Serey Dié:

Respekt ist wichtiger als Geld

Der Mann von der Elfenbeinküste ist erst ein halbes Jahr beim VfB Stuttgart, trotzdem wählten ihn die Teamkollegen in den Spielerrat. Das passt ins Weltbild von Serey Dié (30). „Es geht nicht in erster Linie um Geld, ich muss auch kein Star sein“, sagt der Abräumer im VfB-Mittelfeld, „ich will nur, dass man mir Respekt entgegenbringt.“


Mittelfeldmann Serey Dié: Das neue VfB-System passt perfekt

Serey Dié, im Februar sind Sie nach Stuttgart gekommen, nun haben wir Ende Juli – und Sie sind in den Mannschaftsrat gewählt worden . . .

. . . und das war für mich eine große, aber natürlich positive Überraschung.

Warum?
Eben weil ich noch nicht lange hier bin. Aber das zeigt mir natürlich, dass mir die Mitspieler vertrauen, das freut mich sehr.

Ihr Chef im Spielerrat ist sozusagen Kapitän Christian Gentner, wer Sie beide im Training beobachtet, der erkennt: Das ist eine besondere Beziehung.
Das stimmt. Christian und ich verstehen uns sehr gut. Wie er mich in Stuttgart aufgenommen hat, das hat mich sehr berührt.

Wieso das?
Als ich nach Stuttgart kam, ging er direkt auf mich zu und hat mir erzählt, dass er sich bei Marco Streller, dem Kapitän meines Ex-Clubs FC Basel (Anmerk. d. Red.: und früheren VfB-Stürmer), nach mir erkundigt hat. Christian sagte, er habe nur Gutes gehört, und meinte: Serey, ich brauche hier deine Hilfe. (Fasst sich ans Herz) Wie gesagt: Das hat mich sehr berührt.

Weiteren Respekt haben Sie sich dann auf dem Spielfeld erworben – mit Ihrer Spielweise, aber auch mit Ihren lauten Kommandos.
Ich rede eben viel auf dem Platz und möchte damit meinen Mitspielern, vor allem den jüngeren, helfen. Das gehört für mich einfach dazu.

Wer Sie außerhalb des Spielfeldes als ruhigen Menschen erlebt, muss sich fragen: Ist das wirklich der gleiche Typ?
(Lacht) Ja, ich weiß um diese Unterschiede. Ich bin eben der Mann mit den zwei Gesichtern. Außerhalb des Platzes bin ich lustig und mache Späße, zu Hause bei meiner Frau und meinen vier Töchtern kennt man mich nur so.

Aber auf dem Platz . . .
. . . wird hart gearbeitet, da gibt es nur eines: Vollgas. Das war schon immer so bei mir. Ich habe im Leben nichts geschenkt bekommen, viele haben nicht daran geglaubt, dass ich es zum Profifußballer schaffe. Dank meiner Überzeugung und Gottes Hilfe habe ich es aber doch geschafft.

Zu Beginn musste man sich Sorgen, Sie würden es mit der Aggressivität ein wenig übertreiben.
Ich war neu in der Liga, also musste ich sozusagen mein Revier abstecken. Es geht schließlich auch immer darum, sich bei den Gegnern über die eigene Spielweise Respekt zu verschaffen. Aber keine Sorge: Ich hatte zuvor schon viele Bundesliga-Spiele im Fernsehen gesehen, ich wusste, wie hier gespielt wird.

Und so haben Sie maßgeblich am Klassenverbleib des VfB mitgearbeitet. Beschreiben Sie doch mal das vergangene halbe Jahr.
Das komplette vergangene Jahr war für mich sehr speziell. Ich habe den Afrika-Cup gewonnen, ich bin zu einem großen Club wie dem VfB gewechselt, in die Bundesliga, die immer ein Traum von mir war. Ich kam voller Selbstvertrauen und Enthusiasmus und konnte zeigen, was ich kann. Das alles war sehr schön. Davor war aber auch noch der Abschied aus Basel.

Es hieß, Sie hätten Streit mit dem damaligen Trainer Paulo Sousa gehabt.
Das stimmt so nicht.

Wie war es dann?
(Atmet tief durch) Okay, es ist das erste Mal, dass ich darüber spreche.

Bitte sehr.
Im Anschluss an die Saison 2013/14 wurde ich hinter Torhüter Yann Sommer Zweiter bei der Fan-Wahl zum Spieler des Jahres. Dann fuhr ich zur WM, und als ich zurückkam, sollte ich nach vier Tagen gleich wieder ins Training einsteigen – die Schweizer WM-Teilnehmer hatten aber zwei Wochen frei.

Und dann?
Habe ich beim Sportdirektor nachgefragt, warum das so ist. Er erlaubte mir, ebenfalls zwei Wochen Urlaub zu nehmen. Das teilte ich dem Trainer mit, fuhr in den Urlaub – und als ich wiederkam, wurde ich ohne Angaben von Gründen nicht mehr eingesetzt.

Wie haben Sie reagiert?
Ich wollte keinen Streit, ich wollte die Mannschaft damit nicht belasten und habe mich nie bei Fans oder über die Medien beschwert. Ich habe weitertrainiert, habe in der Champions League ein gutes Spiel gegen den FC Liverpool gemacht, danach war ich aber wieder draußen. Später, als der Wechsel nach Stuttgart klar war, habe ich den Coach noch einmal nach Gründen gefragt, aber er hat mir nicht in die Augen geschaut und mir keine Erklärung gegeben. Der Trainer hat mich aus meiner Sicht einfach nicht mehr respektiert.

Was Ihnen aber wichtig gewesen wäre.
Respekt ist das Wichtigste. Mir geht es nicht in erster Linie um Geld, ich muss auch kein Star sein, ich will nur, dass man mir Respekt entgegenbringt. Wenn das geschieht, dann gebe ich auch alles zurück.

In Stuttgart spüren Sie diesen Respekt?
Absolut. Und ich war überrascht, dass mich die Menschen sehr schnell auf der Straße erkannt und mich angesprochen haben. Auch das empfand ich als sehr positiv.

Haben Sie sich vor Ihrem Wechsel zum VfB eigentlich bei Ihrem Landsmann Arthur Boka erkundigt?
Nein.

Warum nicht? Er hätte sicher viel über den VfB zu erzählen gehabt.
Aber ich bin jemand, der sich sein eigenes Bild machen möchte, ich wollte unvoreingenommen meine Entscheidung treffen. Deshalb habe ich nicht viele andere Meinungen eingeholt. Mit Didier Drogba (Anmerk. d. Red.: Star-Stürmer aus der Elfenbeinküste) habe ich aber über den VfB gesprochen. Er ist wie ein Bruder für mich und hat mir zugeraten.

Nach dem Fast-Abstieg soll die neue Saison positiver verlaufen. Was sind Ihre Ziele?
Ich bin keiner, der vor einer Saison viel redet und Ziele ausgibt.

Sie haben sich das komplette halbe Jahr öffentlich nicht geäußert.
Weil ich finde, dass es auch während der Runde nicht viel zu sagen gibt, wir sollten hart arbeiten, dann können wir hinterher über das Erreichte sprechen.

Wie gefällt Ihnen denn das neue System, das Trainer Alexander Zorniger der Mannschaft verpasst hat?
Für mich ist es perfekt.

Tatsächlich?
Ja. Im bisherigen System musste ich manchmal abwarten, bis ich den Gegner attackieren konnte. Nun sind wir selbst aktiver, das kommt mir sehr entgegen.

Quelle: Stuttgarter Nachrichten


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