Karim Haggui

"Es wird wieder aufwärts gehen"



Karim Haggui spricht rund um die Partie in Freiburg über die Bedeutung von Derbys und sagt: "Das ist wie ein Pokalspiel – Hauptsache, man gewinnt."

Hallo Karim, lass uns diesmal über Derbys unterhalten. Inwiefern haben Nachbarschaftsduelle für Dich einen besonderen Reiz?
Karim Haggui: "Ich habe schon ein paar Derbys gespielt, in Tunesien, in Frankreich oder mit Leverkusen gegen Köln. Das sind zwar auch nur 90 Minuten, aber die Atmosphäre und die Woche davor sind irgendwie sehr besonders."

Natürlich will ein Fußballer in der Regel immer Vollgas geben. Aber manchmal entsteht der Eindruck, dass gerade der Underdog im Derby noch mehr aus sich herausholt als sonst und als kleinerer Klub den größeren ärgern will. Wie kommt das?
Karim Haggui: "Das ist vielleicht so, weil die allgemeine Vorbereitungssituation bei einem Derby besonders ist. Man bereitet sich noch ein bisschen fokussierter vor. Das spürt man zumindest und gilt auch für den ‚größeren‘ Klub. Ein Derby ist nicht wie jedes andere Spiel, schon von den Fans her. Die Vorbereitung ist anders, vor und nach dem Spiel spricht man in der Region länger darüber. Es treffen 2 benachbarte Konkurrenten aufeinander, und jeder möchte in seiner Region unbedingt der Bessere sein. Das macht es interessant."

Ihr gastiert am Sonntag von 17.30 Uhr an in Freiburg, der SC ist eher der Außenseiter, der kleinere Verein. Was muss das für Eure eigene Motivation bedeuten?
Karim Haggui: "Uns ist bewusst, dass uns Freiburg nochmal ärgern möchte. Dieses Spiel ist für uns aber auch schon ohne den Derbygedanken sehr wichtig, für die Tabelle, für die aktuelle Situation, für alles. Wir wollen eine Reaktion nach dem Dortmund-Spiel zeigen und uns außerdem für das Pokalspiel revanchieren."

Es könnte Dein erstes baden-württembergisches Derby auf dem Feld werden. Wie schafft es ein Neuer, sich gleich in solch eine Derbykonstellation reinzuversetzen?
Karim Haggui: "Ich weiß, dass es ein Derby ist, dass es heiß zwischen den Fans hergehen kann und auch zwischen den Spielern, die schon länger bei den Klubs spielen. Ich selbst kann mich da natürlich noch nicht ganz so stark reinversetzen, aber ich versuche so zu spielen, wie ich kann, wie ich muss. Ich lasse mich vom Derbycharakter nicht so sehr beeinflussen. Das Wichtigste ist, konzentriert zu spielen und eine gute Leistung abzurufen. Die Sensibilität für das Derby wächst natürlich mit der Zeit, ich bin aber neu und konzentriere mich daher vor allem auf das Fußballspielen. Dass es ein Derby ist, bekommt man durch das Drumherum ja ohnehin mit. Man muss allerdings mit der Situation gut umgehen und sich darauf einstellen."

Du hast von einigen Derbys gesprochen, die Du schon erlebt hast. Auch im deutschen Ausland. Sind diese Duelle irgendwie anders?
Karim Haggui: "In Deutschland sind die Leute ein bisschen fairer. In Tunesien geht es da schon fanatischer zur Sache. Dort ist es noch verrückter und heißblütiger. Das ist der Unterschied, aber ansonsten ist ein Derby ein Derby. Das muss man gewinnen, das ist wie ein Pokalspiel. Es ist nicht so wichtig, wie man spielt, Hauptsache, man gewinnt. Wobei wir uns natürlich weiterentwickeln und auch gut spielen wollen."

Inwiefern unterscheidet sich dieses baden-württembergische Nachbarschaftsduell von den Derbys, die bei Deinen ehemaligen Klubs Hannover und Leverkusen anstanden?
Karim Haggui: "Ich bin zwar im Pokalspiel nur auf der Bank gesessen, aber ich glaube nicht, dass in Deutschland große Unterschiede herrschen."

Der Sport-Club hat am Wochenende seinen 1. Saisonsieg gefeiert. Welche Auswirkungen hat dies auf die Begegnung am Sonntag?
Karim Haggui: "Es wird ein harter Kampf. Das ist in Freiburg immer der Fall. Dort geht es immer heiß her. Der Sieg hat ihnen Selbstvertrauen gegeben. Davor müssen wir gewarnt und darauf vorbereitet sein. Aber wir wollen unsererseits das Spiel in Dortmund so schnell wie möglich vergessen machen. Wir sind demnach heiß drauf, das 1:6 wiedergutzumachen sowie eine Reaktion zu zeigen. Und da ist es etwas schwieriger, dass wir nun eine extrem lange Woche haben, um diese Chance zu bekommen."

Freiburg spielt an diesem Donnerstag in dieser UEFA Europa League. Mehrfachbelastung für eine Mannschaft im unteren Tabellendrittel. Was bedeutet das?
Karim Haggui: "Ich habe in Hannover die Erfahrung gemacht, dass wir mit einem relativ kleinen Kader eine gute Balance zwischen Bundesliga und Europa League hatten. Ich spiele jedenfalls gerne alle 3 Tage. Vielleicht spielt das auf lange Sicht in der Rückrunde eine Rolle. Aber jetzt ist es noch zu früh. Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir auf müde Freiburger treffen werden – zumal es ein Derby und der Puls daher noch höher ist." (lacht)

Du bist nun seit einigen Wochen beim VfB, bist mittlerweile in der Startelf gestanden und hast auch bereits Dein 1. Tor erzielt. Wo siehst Du den Klub mit dem roten Brustring derzeit?
Karim Haggui: "Vom Kader, von der Qualität und von den Leistungen her, die wir vor der Dortmund-Partie gezeigt haben, wird schon deutlich, dass dieser Klub besser ist als der aktuelle Tabellenplatz. Wir haben ein paar Punkte verschenkt, und natürlich waren wir nach dem Spiel beim BVB sehr enttäuscht. Dennoch werden wir weiter so arbeiten wie bisher, und ich bin mir sicher, dass die Ergebnisse dann wieder kommen und es in der Tabelle wieder aufwärts geht."

Inwiefern haben sich Deine Erwartungen erfüllt?
Karim Haggui: "Ich kann dazu noch nicht allzu viel sagen, weil ich noch nicht so viel gespielt habe. Ich hoffe jedenfalls, dass ich der Mannschaft auf Dauer helfen kann. In Bezug auf das Team habe ich ein gutes Gefühl, das ist eine gute Truppe. Ich konnte mich sehr schnell beim VfB integrieren."

Die Fans haben nach dem Pokalaus in Freiburg auch ihre Erwartungen an die Partie im Breisgau. Welche Rolle spielt dieses 1:2 bei Euch noch?
Karim Haggui: "Das war sehr hart für uns. Die Partie liegt noch nicht so lange zurück, und wenn wir jetzt nach Freiburg fahren, kommt das Pokalspiel wieder in den Kopf. Das kann im Rahmen der Vorbereitung ein positiver Punkt sein. Wir haben damals recht gut gespielt, aber die Partie verloren. Das spielt schon eine Rolle, wir wollen dort auf keinen Fall 2 Mal verlieren. Wir haben die Qualität und das Potenzial, zu gewinnen. Es wird aber nicht einfach, und wir müssen uns richtig gut vorbereiten."

Ein 1:2 auf dem Statistikblatt des nächsten Länderspiels würde Dich dahingegen bestimmt freuen. Du fliegst nämlich nach der Begegnung in Freiburg Richtung Afrika, Tunesien spielt im WM-Play-off-Rückspiel auswärts in Kamerun, die erste Begegnung endete torlos. Das ist freilich kein Derby, aber dennoch besonders. Welche Gedanken kreisen diesbezüglich in Deinem Kopf herum?
Karim Haggui: "So viele Gedanken mache ich mir momentan noch nicht. Das ist natürlich ein Riesenspiel für uns und das Land. 90 Minuten bis nach Brasilien, das ist besonders. Es ist ein Entscheidungsspiel und die wichtigste Partie der vergangenen 8 Jahre, weil wir uns für Südafrika nicht qualifiziert haben. So lang kann eine komplette Karriere sein (lacht). Natürlich ist das eine Drucksituation, aber der Druck ist für die Kameruner größer. Sie spielen daheim, sie müssen die Partie machen. Wir sollten ganz souverän auftreten und mental sehr gut vorbereitet sein."

3 WM-Spiele hast Du bisher bestritten, in Deutschland war 2006 nach 2 Niederlagen und einem Remis nach der Gruppenphase Schluss. Wie stehen die Chancen, dass die tunesische Fahne nun auch in Brasilien weht?
Karim Haggui: "50:50 – wirklich. Im 1. Spiel waren wir die bessere Mannschaft, haben aus 3 guten Chancen leider kein Tor erzielt. Ich war von unserer Leistung positiv überrascht. Kamerun hat dahingegen nicht viel investiert. Das wird natürlich im Rückspiel anders sein, die Mannschaft besteht aus einigen Topspielern und hat eine riesige Qualität. Außerdem hat das Team mit Volker Finke, der ja in Freiburg bestens bekannt ist, einen sehr erfahrenen Trainer. Er weiß genau, wie er seine Mannschaft heiß machen kann. Die Kameruner haben zudem vielleicht den Vorteil des eigenen Publikums, aber das kann auch sehr schnell kippen in Afrika. Wir sollten uns jedenfalls darauf vorbereiten und das dann auch ausnutzen."

Werden eigentlich viele tunesische Fans in Kamerun sein?
Karim Haggui: "Da werden schon ein paar kommen. 6 bis 7 Stunden müssen die Fans zwar anreisen, aber diejenigen, die kommen, werden uns auf jeden Fall helfen."

2014 wirst Du 30 Jahre, bei Deiner 1. WM 2006 warst Du um einiges weniger erfahren. Welche Bedeutung hätte diese 2. Teilnahme für Dich?
Karim Haggui: "Die Erfahrung ist genau der Punkt. Nach der 1. WM mit 22 Jahren sagt man, dass dies und jenes anders war, als ich es mir vorgestellt hatte. In der 2. Endrunde hat man diese Erfahrung dann schon. In Deutschland war es in allen Punkten eine Top-WM, außer unsere Ergebnisse (lacht). Brasilien könnte für meine Karriere noch ein großes Geschenk sein, und für Tunesien wäre es eine sehr gute Leistung, wenn wir von 3 möglichen WM-Turnieren 2 spielen würden."

Quelle: vfb.de


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