Interview VfB-Finanzchef Stefan Heim

„Wir sind kein normaler Zweitligist“

Der VfB-Finanzchef Stefan Heim spricht über die zweite Liga, die Euphorie der Fans und den wirtschaftlichen Spielraum.


Stefan Heim sieht den VfB nicht als den FC Bayern der zweiten Liga.

Der VfB ist abgestiegen, aber im Umfeld herrscht vor dem Spiel an diesem Freitag in Düsseldorf eine Aufbruchstimmung. Stefan Heim sieht den Grund dafür in der schwäbischen Mentalität.

Herr Heim, Ihr Sportvorstand Jan Schindelmeiser sagte am Montag nach dem 2:1 gegen St. Pauli, dass er angesichts der Atmosphäre im ausverkauften Stadion eine Gänsehaut bekommen habe. Wie ist es Ihnen ergangen?
Genauso, das war nach einigen Anlaufschwierigkeiten ein großartiger Fußballabend. Es wurde von der Mannschaft und von den Fans gemeinsam ein Zeichen gesetzt, dass hier in der Region wieder etwas zusammenwachsen kann.

Die Fans wurden zuletzt ja nicht verwöhnt.
Das stimmt, sie haben eine lange Leidenszeit hinter sich. Man konnte sich ja kaum noch an unseren letzten Heimsieg erinnern – es war am 5. März beim 5:1 gegen Hoffenheim.

Trotz dieser Durststrecke hat der VfB 25 000 Dauerkarten verkauft und 1500 Mitglieder dazugewonnen. Haben Sie eine Erklärung?
Rational kann ich das schwer begründen, doch eine positive Eigenschaft von uns Schwaben ist nun mal, dass wir in der Regel treue Seelen sind und in der Not zusammenstehen. Die Leute bekennen sich zum VfB.

Dann könnte man die zweite Liga ja fast als Goldgrube bezeichnen?
Falsch. Durch den Abstieg haben wir nicht einen Schuss vor den Bug bekommen, sondern einen Schuss direkt in den Bug. 40 Prozent unseres Umsatzes sind weggebrochen, er wird von rund 100 Millionen Euro pro Jahr auf 60 Millionen Euro zurückgehen.

Wie setzen sich die fehlenden 40 Millionen Euro zusammen?
22 Millionen Euro fallen alleine beim Fernsehgeld weg – ersatzlos gestrichen. Der Rest verteilt sich auf Vermarktungserlöse und Zuschauereinnahmen. So bringt uns eine wie gegen St. Pauli ausverkaufte Mercedes-Benz-Arena jetzt in der zweiten Liga eine knappe Million Euro in die Kasse, in der Bundesliga gegen die Bayern waren es dagegen gut 1,3 Millionen.

Das heißt: beim VfB ist sparen angesagt?
Unsere Pflicht ist es, den Club stabil zu halten. Wir wollen ihn aber nicht nur konsolidieren, sondern wieder in die Bundesliga bringen. Also müssen wir Geld in die Hand nehmen und in die Mannschaft investieren. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir das Ziel erreichen. Es ist für niemand gut, wenn wir lange in der zweiten Liga bleiben. Das verbindet alle – die Fans, die Sponsoren, die Spieler, die Vereinsmitarbeiter.

Wie viel Geld für Neuzugänge steht dann in der am 31. August abgeschlossenen Transferperiode noch bereit?
Die genaue Summe will ich nicht nennen, aber wir können die Mannschaft noch verstärken. Wir sind handlungsfähig. Unsere Aufgabe ist es grundsätzlich nicht, Geld auf dem Sparbuch zu horten, sondern unserer sportlichen Führung möglichst viel finanziellen Spielraum zu geben.

An diesem Freitag spielt der VfB bei Fortuna Düsseldorf – auch ein Traditionsverein mit potentem Umfeld, der aber in der Versenkung verschwunden ist. Sehen Sie diese Gefahr auch in Stuttgart?
Ich will die Entwicklung bei Fortuna Düsseldorf nicht aus der Ferne bewerten. Wir wollen bei uns in Stuttgart die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir schnell wieder nach oben kommen. Wir nehmen diese Situation an – und dabei ziehen alle mit. So haben wir unser Kartenkontingent für die Partie in Düsseldorf voll ausgeschöpft. 3160 Fans werden uns begleiten – und für unser nächstes Heimspiel gegen Heidenheim haben wir jetzt auch schon wieder 36 000 Tickets abgesetzt. Dabei ist der Termin ja erst am 9. September.

Hannovers Präsident Martin Kind hat gesagt, dass der Aufstieg für sein Team nicht nur das Ziel ist, sondern auch eine Pflicht. Gilt das auch für den VfB?
Bei einer zweiten Saison in der zweiten Liga müssten wir den Gürtel noch mal deutlich enger schnallen, aber uns würde deshalb nicht die Luft ausgehen. Allerdings würde sich die Situation mit jedem Jahr in der zweiten Liga weiter verschärfen.

Glauben Sie, dass die Fans auch in diesem Fall noch mitziehen würden?
Für uns geht es jetzt darum, mit Optimismus an die Aufgaben heranzugehen. Gegen St. Pauli hat jeder im Stadion gemerkt, dass der Fußball in Stuttgart eine feste Verankerung hat. Eine ähnliche Unterstützung hat es hier ja schon mal gegeben – in der Aufstiegssaison 1976/77. Erste Ansätze gehen auch jetzt in diese Richtung. Und wir nehmen die Herausforderung in der zweiten Liga ohne Wenn und Aber an. Mit Jammerin ist sowieso noch keiner aufgestiegen.

Es gibt Experten, die den VfB als den FC Bayern der zweiten Liga bezeichnen. Sehen Sie das auch so?
Nein! Dass wir mit unserer Geschichte kein normaler Zweitligist sind, ist klar. Aber nur weil wir der VfB sind, wird der Aufstieg kein Selbstläufer.

Um mehr finanziellen Spielraum zu bekommen, wollte der VfB seine Profiabteilung aus dem Gesamtverein ausgliedern. Ist das durch den Abstieg hinfällig geworden oder wurde dieser Plan dadurch nur verschoben?
Was steckt hinter dieser Idee? Wir wollen den Club wettbewerbsfähiger machen. An dieser Notwendigkeit hat sich durch den Abstieg nichts geändert – im Gegenteil.

Haben Sie auch Alternativmodelle zu der bei Teilen der Anhängern kritisch gesehenen Ausgliederung geprüft?
Ja, das haben wir – und wir schließen Alternativen weiter nicht aus. Aber unserer Meinung nach bietet eine Ausgliederung die besten Möglichkeiten. Deshalb wollen wir das vorschlagen – nehmen die Bedenken gleichzeitig aber sehr ernst und versuchen, Antworten zu liefern und Überzeugungsarbeit zu leisten.

Wie sollte die sportliche Bilanz bis zur Mitgliederversammlung am 9. Oktober sein?
Völlig losgelöst davon wollen wir uns schnell oben festsetzen. Dass das nicht einfach wird, zeigt schon die Tatsache, dass es mehrere Vereine gibt, die nach dem Abstieg erhebliche Probleme bekommen haben.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


Mummi [Linked Image]