VfB-Zeugwart Michael Meusch

Der Herr der Dinge

Im Funktionsteam des VfB Stuttgart gibt es seit vielen Jahren eine Konstante, Zeugwart Michael Meusch. Er ist ein kleiner Social-Media-Star, Vertrauter der Spieler, Mädchen für alles und der Herr der Dinge.


Michael Meusch in seinem Reich – der VfB-Zeugwart ist der Herr der Dinge.

Er ist Herr über mehrere Tonnen Ausrüstung, pflegt und wäscht das Equipment der Profis akribisch und kümmert sich um jeden Sonderwunsch, sei er auch noch so skurril. Doch er ist noch viel mehr. Seelentröster, Kummerkasten, Spaßvogel, gute Seele und die große Konstante im Team des VfB Stuttgart: Zeugwart Michael Meusch (54). Seit vielen Jahren ist der gebürtige Stuttgarter – mit Unterbrechungen – im Verein. Mit viel Leidenschaft geht er täglich seinen Aufgaben nach, bereits um 7.30 Uhr ist in seinem Reich im Bauch der Geschäftstelle Betrieb. Es gilt die Trainingsausrüstung vorzubereiten, die Woche durchzuplanen, für die nächste Auswärtsfahrt die Koffer zu packen und natürlich zu waschen, waschen, waschen.

Täglich mindestens sieben Maschinen

Vier große Industriewaschmaschinen stehen im VfB-Waschkeller, sie laufen quasi rund um die Uhr. „Nach jeder Einheit sind sieben Maschinenfüllungen fällig“, lässt Meusch wissen. Das ist eine ganze Menge Holz. „Wenn zweimal täglich trainiert wird fällt natürlich mehr an, im Schnitt kommen wir auf 49 Maschinen pro Woche“, rechnet er vor, während die Trockner im Hintergrund rattern. Jeder Spieler bekommt vor Trainingsbeginn seine Ausrüstung perfekt gefaltet auf seinen Platz in der Kabine gelegt. Darunter sind an Spieltagen auch ganz spezielle Trikots des Ausrüsters, in die bereits Kinesio-Tape eingearbeitet ist, das die Spieler vor Verletzungen schützen soll. „Die hat in der Liga niemand außer uns“, weiß der Zeugwart. Alles ist nummeriert, damit man es später wieder entsprechend zuordnen kann. Nach der Einheit werfen die Kicker die Klamotten einfach durch einen Schacht in die Waschküche, den Rest erledigen Meusch und seine „große Hilfe“, Waschfrau Gordana Markovic-Marsala.

Doch die Wäsche ist nur ein Teil. Meusch und Markovic-Marsala kümmern sich auch um Bälle, Sonderausrüstung, Schienbeinschoner und natürlich des Fußballers wichtigstes Equipment, die Schuhe. Hier hat jeder Akteur seine speziellen Vorstellungen. „Nur die wenigsten spielen in ‚Schuhen von der Stange‘, da gibt es ja heutzutage auch jede Menge Möglichkeiten“, sagt Meusch inmitten von meterhohen Regalen mit schreiend bunten Plastik- und Lederschuhen. Selbstverständlich alle säuberlich nach Rückennummer in Fächer sortiert, viele mit individuellen Stickereien oder Aufdrucken. „Name der Freundin, Geburtstag des Kindes, Länderflaggen, auch mal was Religiöses – das gibt´s kaum Grenzen“, kommentiert er, während er anhand des Schuhs von Stürmer Simon Terodde sein Lieblingsspielzeug demonstriert.

Meuschs Geheimwaffe

Es ist eine Art Backofen, extra nach den Vorstellungen von Meusch gebaut und selbstverständlich mit dem VfB-Wappen verziert. Darin werden die Schuhe bei 80 Grad erwärmt, bevor sie eine Sonderbehandlung bekommen. „So ist das Material formbarer, das macht die Nachbehandlung einfacher“, weiß Meusch. Mit Hilfe einer Spannvorrichtung und verschiedener Formteile kann der Schuh an einer bestimmten Stelle so geweitet werden, dass beispielsweise Blasen gar nicht erst auftreten.

Zuletzt profitierte Hajime Hosogai mit seinem gebrochenen Zeh von der Vorrichtung. Seine Treter wurden so modifiziert, dass er zügig ins reguläre Training zurückkehren konnte. Bei manchen Spielern reicht aber auch Meuschs Handlungsspielraum nicht aus. Kevin Großkreutz und Kapitän Christian Gentner etwa haben im Bereich der Achillessehne oft Probleme, so dass ihre Schuhe schon ab Werk entsprechend modifiziert werden. „Da wird die Fersenkappe ausgehöhlt oder der obere Teil gleich weggeschnitten, damit sie keine Schmerzen haben“, bestätigt Meusch.

Verschwiegenheit gehört dazu

Wer so lange dabei ist wie Meusch, der verfügt auch über ein beachtliches Arsenal an Anekdoten. Die meisten bleiben selbstverständlich unter Verschluss. Eine gewisse Verschwiegenheit versteht sich von selbst. Das gehört sich so für einen, der für viele Spieler mehr ist als nur irgendein Mitarbeiter. Eine ganz bemerkenswerte Geschichte mag er dann aber doch verraten. „Christian Träsch ist einmal beim Warmlaufen ein Stollen rausgebrochen, ein irreparabler Schaden. Mit seinem zweiten Paar passierte im Spiel nach wenigen Minuten dasselbe. Da hab ich ihm einfach die Kickstiefeln von Roberto Hilbert gegeben – und Träsch hat gleich ein Tor damit erzielt.“ Das Spiel in Wolfsburg wurde gewonnen, Hilbert sah seine Schuhe nie wieder.

Vor einer Wand, übersät mit Autogrammkarten seiner ehemalige Schützlinge, wird Meusch beim Erzählen der Geschichte wehmütig. „Es hat sich schon viel verändert über die Jahre. Das Verhältnis zu den Spielern ist nicht mehr so wie früher, gerade bei der jungen Generation“, sinniert er. Ausnahmen bestätigen die Regel. So war er beispielsweise kürzlich auf der Hochzeit von Simon Zoller eingeladen, zu dem Meusch von einer seiner früheren Stationen ein sehr persönliches Verhältnis hat. Dass er selbst mit der Zeit zu gehen vermag beweist Meusch auf Instagram. Kaum ein Bild der Spieler aus dem Mannschaftsalltag kommt ohne den Zeugwart darauf aus. Jubelbilder aus der Kabine nach dem Sieg? Meusch ist natürlich mittendrin. Auch sein eigenes Profil im sozialen Netzwerk hat seine Fans – über 6 000 Nutzer folgen ihm.

Der Presseclub und die Stecktabelle

Für einige Spieler, darunter Großkreutz und Daniel Ginczek, gehört der Besuch im Reich des Zeugwarts zum täglichen Ritual. Dort gibt es einen warmen Kaffee und die neuesten Printerzeugnisse aus der Branche. „Das ist wie ein kleiner Presseclub. Ich kaufe täglich die Zeitungen und die Jungs kommen rein und informieren sich“, sagt Meusch. Ganz wichtig ist der Dienstagmorgen. Da beginnt die Trainingswoche immer vor der Stecktabelle. Die Ergebnisse des Wochenendes werden heiß diskutiert und im Idealfall rückt das VfB-Wappen immer weiter nach vorn. Auf dem ersten Platz ist es mittlerweile angekommen. Nach Meuschs Geschmack darf das auch gerne bis Saisonende so bleiben.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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