INTERVIEW FC-Bayern-Keeper Sven Ulreich lobt den VfB

„Es ist alles besser“

Sven Ulreich spricht über seine Rückkehr nach Stuttgart, seinen Abschied im Sommer 2015 – und über die Entwicklung des VfB.

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Sven Ulreich lobt die Entwicklung beim VfB Stuttgart.

Torhüter Sven Ulreich hat beim FC Bayern München einen erfolgreichen Werdegang hinter sich. Durch den verletzungsbedingten Ausfall von Manuel Neuer wurde er zur Stammkraft, zeigte überzeugende Leistungen. Nun kehrt er erstmals seit seinem Weggang aus Stuttgart als Stammkraft im Tor an die alte Wirkungsstätte zurück – und spricht gegenüber unserer Redaktion Klartext.

Herr Ulreich, an diesem Samstag stehen Sie in Stuttgart erstmals gegen Ihren Heimatclub, den VfB, im Tor. Mit welchen Gefühlen?
Es wird etwas ganz Besonderes für mich, und es ist gleichzeitig auch ein bisschen komisch. Die Gästekabine in Stuttgart kenne ich ja nicht so gut, und wenn ich als Gegner den Rasen der Mercedes-Benz. Arena betrete, ist das nach den vielen Jahren beim VfB vielleicht schon ein bisschen seltsam.

Was erhoffen Sie sich von diesem speziellen Tag?
Drei Punkte natürlich. Und einen freundlichen Empfang des Stuttgarter Publikums.

Wenn ein Profi vom VfB zum eher ungeliebten FC Bayern München gewechselt ist und dann nach Stuttgart zurückkehrt, ist das aber eher unüblich. Pfiffe sind dann eher die Regel.
Ja, das ist mir bewusst. Aber vielleicht ist es an der Zeit, mal ein paar Dinge aus der Vergangenheit geradezurücken, was meinen Weggang beim VfB angeht.

Was meinen Sie?
Es kam damals (im Sommer 2015, d. Red.) ja oft so rüber, dass ich auf einen Wechsel gedrängt hätte und vom VfB weg wollte. Das stimmt aber so nicht. Ich wollte nicht weg.

Sondern?
Mir wurde von der damaligen sportlichen Führung (von Sportvorstand Robin Dutt, d. Red.) schon früh recht deutlich kommuniziert, dass man nicht mehr bedingungslos auf mich setzt. Ich wurde gefragt, ob ich mich nicht mal nach etwas Neuem umschauen wolle. Das war ein eindeutiges Zeichen. Erst dann bin ich aktiv geworden. Auf einen Wechsel gedrängt hatte ich nie – aber so wurde es dann von VfB-Seite nach außen dargestellt, weshalb ich dann wiederum die ganzen negativen Kommentare im Netz von vielen VfB-Fans abbekam.

Das alles ist mittlerweile knapp zweieinhalb Jahre her – warum haben Sie die Sache nicht schon früher thematisiert?
Stuttgart ist meine sportliche Heimat, da gehört sich so etwas eigentlich nicht, ich wollte keine Unruhe verursachen. Aber irgendwann, mit ein bisschen Abstand, ist es einfach mal an der Zeit, die Dinge so darzustellen, wie sie tatsächlich abgelaufen sind.

Hegen Sie Groll?
Überhaupt nicht, ich habe die Sache abgehakt. Beim VfB bin ich groß geworden, es ist nach wie vor mein Herzensclub, ich habe mit meiner Familie in Stuttgart ein Haus gebaut. Ich werde der Stadt und dem Verein immer eng verbunden sein, zumal ich nach meiner Karriere wieder in Stuttgart leben werde.

Zum wem haben Sie noch Kontakt beim VfB?
Zu Christian Gentner, mit dem ich mich regelmäßig austausche. Und natürlich zum inneren Betreuerstab, alles voran zu Zeugwart Michi Meusch. Aber es ist schon krass – neulich habe ich mit Martin Harnik (jetzt bei Hannover 96, d. Red.) über den VfB gesprochen, und wir beide haben gesagt: hey, da ist ja jetzt kaum noch einer da von früher.

Ist es jetzt besser oder schlechter als früher?
Ich finde, dass gerade alles nach einem klaren und guten Konzept aussieht. Soweit ich es aus der Ferne beurteilen kann, macht es der Trainer Hannes Wolf sehr gut. Er hat einen klaren Plan, es hat Hand und Fuß, was er macht – und er kann sein Team auf verschiedene Gegner mit verschiedenen Systemen einstellen.

Der VfB-Sportvorstand Michael Reschke kam vom FC Bayern zum VfB, Sie haben Ihn in München erlebt. Wie schätzen Sie ihn ein?
Er ist ein absoluter Fachmann, er kennt sich sehr gut im Fußball aus, und er ist bestens vernetzt. Er ist ein absoluter Glücksgriff für den VfB.

Mit Sebastian Rudy und Joshua Kimmich bilden Sie die ehemalige VfB-Connection beim FC Bayern. Sprechen Sie noch oft über den VfB?
Ja, absolut. Speziell mit Sebastian Rudy tausche ich mich aus. Und wir haben uns schon die Frage gestellt, warum sich beim VfB in der Vergangenheit so viele Talente aus dem eigenen Nachwuchsbereich so schwertaten und warum sie nicht die Anerkennung bekommen haben, die sie vielleicht verdient gehabt hätten. Und warum sie dann woanders durchgestartet sind.

Sebastian Rudy kam aus der VfB-Jugend, Sie auch – was meinen Sie konkret mit dieser Problematik?
Der VfB wurde ja immer zurecht für seine tolle Jugendarbeit gelobt. Die Vereinsführung gab auch immer vor, auf die eigenen Talente setzen zu wollen – doch dann wurde diesen Talenten oft nicht genügend Zeit gegeben, um zu reifen. Dazu hatten die Spieler, die von anderen Vereinen verpflichtet wurden, meiner Meinung nach eher einen höheren Stellenwert als die Jungs aus dem eigenen Stall. Dann kam es zum Vereinswechsel – und plötzlich starteten viele VfB-Talente woanders durch.

Auch der aktuelle Vorstand um den Präsidenten Wolfgang Dietrich hat es sich auf die Fahnen geschrieben, den eigenen Nachwuchs zu fördern und auf ihn zu setzen. Sehen Sie eine Entwicklung zum Positiven?
Ja, ich habe das Gefühl, dass jetzt vieles besser ist und der eingeschlagene Weg mit der Förderung der Talente auch gelebt wird. Man muss den Jungs die Zeit geben, um zu reifen, man muss ihnen Wertschätzung entgegenbringen.

Wertschätzung ist ein gutes Stichwort. Sie haben damit in München auch schon Erfahrungen gemacht. Seit ein paar Monaten stehen Sie für den verletzten Manuel Neuer im Tor. Nach einem Fehler zu Beginn attestierte Ihnen der TV-Experte Lothar Matthäus eine Sehschwäche. Jetzt, nach konstant starken Leistungen in den vergangenen Monaten, hat Sie Matthäus als Kandidat für die WM ins Spiel gebracht. Wie gehen Sie mit so etwas um?
Ich mache mich davon komplett frei. Ich lasse Kritik von außen nicht mehr so an mich heran, wie es früher als junger Profi noch der Fall war. Ich habe gelernt, wie schnelllebig dieses Geschäft ist. Heute bist du der Depp, morgen der Held in der öffentlichen Wahrnehmung, so ist das eben. Das perlt aber mittlerweile an mir ab. Ich habe mir mit der Zeit eine innere Gelassenheit antrainiert. Das Feedback meines Cheftrainers und des Torwarttrainers ist mir wichtig, der Rest nicht mehr.

Das Feedback von Jupp Heynckes war zuletzt sehr positiv. Der Coach hatte Ihnen von Beginn an das Vertrauen ausgesprochen, Sie zahlen es seit Wochen mit starken Leistungen zurück. Auffällig ist dabei Ihre Entwicklung, was den Spielaufbau angeht. Wie beurteilen Sie diesen Prozess?
Ich profitiere davon, dass ich jeden Tag mit absoluten Weltklasseprofis trainieren darf. Und natürlich vom Torwarttraining mit Toni Tapalovic. Schon unter Pep Guardiola war es so, dass die Torhüter extrem gefordert waren im Spielaufbau. Pep Guardiola hat uns lange Bälle anfangs sogar verboten. Manuel Neuer ist auch was den Aufbau angeht der beste Keeper der Welt. Von ihm kann ich mir da natürlich einiges abschauen.
In Stuttgart galten Sie eher als der Mann mit den starken Reflexen, der im Spielaufbau aber gewisse Schwächen hat. Bei langen Bällen von Ihnen wurde im Stadion gerne mal gebruddelt auf der Haupttribüne.

Das hat damit zu tun, dass zu meiner Zeit beim VfB genau das eingefordert wurde von den Trainern: lange Bälle nach vorne, und dann nachrücken. Sie können sicher sein, dass man mir auch damals einen Ball hinspielen konnte und ich von hinten hätte aufbauen können. Nur war das damals eben so nicht gewünscht und vorgegeben. Das ist heute beim FC Bayern anders, und da muss man sich anpassen und dazulernen.

Sie sind seit dem Sommer 2015 in München. Damals gab es viele Kritiker, die sich fragten, warum Sie es sich antun, hinter Manuel Neuer auf Jahre hin die Nummer zwei zu sein. Jetzt sind Sie regelmäßig im Einsatz – und Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Wenn Neuer zurückkommt, sind Sie wieder die Nummer zwei. Wie sind Ihre Pläne: Vereinswechsel oder noch ein paar Jahre beim FC Bayern?
Wenn Manuel Neuer wieder gesund ist im neuen Jahr, wird es sicher schwierig, sich wieder auf die Bank zu setzen, das ist klar. Bisher gibt es aber definitiv keine Richtung. Ich kann mir vieles vorstellen. Es ist etwas ganz Besonders, beim FC Bayern München zu sein und in der täglichen Arbeit von den Weltklasseleuten um einen herum zu profitieren. Ich warte jetzt einfach mal ab.

Quelle: Stuttgarter Zeitung


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