Der VfB zwischen Sieg und Sorge



Keine Frage: Der VfB Stuttgart hat am Sonntag sogar manch einen der eigenen Fans erstaunt mit seiner Leistung beim Hamburger SV. Die Lage schien angespannt, das Auftreten der Mannschaft von Trainer Bruno Labbadia dagegen war geprägt von Selbstsicherheit und Mut. War also der holprige Saisonstart nur ein Ausrutscher? Ist jetzt wieder alles gut? Oder ist der VfB Stuttgart trotz des überzeugenden Sieges beim Hamburger SV doch noch nicht übern Berg? Viele Fragen – mit keiner eindeutigen Antwort. Zuversicht oder Skepsis? Mit Blick auf die kommenden Wochen gibt es Argumente für beides.

Argumente, die für Zuversicht sprechen

Der Wille der Mannschaft: Das Team hat in dieser Saison tatsächlich schon bittere Momente dargeboten. Der Großteil der Partie beim FC Bayern (1:6) zum Beispiel, oder das Heimspiel gegen 1899 Hoffenheim (0:3). So richtig reingeraten in eine Abwärtsspirale ist die Mannschaft aber nie. „Der wichtigste Indikator ist die Arbeit unter der Woche“, sagt Sportdirektor Fredi Bobic, „und da hat man immer gesehen, dass die Mannschaft will.“ Auch Zerwürfnisse innerhalb des Teams hat der mäßige Start trotz aller Unzufriedenheit und Spielern, die nicht mehr wie gewohnt zum Zug kommen, nicht gebracht.

Die Entwicklung einzelner Spieler: Auch wenn insgesamt ein Fortschritt gegenüber der vergangenen Saison noch nicht erkennbar ist – manch ein Spieler hat bereits einen Schritt nach vorn gemacht. Bestes Beispiel: Raphael Holzhauser. Der 19-Jährige hat sich mit drei Startelf-Einsätzen fast schon etabliert. Christian Gentner beweist zudem neue Führungsstärke, und Ibrahima Traoré scheint sich in der Bundesliga auch langsam, aber sicher zu akklimatisieren. So gelang am Sonntag die Spielweise der vergangenen Saison trotz leicht veränderten Personals.

Die Ruhe: „Wichtig war, dass wir intern Ruhe bewahrt haben“, sagte Bruno Labbadia nach der Partie in Hamburg – obwohl er selbst mit seiner Wutrede für Wirbel gesorgt hatte. Man hätte das durchaus als mangelnde Souveränität auslegen können, der Coach hat es aber geschafft, dass sich die Spieler eher weniger damit beschäftigt und den Blick aufs für sie Wesentliche gelenkt haben. Auch von der bedenklichen Tabellensituation und der damit verbundenen Erinnerung an die Fast-Abstiegssaison 2010/2011 hat sich die Mannschaft nicht verrückt machen lassen. „Sie ist auch mit diesem Druck zurechtgekommen“, sagte Labbadia.

Argumente, die für Skepsis sprechen

Der dünne Kader: Bruno Labbadia muss am Sonntagabend nach Ironie zumute gewesen sein. Erst sprach er vom Angriff auf die Champions League, dann meinte er: „Ich habe den Traum eines jeden Trainers erlebt: Ich musste keinen Spieler auf die Tribüne verbannen.“ Der ernste Hintergrund: Mehr als 18 einsatzfähige Profis standen dem Coach beim HSV gar nicht zur Verfügung, weil Kevin Stöger und Antonio Rüdiger mal wieder Spielpraxis in der zweiten Mannschaft sammeln sollten. Erneut wurde somit klar, wie dünn der Kader besetzt ist. Zu allem Überfluss verletzte sich dann auch noch Arthur Boka. Der Linksverteidiger erlitt eine tiefe Risswunde am linken Unterschenkel, am Montag wurde er von Teamarzt Raymond Best genäht. „Ich hoffe, dass es nicht so lange dauert“, meinte Boka, zwei Wochen fehlt er aber auf jeden Fall. „Schade, ich war gut drauf“, sagte er noch. Nun muss die Abwehr erneut umgestellt werden. Christian Molinaro ist die erste Alternative, eine weitere Möglichkeit: Gotoku Sakai rückt nach links, Antonio Rüdiger spielt hinten rechts. Für Tim Hoogland kommt ein Einsatz noch zu früh, der Rechtsverteidiger will nach seinem Bänderriss erst in dieser Woche wieder ins Mannschaftstraining einsteigen. „Wir arbeiten an der Grenze“, wiederholte Labbadia auch am Sonntag seine Sorge.

Die Abhängigkeit von Vedad Ibisevic: In Hamburg hätten alle VfB-Anhänger einen ruhigen Abend verleben können – wenn eine der zahlreichen hochkarätigen Chancen genutzt worden wäre. Getroffen hat aber mal wieder nur Vedad Ibisevic. Nun haben auch andere VfB-Profis, allen voran Martin Harnik, bewiesen, dass sie wissen, wo das Tor steht, die Abhängigkeit des VfB von seinem Topstürmer ist dennoch fast schon beunruhigend – erst recht, seit durch Cacaus Verletzung kein echter Ersatz mehr zur Verfügung steht. „Ich hoffe, wir haben uns die Tore für das nächste Spiel aufgehoben“, scherzte Fredi Bobic in Hamburg. Insgeheim wird er aber vor allem hoffen, dass sich Vedad Ibisevic nicht auch noch verletzt.

Die mangelnde Konstanz: Der Drei-Tages-Rhythmus bekommt dem VfB bisher überhaupt nicht. Das Ergebnis sind mangelnde Konstanz und die Tatsache, dass die Mannschaft auch in der Europa League schon ordentlich unter Druck steht. „Wir müssen jetzt auch in diesem Wettbewerb drei Punkte holen“, fordert Martin Harnik vor der Partie am Donnerstag (21.05 Uhr) gegen den FC Kopenhagen. Das täte nicht nur dem Punktekonto gut, sondern auch all jenen, die noch Antworten suchen auf die Frage: Wo geht’s hin mit dem VfB?

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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