauben. Was also kann noch schiefgehen beim Unternehmen Wiederaufstieg? Nun ja: ziemlich viel. Um es mit dem Philosophen Jean Paul Sartre zu sagen: Beim Fußball verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft. Weshalb die Liebhaber gediegener Kicker-Künste bei Heimspielen lieber davon ausgehen sollten, dass sich dem VfB blickdichte Mauerwerke aus menschlichen Leibern entgegenwerfen werden. Und im Zuge der Vereins-Ausflüge nach Sandhausen, Karlsruhe, Heidenheim, Dresden oder Aue ist davon auszugehen, dass keine Vergnügungssteuer erhoben wird.

Es sollte beim Absteiger aus Bad Cannstatt in der kommenden Spielzeit demnach ein bisschen mehr zusammenpassen als Rückennummern und Spieler. Die zweite Liga lebt noch mehr als das Oberhaus vom Zusammenhalt des Kollektivs, Sportsfreunde mit übertriebenem Hang zum Filigranen grätscht man gern mal über die Bande, und wer samstags um 13 Uhr vorbeischauen will, wird nicht leugnen: Fußball ist zuvorderst ein Laufspiel. Nach 39 Jahren wieder im Unterbau

Der VfB Stuttgart gibt sich nach 39 Jahren mal wieder im Unterbau die Ehre. Das ist zwar bitter für eine stolze Stadt und ihre Region, aber die Sonne geht auch seit dem Abstieg noch im Osten auf. Der Spaßfaktor hielt sich – meist gefährlich nah am Tabellenende – ohnedies seit Jahren in Grenzen. Die Vereinsbosse haben nach menschlichem Ermessen getan, wozu sie nach dem größten anzunehmenden Unfall noch in der Lage waren: Ein zukunftsweisender Plan ist in ihrem Handeln zwar schwerlich zu erkennen – immerhin holten sie mit Thomas Hitzlsperger und Marc Kienle aber sportliche Kompetenz in den Verein.

Der in Zweitligafragen erfahrene Trainer Jos Luhukay war schon auf dem Weg nach Bremen, bog dann aber noch nach Süden ab. Sportvorstand Jan Schindelmeiser kam zwar als Letzter, was aber den Vorteil birgt, dass den Wiedereinsteiger niemand verantwortlich machen kann, sollte die Mannschaft mehr stolpern als siegen. Ein neuer Präsident am Ball

Nach dem 9. Oktober, so die Mitglieder ihn wählen, ist dann noch ein neuer Präsident am Ball. Wie diese Zeitung exklusiv meldete, ist Wolfgang Dietrich die erste Wahl der VfB-Troika im Aufsichtsrat. Einen großen Bahnhof kann der Leonberger Unternehmer fürs Erste nicht erwarten. Als ehemaliger Sprecher des Großprojekts S 21 hat sich sein Freundeskreis in Stuttgart nicht gerade vergrößert. Wer die Weichen beim VfB jedoch mit Vernunft und Verstand auf Zukunft stellen will, tut gut daran, die Causa sachlich und fair zu erörtern, anstatt alte Rechnungen begleichen zu wollen. Der Druck ist enorm

Sportlich wie strukturell ist der Druck auf den VfB Stuttgart enorm: Der Club muss liefern. Wunder sollte aber niemand erwarten. Die Mannschaft scheint zwar die Qualität zu haben, um an der Spitze mitzumischen, doch niemand kann mit Sicherheit sagen, wie schnell sie sich an die Luftveränderung gewöhnen wird. Realismus, Respekt und eine gewisse Demut können beim Blick auf Spielplan und Tabelle nicht schaden. Rückschläge sind nicht auszuschließen. Was nicht bedeutet, dass der aufrechte Gang beim VfB in Zukunft verboten wäre.

Der sofortige Wiederaufstieg ist möglich, wenn sich alle Beteiligten mit dem großen Ziel identifizieren. Die zwingende Botschaft ist die einer leistungsbereiten und leidenschaftlichen Stadt und ihrer Region: Wir kommen wieder!

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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